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Zu den wichtigsten Themen für die maritime Industrie gehören derzeit Effizienzsteigerung, Sicherheit und Digitalisierung. Auch auf der jüngsten STG-Hauptversammlung standen diese Punkte auf der Agenda.
Drei Tage lang diskutierten in Hamburg Experten aus den Bereichen Schiffbau, Zulieferindustrie und Reedereien über Energieversorgung, Schiffsentwurf und die Schiffssicherheit[ds_preview] sowie die Meerestechnik. Der Zwang zu Kostensenkungen im Schiffsbetrieb führt zu einem Innovationsboom, etwa bei effizienzsteigernden Maßnahmen auch am Propeller. Darüber sprach Lars Greitsch vom Mecklenburger Metallguss (MMG) am Begrüßungsabend. Die Propeller-Refit-Aufträge zur Anpassung an die aktuellen Geschwindigkeiten der Schiffe bescherten MMG Arbeit für ein Jahr.

Im Rahmen der nichtöffentlichen Mitgliederversammlung wurde auch mitgeteilt, dass Fred Deichmann ab Januar 2015 die STG-Geschäfte führen wird, da der bisherige Geschäftsführer Iwer Asmussen auf eigenen Wunsch ausscheidet.

Die Tagung begann mit einem Grußwort von Reinhard Lüken vom Verband Schiffbau und Meerestechnik (VSM), der auf das zur Zeit höchste Bestellvolumen der Werftgeschichte einging. Als Ursachen nannte er neue Geldquellen, niedrige Schiffspreise und den Bedarf an effizienteren Schiffen. Die deutsche Zulieferindustrie steht im Export an erster Stelle und profitiert bei den aktuellen Aufträgen besonders von der Nachfrage nach Kreuzfahrt-, Spezial- und Arbeitsschiffen. Auslandsmärkte wie Brasilien und Russland (Öl und Gas) legen zwar »eine Pause« ein. Trotzdem sind die Mitglieder des Branchenverbandes VDMA in Brasilien sehr aktiv, da die deutsche Industrie neben Liefertreue besonders bei der Systemkompetenz und den umweltschonende Technologien einen sehr guten Ruf genießt, wie Hauke Schlegel sagte.

Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim Verband Deutscher Reeder (VDR) wies darauf hin, dass deutsche Reedereien begonnen haben, mit Bestellungen und dem Einsatz von neuen erheblich effizienteren Schiffen ihre Marktsituation zu verbessern. Diese auch im internationalen Markt zu beobachtenden Maßnahmen haben weltweit zu einer leichten Entspannung im Schiffbau sowie in der maritimen Zulieferindustrie geführt. Hiervon haben auch die deutschen Werften und Zulieferer profitiert. Nagel bezeichnete die derzeitige durch umweltpolitische Vorschriften bewirkte Entwicklung als neue technische Revolution, die durch hohe Brennstoffpreise verstärkt wird.

Nach den Ehrungen von STG-Mitgliedern wurden schiffstechnische Dissertationen der Hochschulen ausgezeichnet. Der Curt-Bartsch-Preis wurde an Katja Wöckner-Kluwe und der Georg-Weinblum-Preises an Jochen Hundemer verliehen. Preisträger des 2014 in Leer durchgeführten Studentensprechtages ist Sebastian Greshake. Er wurde in Hamburg ebenfalls ausgezeichnet. Als Überraschung ehrten die Studenten der Schiffbauervereinigungen Latte und Metazentrum Frau Bartsch für ihre Verdienste. Ihr wurde der Titel »Ihre Generöse Modestizität« verliehen. Außerdem wurde sie Ehrenmitglied der Latte.

Einen kritischen Festvortrag hielt Dirk Lehmann, geschäftsführender Gesellschafter von Becker Marine Systems (BMS). Sein Unternehmen hat mittlerweile 550 als Mewis Duct bezeichnete Vordüsen zur Verbesserung der Propellerzuströmung zum Einsatz gebracht, weitere 300 stehen im Orderbuch. Eine vergleichbare Funktion für Containerschiffe erfüllt der Becker Twisted Fin. Die Reederei Hamburg Süd war dabei Pionier. Weitere 50 Aufträge wurden verzeichnet. Die Zulieferindustrie ist nach Lehmanns Ansicht geprägt von kurzen Produktzyklen. Neu in Kraft tretende Emissionsvorschriften (ECO ships, EEDI und EEOI) erfordern schnellere Anpassungen der Schiffe und bedingen teilweise neue Technologien der Antriebs- und Hilfssysteme. Nur stetige Innovationskraft garantiere den im globalen Wettbewerb stehenden mittelständischen deutschen Zulieferern eine erfolgreiche Marktpräsenz. Die Firmen müssten sich gegen die zunehmende Industriespionage wappnen und die Nachwuchsgewinnung werde vor dem Hintergrund sinkender Geburtenzahlen schwieriger.

Hydrodynamik

Auf die Wirkung von dynamischen Einflüssen des Seegangs auf den Propeller ging die Curt-Bartsch-Preisträgerin Wöckner-Kluwe (FSG) ein. Sie hat im Rahmen ihrer Dissertation ein Verfahren zur Auslegung von Schiffspropellern und zur Bestimmung der Rumpf-Propeller-Wechselwirkungen für kleine Schiffe entwickelt. Dabei erfolgt eine instationäre Kopplung einer RANS-Methode für die Anströmbedingungen des Propellers mit einer potentialtheoretischen Methode.

Der Georg-Weinblum-Preisträger Jochen Hundemer (IBMV) erläuterte die Entwicklung eines Verfahrens zur Berechnung der instationären potenzialtheoretischen Propellerumströmung. Es ermöglicht den Vergleich von Propellergeometrien hinsichtlich ihrer Spitzenwirbelkavitationsneigung. Außerdem wurden Ergebnisse zu instationären Wechselwirkungen zwischen Strömungs- und Strukturverhalten vorgestellt. Den Nachwuchsvortrag zum Thema »Erstellung einer flächenbasierten Schiffsformbeschreibung aus Schiffslinien« hielt Greshake.

Schiffssicherheit

Für die Reedereien wird das Flottenmanagement zunehmend wichtiger. Kundeninformationen, Daten zum Service und besonders Informationen zur Behebung von schwierigen Störfällen lassen sich durch die Anbindung der Schiffe an das Internet schnell übertragen. Jan Lausch von der SAM Electronics GmbH sprach über IT-Sicherheit auf hoher See. Bei der Nutzung von IT Netzen sind jedoch auch die Risiken zu beachten, wenn die Systeme an Land direkt mit den Systemen an Bord verbunden sind. Als Lösung gilt zum Beispiel ein »Rendevous-Server«, der Zugangsberechtigungen prüft, die Systeme entkoppelt und damit Infektionen der Bordsysteme mit Viren und Malware verhindert.

Christian Frühling von TKMS Kiel stellte aktuelle Entwicklungen der Marinetechnik vor. Dazu zählen einzigartige Schiffe wie »Planet« oder die mit Brennstoffzellen angetriebenen U-Boote. Bemerkenswert sind auch die modulare Bauweise der von Gasturbinen und Dieselmotoren angetriebenen Fregatten sowie die innovative Nutzungsmodularität der nächsten Schiffsgeneration. Sonderfelder der Marinetechnik sind die Sensorik und Bewaffnung sowie die Nutzung und Materialerhalt. In der Marinetechnik werden Pionier-Technologien untersucht und bei Eignung angewendet. Einige andere werden später »lediglich« im kommerziellen Schiffbau eingesetzt wie z. B. energiesparende Absorptionsklimaanlagen (»AIDAmar«, »Sonne«).

Schiffsentwurf und -sicherheit

Seit dem Rettungsdrama beim Untergang der »Costa Concordia« sind Lösungen für eine sichere Evakuierung von Kreuzfahrtschiffen wichtiger denn je. Aktuell beschäftigt sich die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO damit. Henning Luhmann von der Meyer Werft präsentierte Ergebnisse aus numerischen Simulationen zum Evakuierungsprozess. Mit diesem Werkzeug werden weitere Untersuchungen und Optimierungen durchgeführt, auch um die geordnete Evakuierung bei wachsenden Schiffsgrößen zu sicherzustellen. Bisher sind Rettungsboote auf 150 Personen begrenzt, in der Diskussion ist jedoch eine neue Generation mit einer Kapazität von 300 bis 400 Personen.

Über Sicherheitsaspekte in der Konstruktion eines Eis brechenden Offshore-Versorgers (OSV) referierte Guido Schulte (Nordic Yards Wismar). Die Werftgruppe hat eine Serie von leistungsstarken und vielseitigen OSV für arktische Gewässer entwickelt. Die 86m langen und mit der Eisklasse IB6 versehenen Bergungs- und Rettungsschiffe vom Typ Nordic MPSV 06 dienen zur Brandbekämpfung, Beseitigung von Ölverschmutzungen, Evakuierung sowie zur medizinischen Versorgung von Personen und sind mit verschiedenen Kränen und einem Hubschrauberlandeplatz für SAR-Einsätze ausgestattet. Schulte ging auch auf die Anforderungen und Sicherheitsaspekte der Eis brechenden Versorger mit dynamischer Positionierung (DP 2) für die Offshore-Öl- und Gas-Exploration ein. Sie sind für die Bergung und Feuerbekämpfung ausgestattet, sollen im Notfall die arktischen Bohr- und Förderinseln evakuieren Die OSV sind für extreme arktische Konditionen mit Temperaturen bis -50 °C und zur Bewältigung von unterschiedlichen Eisbedingungen auch bei permanenter Dunkelheit ausgelegt. Bei einer Länge von rund 100m, einer Breite von 20m sowie 8m Tiefgang können sie bis zu 2m dickes Eis brechen.

Diskutiert wurden ebenso Schleppkräfte beim Notverschleppen von Containerschiffen, beispielsweise wenn havarierte Frachter mit defekter Antriebsanlage zu einer Werft gebracht werden müssen. In einem ersten Szenario wurden voll beladene Tanker und in einem zweiten Szenario Containerschiffe mit einer Containerkapazität zwischen 366 und 18.000TEU betrachtet. Sie wurden mit einer konstanten Geschwindigkeit von 2kn geschleppt. Mit zwei Methoden wurden die Schleppkräfte beim Notverschleppen mit einem RANS-Löser ermittelt.

Energieversorgung und Simulation

Auch im Werftbetrieb nimmt die Digitalisierung eine immer größere Rolle ein. Björn Weidemann (TKMS) stellte eine »Digitale Werftplanung« vor. Mit diesem in mehreren Praxisprojekten entstandenen Planungswerkzeug können frühzeitig viele Fragen bei Erweiterungs- und Neuinvestitionen von Werften beantwortet werden. Die digitale Werft ist im Schiffbau teilweise etabliert. Durch eine Gegenüberstellung lassen sich verschiedene Planungsszenarien von neu zu errichtenden Werften bewerten und Fehlinvestitionen vermeiden. Auch bei der Feinplanung zur Erweiterung der Fertigungskapazität lässt sich der Produktionsprozess detailliert nachbilden, um beispielsweise die Durchlaufzeit im schiffbaulichen Fertigungs- und Montagebereich zu optimieren. Zur Vorhersage des vibro-akustischen Verhaltens von Seeschiffen wird die auf einer Leistungsbilanz beruhende Energie-Finite-Elemente-Methode (EFEM) eingesetzt.

Von modernen Werften wird der niedrige Frequenzbereich bis 20 Hz bei der Auslegung der Stahlstruktur sicher beherrscht, wie Olgierd Zaleski (Novicos) darstellte. Probleme gibt es demnach in den höheren Frequenzbereichen. Nach der kompakten Vorstellung der Theorie der EFEM wurden Erfahrungen mitgeteilt, die bei der Berechnung schiffbaulicher Strukturen auch in hohen Frequenzbereichen bereits gesammelt werden konnten. Abschließend wurden die EFEM-Ergebnisse mit entsprechenden Messergebnissen u. a. am Mock-Up-Deckshaus bei der WTD 71 in Kiel verglichen.

Meerestechnik und Entwürfe

Immer wieder sorgen in der Branche Projekte für die unbemannte Schifffahrt für Diskussionen. Sebastian Ritz von der TU Berlin präsentierte Herausforderungen und Besonderheiten beim Entwurf eines USV (unmanned Surface Vehicle) für hydrographische Aufgaben. Dieses Projekt ist mit einem Brennstoffzellenantrieb ausgestattet. Es zeichnet sich durch die angestrebte Einsatzdauer von bis zu einer Woche auf hoher See aus. Das neuartige relativ kleine Oberflächenfahrzeug dient zur Kommunikation zwischen Unterwasserfahrzeugen (zur hydrographischen Vermessung von Rohstoff-Explorationsgebieten) und Satelliten im Rahmen des Forschungsprojektes SMIS. Dazu wurden strömungsmechanische Berechnungen und daraus abgeleitete Formänderungen durchgeführt, mit CFD-Rechnungen überprüft und iterativ optimiert. Diese Ergebnisse flossen in den Formentwurf ein und als finales Ergebnis ergab sich ein äußerst ungewöhnliches Wasserfahrzeug, dass aus einem flach getauchten Strömungskörpers mit einem die Wasseroberfläche durchstoßenden Turm besteht. Angetrieben wird es von einem elektrischen Fahrmotor mit 0,5kW Nennleistung, der von einer durch sechs Akkumulatoren gepufferten Brennstoffzelle gespeist wird. Das USV hat eine kleine Wasserlinienfläche und ist mit Satellitenantennen über der Wasserlinie und Akustik-Modem (USBL) unter der Wasserlinie ausgestattet. Damit sollen 2015 Versuche in der Versuchsanstalt VWS und in der Ostsee durchgeführt werden.

Deutsche Werften müssen sich zunehmend ihren Platz in Nischenmärkten suchen. Die hiesige Branche spielt im nach Asien abgewanderten Standardschiffbau bekanntlich nur noch eine untergeordnete Rolle. Die deutschen Werften haben neben den bisher gebauten Passagier- und RoRo-Schiffen, Schwimmbagger, Behörden- Marine- und Forschungschiffen neue Geschäftsfelder mit hohem Forschungsbedarf erschlossen, wie Dirk Petersjohann von der Bremerhavener Lloyd Werft am Beispiel der »Ceona Amazon« erläuterte.

Möglichkeiten bestehen im Bau von Yachten und besonders im anspruchsvollen Gebiet des Offshore-Spezialschiffbaus mit den Bereichen Windkraft (Errichterschiffe, Kabelleger, Wohn-, Umspann- und Umrichterplattformen) Öl und Gas (Rohrleger, Versorger, Ankerziehschlepper), hydrographische Vermessung und den zukünftigen Meeresbergbau. Diese Objekte sind überwiegend komplexe Bauwerke mit einem breiten Spektrum an Zuliefer- und Ausrüstungskomponenten mit extremen Ansprüchen an die Ausfallsicherheit. Der Kasko der »Ceona Amazon« entstand beispielsweise bei der Crist Werft in Polen, bevor der Neubau in Bremerhaven weitergebaut wurde.

Jan Wienke von der Klassifikationsgesellschaft DNV GL sprach über »Großausführungsmessungen von Manövern eines Containerschiffes unter Betriebsbedingungen«. Er befasste sich mit der Untersuchung von Maßstabseffekten und der Maschinencharakteristik bei Schiffsmanövern. Dabei handelt es sich um ein Projekt mit einem 4.600-TEU-Containerschiff, das von einem Zweitakt-Dieselmotor (Nennleistung 41.173kW, Nenndrehzahl 94 U/min) angetrieben wird. Bei den Messfahrten wurde die Propellerkurve aufgenommen und unterschiedliche Z-Manöver, Drehkreise und Rudermaschinenmanöver unter Betriebsbedingungen durchgeführt, aufgezeichnet und analysiert. Neben den Schiffsbewegungen wurden der Ruderwinkel, die nautischen Daten, die Propellerdrehzahl und das Drehmoment in der Antriebswelle, das Ruderschaftmoment, der Ruderwinkel und die Windgeschwindigkeit gemessen, grafisch dargestellt und mit CFD-Rechnungen verglichen.


Dr. Karl-Heinz Hochhaus