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Das Drybulk-Segment gilt aktuell als eines der größten Sorgenkinder der Schifffahrt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Hauptverantwortlich ist aber das große Orderbuch. Denn die wichtigsten Rahmenbedingungen sind nicht so schlecht.
Die Ursache für die aktuellen Verwerfungen liegt nicht nur im Rohstoffhandel, sondern in der Schifffahrt selbst. »Das größte Problem ist[ds_preview] das Orderbuch – das aktuelle und das abgearbeitete«, sagt ein deutscher Makler und Drybulk-Experte. Die Zahl der Ablieferungen und neuen Bestellungen war in den vergangenen Jahren enorm. Neubau-Aufträge nahmen in Bezug auf die Tonnage in zwei Jahren um 54% zu. Das Orderbuch für Caper etwa steht bei 24% der fahrenden Flotte. Nach Ansicht des Maklers gab es zu viel Kapital im Markt, dass bei niedrigen Baupreisen große Renditehoffnungen hegte und vor allem 2012 und 2013 die Auftragsbücher aufblähte. Die Analysten von Clarksons gehen davon aus, dass die Flotte 2015 um 4,8% wächst und damit den Drybulk-Handel übertrifft, für den die Prognose bei 3,4% liegt. In diesem Jahr kommen demnach 1.019 neue Bulker in Fahrt, davon 145 Caper (mit einem Großteil zwischen 160.000 und 210.000dwt) sowie 221 Panamaxe. 2016 folgen weitere 169 beziehungsweise 142 Schiffe. Da wird es kurzfristig nur wenig helfen, dass die Neubau-Order in den letzten Monaten eingebrochen sind.

Am für die Branche wichtigen Rohstoffmarkt für Erz und Kohle gibt es für das laufende Jahr durchaus positive Impulse. Brasilien und Australien wollen ihre Produktionskapazitäten weiter ausbauen. In Australien gibt es mit Roy Hill einen neuen Player, der alleine die Volumen um 55Mio.t steigern dürfte. Hinzu kommen die Großkonzerne Rio Tinto und BHP Billiton, die Ausweitungen auf 330Mio.t und 225Mio.t planen. Brasilien will seine Exporte um 90Mio.t steigern. China wird möglicherweise erneut mehr Eisenerz importieren müssen, wenn die Preise weiter so niedrig bleiben, dass die heimische Industrie im Preiskampf nicht mit der Konkurrenz aus »Down Under« mithalten kann. Sicher ist das allerdings nicht. Zu Jahresbeginn sanken allerdings die Eisenerzimporte etwa im Januar um 9,5% auf 79Mio.t. Aus Brasilien wurden nur rund 9,6Mio.t eingeführt – ein Rückgang um 53% zum Dezember und 31% zum Vorjahreszeitraum.

Für das Angebot an Tonnage gibt es schon jetzt eine zu geringe Nachfrage – obwohl Minenbetreiber in Australien und Brasilien schon 2014 expandierten und China seine Einfuhren um 15% auf 913Mio.t Erz steigerte. Doch aufgrund des Flottenwachstums habe das kaum positive Auswirkungen für die Schifffahrt gehabt. »Und einen weiteren großen, neuen Markt wird es auf absehbare Zeit nicht geben«, so der Branchenkenner.

»Zentral für die Rohstoffmärkte wird die Entwicklung der Weltkonjunktur sein. Besonders im Fokus steht dabei China, weil die Volksrepublik in der Vergangenheit sehr große Mengen an Kohle und Eisenerz benötigt hat«, sagt Analyst Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Nicht unbedeutend ist auch der Schiefergastrend in den USA, bei dem bereits viel Kohle durch Gas ersetzt wurde. Keine großen Hoffnungen sollte die Schifffahrt in Indonesien setzen. Derzeit ist nicht abzusehen, ob und wann die Regierung ihre zur Stärkung der heimischen Industrie verhängten Exportbeschränkungen auf Nickelerz aufhebt. Nach Angaben des HWWI sank die Produktion 2014 von 440.000t auf 240.000t.

Zwar enttäuschte auch Peking jüngst abermals einige Hoffnungen, als die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2015 auf sieben Prozent gedrückt wurde. Bereits im letzten Jahr waren es nur 7,4% und damit so wenig wie seit 24 Jahren nicht mehr. Regierungschef Li Keqiang verwies auf eine Konjunkturabkühlung und kündigte an, Überkapazitäten in der Industrie abzubauen.

Allerdings kann genau dies wiederum ein positives Zeichen für die Schifffahrt sein, wenn dadurch mehr Rohstoffe importiert werden müssen. Zwar lässt sich die chinesische Ausfallmenge dann nicht mit benötigten Importen gleichsetzen, weil der Stahl aus chinesischer Produktion eine weit geringere Qualität hat. So wäre das Volumen an Importbedarf deutlich geringer. Ein Impuls könnte dennoch davon ausgehen.

Über Einschätzungen zur Flottenentwicklung kann man debattieren. Die Zahlen sprechen allerdings eine recht deutliche Sprache. In den vergangenen Jahren gab es enorme Investments in die Drybulk-Flotte. Reeder und (nicht immer schifffahrtskundige) Investoren setzten auf eine Fortsetzung des rasanten Wirtschaftswachstums in China und nutzten die vergleichsweise niedrigen Baupreise. In der Summe haben sie sich dabei verrechnet, wie sich jetzt zeigt. Mittlerweile hat sich eine signifikante Tonnage-Überkapazität aufgebaut. Damit hat die Bulker-Branche nun ein ähnliches Problem wie die Containerschifffahrt in den vergangenen Jahren. Die Auswirkungen dürften nach Meinung des Maklers noch einige Zeit anhalten. Eine spürbare Erholung sei nicht in Sicht. Eher das Gegenteil könnte der Fall sein. Auch wenn der Druck auf Reeder kaum stärker werden könne.

Für das Capesize-Segment ist der Erzmarkt von größter Bedeutung. Panamax-Schiffe sind verstärkt im Kohle-Bereich aktiv, zumindest bezogen auf Kraftwerkskohle. Die Kraftwerke liegen oft an kleineren Häfen, in denen Caper nicht operieren können. Das Orderbuch für Panamaxe mit Kapazitäten zwischen 65.000dwt und 99.000dwt fiel zwar seit Ende 2012 um 25% und stellt jetzt 17% der Flotte dar. Allerdings baute sich dafür bei Ultramax-Bulkern (60.000 – 65.000dwt) eine große Nachfrage auf. 600 Neubauten mit insgesamt 37,7Mio.dwt werden erwartet, das sind 250% der aktuellen Flotte. In der Branche rechnet man dadurch mit einem starken Druck auf das Panamax-Segment.

Der Baltic Dry Index (BDI) befindet sich seit einiger Zeit im Sinkflug. Im Februar erreichte er mit 509 Punkten den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung 1984. Capesize-Schiffe fahren zum Teil zu 5.000-$-Zeitcharterraten, bei Panamax-Frachtern waren es durchschnittlich zuletzt 3.800%.

Die jüngsten Verwerfungen auf dem Drybulk-Markt machen sich besonders in den weltweiten Abwrack-Aktivitäten bemerkbar. Seit Jahresbeginn wurden bis Anfang März sehr viele Massengutfrachter verschrottet oder zur Verwertung verkauft – allein 19 Caper. Im gesamten Vorjahr waren es in diesem Segment nur 25 Einheiten. Ein Beispiel, das aufhorchen ließ, war der erste Verkauf eines 2000 in Dienst gestellten Frachters: die »Cape Flora« der K Line. Der Scrapping-Trend dürfte noch einige Zeit anhalten, heißt es in der Branche. Außerdem wurden bereits 15 Aufträge zu Tanker-Order umgewandelt. Positive Prognosen wie die vom Branchendienst Drewry, die von einer spürbaren Erholung zum Jahresende ausgehen, teilt der Makler nicht – vor allem, weil die Nachfrage aus China abkühlt: »Ich wäre da skeptisch, dass es über die übliche Herbstbelebung hinaus Verbesserung gibt.«

Ein wichtiger Faktor ist der Erzpreis. Ende Februar lag er bei 63$ pro Tonne – ein Einbruch um 48% zum Vorjahr. Ursache dafür ist die schwächere Nachfrage aus China, das rund zwei Drittel des international verschifften Eisenerzes nutzt. Weil aber die dortige Stahlindustrie in den vergangenen Jahren nicht so stark gewachsen ist wie erhofft, gab es einen Abwärtstrend. Trotz der abgeschwächten Nachfrage wurde das Eisenerzangebot bisher aber nicht wesentlich zurückgefahren.

Im niedrigen Preisniveau und dem Wettbewerb der Minenbetreiber könnten möglicherweise auch Chancen für die Schifffahrt liegen, wie auch der Drybulk-Makler vermutet. Denn es halten sich Spekulationen, dass große Akteure mit Hilfe der niedrigen Preise versuchen werden, kleinere und vor allem chinesische Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. In Australien wurde bereits eine große Anzahl von Arbeitern entlassen, um sich mit Hilfe von Kostensenkungen an die niedrigeren Eisenerzpreise anzupassen. Schrumpft der Preis weiter oder bleibt er so niedrig, kann die chinesische, personalintensive Industrie nicht mehr rentabel arbeiten. Dann muss wieder mehr Rohstoff importiert werden – auf dem Seeweg.

Auf der anderen Seite droht Ungemach durch die 400.000-Tonner des brasilianischen Rohstoffkonzerns Vale (»Valemax«). Fast alle der 35 georderten Mega-Bulker sind mittlerweile in Fahrt. Mit Ihnen will Vale die eigenen Transportkosten senken und so wettbewerbsfähiger im China-Verkehr werden. Der vom chinesischen Reederverband initiierte Streit um Zufahrtsbeschränkungen in den Häfen der Volksrepublik dürfte bald beigelegt sein. Eine offizielle Vereinbarung für die Öffnung von fünf bis sechs Häfen stand zuletzt unmittelbar bevor. Darunter würde der Capesize-Markt leiden. Vale´s zusätzliche Exportmengen dürften dann von den Neubauten abgedeckt werden, heißt es aus Maklerkreisen.

Auch der Kohlepreis ist im Jahresvergleich gesunken, zuletzt im Februar auf 61$. Der entsprechende HWWI-Index gab um 12,5% nach. Zusätzliche Produktionskapazitäten in zentralen Förderländern wie Australien führten zu einem stark angestiegenen Angebot. Darüber hinaus wird in den USA verstärkt Gas statt Kohle verwendet. Leschus geht von einer wachsenden indischen und chinesischen Kohlenachfrage aus. Indien importiert große Mengen an Kohle, da die heimische Nachfrage nach Elektrizität kräftig zunimmt. 2014 stieg das Volumen um 21% auf 161Mio.t. Ferner könnte China verstärkt hochqualitative Kohle nutzen, um auf diese Weise seinen CO2-Ausstoß zu senken und damit seine Emissionsziele zu erreichen. Hiervon würde nach Meinung des Analysten besonders Australien profitieren. Allerdings sanken die Kohleimporte nach einem zuvor rasanten Anstieg in 2014 um 6%. Im neuen Jahr gingen die Einfuhren noch weiter zurück.

Die Bulker-Branche steht vor großen Herausforderungen. Was die Zukunft bringt, scheint aber noch unklar. Neue Geschäftsmodelle, weitere Auftragsänderungen von Bulkern zu Tankern, Auflieger, viele Verschrottungen und auch Insolvenzen von Reedereien sind denkbar. Es bleibt aber schwer vorhersehbar. »Es gab bereits ein paar Insolvenzen und große Probleme. Weitere Bankrotterklärungen würden uns nicht überraschen«, sagt der deutsche Makler. Für viele Akteure ist klar, dass die Hoffnung auf ein Anziehen der Raten bei Reedereien nicht dazu führen sollte, die Flotte zu halten. Eine signifikante Verschrottungsaktivität gilt trotz der derzeit niedrigen Preise als unausweichlich.


Michael Meyer