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Auf Nord- und Ostsee gelten neue Schwefelobergrenzen. Die Fährschifffahrt läuft dennoch ungehindert weiter. Umstrukturierungen und wettbewerbs-rechtliche Debatten sind hingegen nach wie vor ein Thema.
Die Prognosen waren alarmierend. Die Senkung der Schwefelobergrenze im Treibstoff von ein auf 0,1% hatte noch vor einem Jahr düsterste[ds_preview] Befürchtungen aufkommen lassen. Es kam aber alles anders. Ein sinkender Ölpreis, die Ukraine-Krise und die zum Teil starken Wirtschaftsleistungen im Euro-Raum haben bei den Fähren für höchst unterschiedliche Entwicklungen gesorgt. Die wichtigste Folge ist am Bunkermarkt zu spüren. Der Preis pro Tonne Gasöl ist nicht wie befürchtet aufgrund der Nachfrageexplosion im Frühjahr auf 1000$ geklettert. Ganz im Gegenteil, Ende März lag der Preis für eine Tonne des schwefelarmen Treibstoffes in Rotterdam bei rund 520$.

Im Ostseeraum hat bei den Fährgesellschaften die große Politik für Veränderungen gesorgt. Fast alle nach Osteuropa fahrenden Linien mussten seit dem Frühjahr 2014 sinkende Ladungsmengen hinnehmen. Kiel, die deutsche Drehscheibe im Osteuropa-Verkehr, war besonders betroffen. Die Reederei DFDS zog eines der beiden Schiffe von der Kiel-St.Petersburg-Route ab. Durch die Sanktionen der EU und die Gegenmaßnahmen Russlands brachen ganze Ladungssektoren weg. Milch, Fleisch und Käse durften nicht mehr nach Russland exportiert werden. »Die Rückgänge sind deutlich spürbar«, sagt Jacob Andersen von DFDS in Kiel. Zwischen 10 und 20% soll der Rückgang beim Russlandverkehr betragen. Während die Fährverkehre von und nach Skandinavien in Kiel 2014 um gut 5% auf über 2,7Mio.t zulegten, verzeichneten die Osteuropaverkehre Rückgänge auf nur noch knapp 2,4Mio.t.

Die russischen Reaktionen auf die Ukraine-Krise sorgen dabei auch für Impulse. Im März kehrte die Eisenbahnfähre »Petersburg« aus dem Schwarzen Meer in die Ostsee zurück. Der Linienbetreiber Black Sea Ferry schickte den 1986 in Wismar gebauten Veteran wieder zurück in das ehemalige Heimatrevier. Auftrag: Fährdienst zwischen St. Petersburg, Baltiysk und Sassnitz. Dabei löst sie die »Kaunas Seaways« ab, die diesen Dienst zuvor unter litauischer Flagge befuhr. Offiziell wird dieser Wechsel mit einer Neuausrichtung begründet. Inoffiziell ist aber die Entscheidung mit der Beschäftigung russischer Schiffe beim Transport russischer Güter begründet. Diese sind gegenwärtig günstig. Jedenfalls beim Export aus der russischen Föderation. Besonders Gas, Öl und Holz werden in großen Mengen mit Fähren in deutsche Häfen transportiert.

In der Fährfahrt nach Skandinavien haben die Vorbereitungen für den Betrieb schwefelarmer Treibstoffe dennoch zu erheblichen Veränderungen geführt. Am 1. Januar begann am Westausgang des Englischen Kanals das Sulphur Emission Control Area (SECA).

Mehr als 100 Fähren und Frachtschiffe wurden deshalb bereits mit Scrubbern ausgerüstet, damit auch weiterhin Schweröl mit einem Schwefelgehalt von 1% verbrannt werden darf. Dieser Treibstoff für schwefelhaltiges Schweröl IFO380 ist inzwischen bei 280$ pro Tonne angekommen – einem Zehnjahrestief.

Dennoch ist die Euphorie gebremst worden. Die Fokussierung auf Herausforderungen bei der Schiffssicherheit ist nämlich wesentlich wichtiger, als die Frage der Abgasemissionen. »Was ist das bisschen Schwefel in der Ostsee zum Vergleich zu den Folgen einer Schiffshavarie in der Ostsee? Da können wir mit SECA bei weitem nicht die Schäden ausgleichen, die wir in einer Tankerhavarie haben«, sagt Frank Nägele, Staatssekretär im Verkehrsministerium Schleswig-Holsteins. SECA sei technologisch eher mittelfristig eine Herausforderung. Langfristig seien neue Antriebe der Schlüssel, so der Verkehrspolitiker. Flüssiggas (LNG) oder Methanol gehören die Zukunft. as Land Schleswig-Holstein will den Aufbau eines Bunkernetzes für LNG vorantreiben. »Ohne Bunker gibt es auch keine Schifffahrt«, so Nägele. Damit liegt er auf einer Linie mit dem Hamburger Wirtschaftsenator Frank Horch.

LNG hat sich als Antrieb bislang bei großen Fähren von Tallink und Fjord Line bewährt. Die Color Line plant den Bau einer LNG-Fähre für die Oslofjord-Route Sandefjord-Strömstad. Die vier bereits fahrenden Color Line Fähren wurden aber mit Abgasreinigern (Scrubbern) von Wärtsilä nachgerüstet. Diesen Weg geht auch die TT Line für sechs Fähren. Scandlines setzt auf das Prinzip der Hybrid-Fähre auf ihren beiden Linien Puttgarden-Rödby und Gedser-Rostock. Die vier Vogelflugfähren bekommen Scrubber und große Energiespeicher. Große Akkumulatoren sollen mit Strom gespeist werden, der von den mit Schweröl betriebenen Dieselgeneratoren erzeugt wird. So können die Elektromotoren der Fähre verhältnismäßig »grün« betrieben werden. Die Abgase der MaK-Diesel werden durch die Scrubber zumindest vom Schwefeldioxid gereinigt.

Grün wird auch die »Stena Germanica« der Stena Line. Der Konzern legt sich aber nicht auf ein System fest. Die Reederei prüft Scrubber, Flüssiggas, Methanol und den schwefelarmen Marinediesel. Die »Stena Germanica« wurde als erstes Schiff für den Betrieb mit Methanol umgerüstet. Bei der Remontowa-Werft in Danzig erfolgte der Einbau neuer Tanks in den Schiffsboden. Ehemalige Ballasttanks sollen jetzt Methanol aufnehmen, das für die Wärtsilä-Maschinen als Treibstoff genutzt wird.

Scrubber sind auch bei der Finnlines das Mittel der Wahl. 14 Fracht- und RoPax-Fähren werden bis Mitte 2015 mit diesen Abgaswäschern ausgerüstet. Zwölf Schiffe will DFDS mit Scrubbern nachrüsten. Finnlines und DFDS sind mit ihren Fährschiffslinien in der Ostsee wie auch der Nordsee aktiv. Da Finnlines einen großen Teil seiner Schiffskapazitäten nach Antwerpen und Zeebrügge routet, sind diese Schiffe auf der Langstrecke besonders wirtschaftlich mit Scrubbern unterwegs. Für Finnlines sind die beiden belgischen Häfen inzwischen wichtige Knotenpunkte für die Verbindung der Ostsee-Linien mit Routen nach Spanien, England und ins Mittelmeer. Diesem Weg folgt auch die Stena Line, die seit Januar eng mit der Mann Lines kooperiert. Mann Lines betreibt Liniendienste aus Finnland und Estland nach England. Dabei werden Harwich und Bremerhaven als Hub genutzt

Beim klassischen Fährverkehr mit einem Mix von Passagieren und Ladung hat sich die Nordsee verändert. Mit der Einstellung der DFDS-Linie zwischen Esbjerg und Harwich gibt es nördlich von Ijmuiden (Amsterdam) keine Passagier-Fährlinie vom Kontinent nach England. Die großen Anbieter DFDS, Stena Line, P&O European Ferry und MyFerryLink haben ihre Starthäfen zwischen Calais und Ijmuiden.

Mit MyFerryLink ist ein sehr junger Anbieter im Rennen, der zwei moderne Fähren und eine Eisenbahnfähre zwischen Dover und Calais betreibt. Die Reederei entstand aus den Resten der ehemaligen französischen Staatsreederei Seafrance. Schlagzeilen machte die Neugründung MyFerryLink dann aber durch ihren neuen Eigentümer. Die Reederei und die drei Fähren war im Juli 2012 durch den Kanaltunnelbetreiber Eurotunnel Groupe SA (Paris) erworben worden. Damit wurde zwischen England und Frankreich ein ehemaliger einverleibt. Es folgte ein bislang beispielloser juristischer Kleinkrieg.

Die Wettbewerber P&O European Ferries und DFDS nutzten alle Möglichkeiten, den unliebsamen Tunnelkonkurrenten aus dem Ärmelkanal zu vertreiben. Während französische Gerichte Eurotunnel recht gaben, untersagte im September die britische Competition and Markets Authority (CMA) Eurotunnel den Einstieg ins Fährgeschäft. Die Briten sahen in der Begründung eine marktbeherrschende Stellung in Sichtweite.

Wenn Eurotunnel die Fährflotte beispielsweise auf sechs Fähren aufstocken würde, könnte sie die Konkurrenten aus dem Markt drängen. Bis Mai soll die Reederei wieder aus der Tunnelgesellschaft ausgegliedert werden. Ob sie damit aber wirklich unabhängig wird, ist noch offen. 2014 beförderte MyFerryLink 400.000 Lkw und 350.000 Autos. Mit den Zügen von Eurotunnel fuhren in der gleichen Zeit 1,4Mio. Lastwagen und 2,5 Mio. Autos.

Was den Umschlag angeht, gibt es sehr unterschiedliche Tendenzen. Der Güterumschlag in den deutschen Seehäfen wächst: Für den gesamten Seeverkehr wird für 2015 nach Angaben des Zentralverbandes der Seehäfen ein Anstieg um 2,6% prognostiziert. Für die Jahre 2016 bis 2018 wird eine Zunahme in gleicher Höhe erwartet. Damit werde das Vorkrisenniveau ab 2017 überschritten. In den deutschen Fährhäfen sind die Wachstumsraten jedoch nicht so groß.

Der wichtigste Ostsee-Fährhafen ist Lübeck. Mit 26,3Mio. t hat man 2014 um 1% zugelegt. So stieg der Umschlag von Lkw-Einheiten um 5% auf 711.300. Gleichzeitig sank der Umschlag von Papier um 2%. In Lübeck ist der Papierumschlag überdurchschnittlich am Umschlag beteiligt. In diesem Jahr stehen dem Hafen deshalb große Herausforderungen bevor. Der finnische Papierhersteller UPN Kymene verlagert seine Papiertransporte von Stettin und Lübeck nach Rostock. Damit wandern nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 400.000t ab.

Rostock ist die Nummer zwei der deutschen Fährhäfen. Den deutlichen Vorsprung Lübecks hat Rostock innerhalb von zehn Jahren fast wettgemacht. 2014 wurden in Rostock 26,3Mio.t umgeschlagen. Das entspricht einer Steigerung um 13%. Im Überseehafen wurden im Fähr- und Stückgutbereich 24,2Mio.t umgeschlagen. Besonders die Verkehre nach Schweden und Finnland entwickeln sich in sehr stark. Bei der rollenden Ladung, den Fähr- und RoRo-Gütern, zog der Umschlag um 1,3Mio.t auf 13,6Mio.t an. Der Anteil rollender Fracht am Gesamtumschlag des Seehafens Rostock betrug damit im vergangenen Jahr 56%.

In Kiel, dem dritten großen Ostseehafen gab es 2014 im sechsten Jahr in Folge ein Wachstum – wenngleich auf deutlich niedrigerem Niveau als in Rostock und Lübeck. Mit einem Umschlag von 6,43Mio.t wurde das Vorjahresergebnis um 1,6% übertroffen. Die größten Zuwächse im Stückgutumschlag erzielte die Stena Line auf der Linie Kiel–Göteborg.

Bei den Passagierzahlen legte die Color Line auf der Linie Kiel–Oslo am stärksten zu. Insgesamt gingen in Kiel 1,98Mio. Passagiere an oder von Bord eines Fähr- oder Kreuzfahrtschiffes. Dies entspricht einem Plus von 1,9%.

Kiel ist durch seine Lage am Nord-Ostsee-Kanal und als Werft-, Forschungs- und Marinestadt von je her ein Mehrzweckhafen. Vor diesem Hintergrund ist eine Umschlagsleistung von 6,43Mio.t ein historischer Rekord für die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt.


Frank Behling