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Die Schifffahrt klagt nicht selten über eine allzu aufwendige Bürokratie. Die Europäische Union setzt auf elektronischen Datentransfer, um das Problem zu lösen. Birgit Nolte-Schuster gibt einen Überblick über den Stand der Dinge
Das Ziel ist der »blue belt«, die Errichtung eines europäischen Seeverkehrsraums ohne Grenzen. Denn insbesondere durch die Küstentopographie in Europa[ds_preview] werden für den Kurzstreckenseeverkehr günstige Voraussetzungen gesehen, hier einen wirtschaftlichen und ökologisch nachhaltigen Frachtverkehr zu ermöglichen. Doch bislang stellen die komplizierten zollrechtlichen Verwaltungsverfahren eine Beeinträchtigung dar, die höhere Kosten und Verspätungen und damit eine Benachteiligung des Seeverkehrs im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern bedeuten. Um hier eine Vereinfachung und Harmonisierung zu erzielen, hat die Europäische Kommission im Januar 2009 einen Aktionsplan verabschiedet. Ein Schwerpunkt sieht die Einführung von elektronischen Systemen für die Datenübermittlung und die Rationalisierung der Meldevorschriften für Schiffe vor.

In der zwischenzeitlich dazu verabschiedeten Richtlinie 2010/65/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen in und/oder Auslaufen aus Häfen der Mitgliedsstaaten wird dazu als verbindlicher Termin zum Umsetzung der 1. Juni 2015 festgelegt. Ab dann soll die Übermittlung der relevanten Daten zur Erfüllung der Meldeformalitäten nur noch elektronisch über eine einzige Meldeschnittstelle (»National Single Window«) erfolgen. Mittels dieses elektronischen Fensters haben die »Melder« der beteiligten Handels- und Transportketten dann die Möglichkeit, die standardisierten Angaben entsprechend der FAL-Formulare an die zuständige Behörde oder, falls erforderlich, mehrere Behörden zu übermitteln, um damit den Meldevorschriften nachzukommen. Eine Ausnahme soll hierbei nur für die Schiffe gelten, die ausschließlich zwischen Häfen im Zollgebiet der EU verkehren und deren Herkunfts- und Bestimmungshafen sowie etwaige Zwischenhäfen nicht außerhalb der EU liegen.

Ebenso eine Ausnahmeregelung, doch nur für einen begrenzten Zeitraum, stellt die mögliche Bereitstellung von Informationen durch FAL-Formulare in Papierform über den 1. Juni 2015 hinaus dar. Denn entsprechend der EU-Richtlinie soll die elektronische Meldepraxis genutzt werden, »wo immer dies durchführbar ist«. Doch um ein reibungsloses Funktionieren des elektronischen Datentransfers auf der Ebene der zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten in der europäischen Gemeinschaft zu gewährleisten, müssen die elektronischen Systeme in stärkerem Maße als bisher kompatibel sein. Eine reibungslose Kommunikation zwischen dem SafeSeaNet, der elektronischen Zollabfertigung und den nationalen elektronischen Systemen, mit denen Daten eingetragen oder abgerufen werden, wird als Grundvoraussetzung für eine effiziente Nutzung des elektronischen Datentransfers gesehen.

In diesem Zusammenhang und auf die laufenden Fortschritte in der EDV aufbauend wird seitens der Europäischen Kommission eine gute Voraussetzung gesehen, ebenso die Voranmelde-Formalitäten beim Einlaufen in den Hafen im Hinblick auf eine Fristverkürzung und -Harmonisierung zu überprüfen und hier gegebenenfalls gesetzgeberisch tätig zu werden.

Zudem soll ein Bericht der EU über die Umsetzung des neuen Meldeverfahrens Erkenntnisse liefern, inwieweit eine Ausweitung dieser Maßnahmen auch auf das Hinterland und die Binnenschifffahrt sinnvoll wäre. Die EU-Kommission möchte damit Möglichkeiten prüfen, inwieweit durch eine schnellere und reibungslosere Durchfahrt des maritimen Verkehrs eine nachhaltige Lösung bei Überlastungen in den Seehäfen erzielt werden könnte.

Auf deutscher Seite wird die Umsetzung der Richtlinie 2010/65/EU und das Vorhaben zum Bürokratieabbau im Seefahrtsbereich durch das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur begleitet. Durch die enge zeitliche Vorgabe seitens der Europäischen Kommission und die damit verbundenen administrativen Neuerungen plant das Ministerium mit den entsprechenden Ministerien der Küstenländer, ab Februar in Informationsveranstaltungen die verschiedenen Aspekte zu erläutern. Thematisiert werden dabei auch die Meldeprozesse, die Anforderungen an die Datensicherheit und die potentiell möglichen Meldeschnittstellen des »National Single Window« Deutschland.

Dr. Birgit Nolte-Schuster