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Neben gesellschaftsrechtlichen Neuordnungen ist die Erschließung

neuer Finanzierungsquellen eine der wichtigsten Herausforderungen für

die Branche.
In den letzten Beiträgen haben wir uns damit befasst, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit Reedereien zur Verfügung stehen, um den Strukturwandel[ds_preview] der Branche mitzugestalten und sich für die Zukunft stärker aufzustellen. Die schuldvertragliche bzw. gesellschaftsrechtliche Neuordnung von Unternehmen ist jedoch nur die eine der zwei (überlebens-)wichtigen Herausforderungen der Zukunft. Die andere besteht darin, sich neue Finanzierungsquellen zu erschließen, wobei dies ohne eine unternehmerische Neuaufstellung in vielen Fällen nicht möglich sein wird. Vielmehr geht beides Hand in Hand. Der Befund ist klar: Die schiffsfinanzierenden Banken werden aufgrund ihrer Erfahrungen der letzten Jahre sowie der nochmals gestiegenen Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung im Zuge von Basel III vermutlich restriktiver in ihrer Kreditvergabe sein. Weil also weder das klassische langfristige Schiffshypothekendarlehen in dem lange Zeit gewohnten Umfang zur Verfügung stehen wird, noch Privatinvestoren sich in signifikantem Maße über Fondsstrukturen an Neuinvestitionen beteiligen werden, rücken neue Formen der Finanzierung in den Fokus, die in anderen Branchen längst üblich sind.

Schuldscheindarlehen

Ein interessantes Finanzierungsinstrument zwischen dem klassischen Unternehmenskredit, der bei größeren Kreditvolumina üblicherweise von einem Bankenkonsortium gewährt wird, und der Anleihe ist das sogenannte Schuldscheindarlehen. Schuldscheindarlehen sind Darlehen, die gegen Ausstellung eines Schuldscheins gewährt werden. Die Schuldscheine sind keine Wertpapiere im rechtlichen Sinne, sondern dienen lediglich als Beweisurkunde. Darlehensgeber ist typischerweise eine Bank, die häufig zugleich als Arrangeur auftritt. In diesem Fall tritt sie die Forderungen aus dem Darlehen ganz oder teilweise an andere institutionelle Anleger ab, wie insbesondere andere Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Family Offices oder Kapitalanlagegesellschaften. Schulscheindarlehen eignen sich für mittelständische Unternehmen, deren Finanzierungsbedarf für eine Beschaffung über eine börsennotierte Unternehmensanleihe zu klein, über einen Unternehmenskredit jedoch zu groß oder aus anderen Gründen unerwünscht ist. Sie sind der erste Schritt in Richtung Kapitalmarkt. Ihre Finanzierungsvolumina liegen typischerweise zwischen 20 und 100Mio. €, können aber auch wesentlich darunter liegen. Gegenüber der Unternehmensanleihe bieten sie Zeit- und Kostenvorteile, da regelmäßig geringere Anforderungen an ein externes Rating des Darlehensnehmers gestellt werden und die mit einer Börseneinführung verbundenen Publizitätspflichten entfallen.

Anleihen

Der eigentliche Gang an den Kapitalmarkt beginnt mit der Begebung von Anleihen. Anleihen sind Wertpapiere (i. d. R. Inhaberschuldverschreibungen), die der Aussteller zu Finanzierungszwecken gegen Überlassung eines Kapitalbetrags ausgibt und in denen er dem jeweils Berechtigten regelmäßig die Zahlung von Zinsen und die Zahlung eines Kapitalbetrags bei Fälligkeit verspricht. Auch wenn der Markt für Mittelstandsanleihen – jedenfalls in Deutschland – teilweise hinter den Erwartungen zurückgeblieben und es aufgrund von Insolvenzen der Emittenten zu Ausfällen gekommen ist, kann die Finanzierung über Unternehmensanleihen nach wie vor eine sinnvolle Alternative oder Ergänzung zum Bankkredit sein. Die Voraussetzungen für die Emission einer Mittelstandsanleihe und das Prozedere der Emission ergeben sich aus den Geschäftsbedingungen der jeweiligen Börsen und etwaigen Sonderbedingungen. In allen Fällen bedarf es eines von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu billigenden und vom Unternehmen zu veröffentlichenden Wertpapierprospekts, angemessener Anleihebedingungen und eines hinreichend dokumentierten Antrags bei der betreffenden Börse. Daneben sind in der Regel ein Emittentenrating und die Beauftragung von die Emission begleitenden Kapitalmarktexperten erforderlich. Das deutet darauf hin, dass der mit einer Anleiheemission verbundene Aufwand nicht zu unterschätzen ist. Damit setzen bereits Wirtschaftlichkeitserwägungen dem Emissionsvolumen eine Untergrenze, selbst wenn eine solche von der jeweiligen Börse nicht vorgegeben sein sollte. Mittelständische Unternehmen, die es bislang gewohnt waren, Unternehmensinterna nur vereinzelt oder gar nicht zu veröffentlichen, müssen schließlich bereit sein, die mit einer Anleiheemission verbundenen Transparenzpflichten zu erfüllen.

Aufnahme neuer Eigenkapitalgeber

Neben den oder anstelle der zuvor genannten Möglichkeiten der Fremdkapitalfinanzierung kann eine Reederei sich durch die Aufnahme von neuem Eigenkapital finanzieren. Kann dies durch den bestehenden Gesellschafterkreis nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden, ist an die Aufnahme neuer Eigenkapitalgeber zu denken. Sofern, wie häufig, ein Börsengang ausgeschlossen ist, kommen dafür insbesondere Private-Equity-Gesellschaften in Betracht. Sie werden häufig von Banken oder Versicherungen gegründet, sammeln große Kapitalbeträge von institutionellen Anlegern (Pensionsfonds, Family-Offices etc.) ein und bündeln diese in einem Fonds. Anschließend suchen sie passende Zielunternehmen, in die diese Gelder für einen begrenzten Zeitraum von etwa vier bis sieben Jahren investiert werden. Vor der Aufnahme von Private-Equity-Investoren ist zu bedenken, dass das Ziel dieser Beteiligungsgesellschaften von Natur aus in einer möglichst hohen Rendite aus dem Weiterverkauf ihrer Anteile am Zielunternehmen besteht. In aller Regel ist also von einem Finanzinvestor eine völlig andere Geschäftspolitik zu erwarten als von einem langfristigen strategischen Investor.

Börsengang

Die Beschaffung von Eigenkapital über die Börse erfolgt grundsätzlich über ein öffentliches Angebot neu ausgegebener Aktien, die mit Hilfe eines Emissions- oder Platzierungskonsortiums aus Investmentbanken bei interessierten Investoren platziert und zum Handel an einer Börse zugelassen werden. Die Möglichkeit der Aktienausgabe steht in Deutschland nur Unternehmen bestimmter Rechtsformen offen: der Aktiengesellschaft (AG), der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und der Europäischen Gesellschaft (SE). Besteht noch keine dieser Rechtsformen, müssen im Vorfeld des Börsengangs entsprechende gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, wie z. B. ein Wechsel der Rechtsform durchgeführt werden. Der Börsengang ist für das emittierende Unternehmen eine kosten- und zeitintensive Transaktion von großer Tragweite, nämlich der Schritt heraus aus den privaten Geschäftsbeziehungen an die Öffentlichkeit des Kapitalmarkts. Ähnlich wie bei der Begebung einer börsengehandelten Anleihe geht das Erschließen einer breiten Investorenschaft mit umfangreichen Transparenz- und Publizitätspflichten einher.

Crowdinvesting

Beim Crowdinvesting (»Schwarmfinanzierung«) handelt es sich um eine neuere Finanzierungsform, bei der junge Unternehmen über eine grundsätzlich jedermann offenstehende, Internet-basierte Plattform von einer Vielzahl von Investoren wirtschaftliches Eigenkapital einwerben. Das Finanzierungsvolumen liegt typischerweise zwischen 100.000€ und wenigen Millionen. Die Kapitalaufnahme erfolgt teilweise über stille Gesellschaften, ganz überwiegend aber über partiarische Darlehen, deren Ausgestaltung allerdings dem Investor eine gesellschafterähnliche Stellung vermitteln. Obwohl das Crowdinvesting noch sehr neu ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich zu einer auch für Reedereien, zumindest in Teilbereichen, interessanten Finanzierungsalternative entwickelt.

Motive und Kriterien

Welche der genannten Finanzierungsformen – möglicherweise auch in Kombination – die richtige ist, hängt natürlich vom Einzelfall ab. Neben den genannten wirtschaftlichen Aspekten sind steuerliche, rechtliche, aber auch unternehmenskulturelle Gesichtspunkte in die Erwägungen einzubeziehen. Ob eher der Fremd- oder der Eigenkapitalfinanzierung der Vorzug gegeben wird, hängt nicht zuletzt ganz wesentlich davon ab, inwieweit das Kapital suchende Unternehmen bereit ist, neuen Investoren Mitsprache- und Gewinnbeteiligungsrechte einzuräumen.

Nach diesem Überblick werden in den folgenden Ausgaben Beiträge zu den verschiedenen alternative Finanzierungsformen folgen.

Prof. Dr. Stephan R. Göthel, Dr. Oliver Rossbach