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Unter dem Vorsitz der IMO wurde ein Maßnahmenkatalog gegen die unkontrollierte Migration auf See beraten. Die Schifffahrt soll in ihren Verpflichtungen entlastet werden.
Die Statistik zur illegalen Migration über das Mittelmeer nach Europa zeigt für 2014 einen traurigen Rekord. Mehr als 218.000 Menschen[ds_preview] aus Afrika wagten die Flucht über das Meer. In ihren oft seeuntüchtigen Booten, von Schlepperbanden ihrem Schicksal überlassen, endete die hochriskante Überfahrt für 3.500 Flüchtlinge tödlich. Für 2015 kommen allgemeine Prognosen sogar auf eine Anzahl von bis zu 450.000 Personen. In Anbetracht dieser Dimensionen trafen sich unter dem Vorsitz der International Maritime Organisation (IMO) jetzt die Vertreter maßgeblicher internationalen Organisationen um über geeignete Maßnahmen zu beraten. Dazu zählten die UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR), der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (OHCHR), das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), die UN-Seerechtsabteilung, die Internationale Organisation für Migration, Interpol, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und der Internationale Reeder-Verband (ICS).

Grundsätzlich wurde festgehalten, dass jedem Flüchtling entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention das Recht zustehe, an einen sicheren Ort gebracht zu werden. Weiter gelte es jedoch, die unkontrollierte Migration durch Schleuserbanden und ihre Menschenleben verachtenden Praktiken zu unterbinden. Diese überließen die Flüchtlinge in seeuntauglichen Booten oftmals ihrem Schicksal, darauf spekulierend, dass sie von Handelsschiffen, welche durch ihr AIS leicht zu orten sind, aufgenommen würden. Denn entsprechend der Internationalen Seerechtsvereinbarung (UNCLOS) und der Internationalen Konvention zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) ist es eine Verpflichtung, in Seenot Unterstützung zu gewähren. Doch mittlerweile sind die Belastungen durch diese Rettungsaktionen für die Handelsschifffahrt und die Such- und Rettungsorganisationen »jenseits akzeptierbarer Grenzen angelangt«, so IMO-Generalsekretär Koji Sekimizu.

Insbesondere die Fortführung der »Operation Mare Nostrum« als »Operation Triton« durch die EU-Grenzagentur Frontex ließ die Zahl der involvierten Handelsschiffe 2014 auf 600 ansteigen. Dabei stand nun nicht mehr primär die Seenotrettung, sondern die Sicherung der EU-Außengrenze vor illegaler Einwanderung im Vordergrund. Zwar war vom ICS 2014 eine Broschüre (»Large Scale Rescue Operations At Sea«) herausgegeben, die den Besatzungen als Verhaltensrichtlinie dienen soll. Doch Berichte von Situationen, bei denen teilweise mehr als 100 Flüchtlinge aus Seenot gerettet, mit Nahrung und teilweise medizinischer Hilfe versorgt werden mussten und auch hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Schiffsbetriebes nicht unbeaufsichtigt bleiben konnten, legen eine grenzwertige zusätzliche Belastung nahe. Dieses noch ungeachtet der möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die Reedereien durch die zeitlichen Verzögerungen.

Um mit Blick auf diese differenzierte Problemlage der »Unkontrollierten Migration auf dem Seeweg« zu einer zeitnahen konzertierten Aktion zu kommen, wurde als erste grundsätzliche Maßnahme die Bildung eines Forums aus Regierungsvertretern, Vertretern der UN-Einrichtungen und der Industrie angesehen. Im Weiteren wurde die Abstimmung unter den verschiedenen UN-Einrichtungen beschlossen. Beispielsweise könnte die Suche nach alternativen sicheren Wegen für Migranten eine Option sein, dem System der Schleuserbanden präventiv zu begegnen. Ebenso wurden Möglichkeiten einer Stärkung der Küstenwachen, Marineeinheiten und der Seeschifffahrt bei Rettungseinsätzen in den Blickpunkt der künftigen Beratungen gestellt. Ein Ergebnis des Treffens war die Übereinkunft, relativ zeitnah eine Datenbank mit Informationen zu Migranten und Schleusern einzurichten – auch mit Blick auf die positiven Erfahrungen der »Operation Mare Nostrum«, bei der weitreichende Erkenntnisse über das System der Schlepperbanden gewonnen werden konnten. Zudem wurde die Erfassung der Unfälle bei Migration auf dem Seeweg auf einer einzurichtenden Informations- und Kommunikationsplattform als sinnvoll angesehen. Ergänzend soll innerhalb der konzertierten Aktion auch die Möglichkeit einer Aufklärungskampagne diskutiert werden. So sollen potenzielle Migranten auf die Gefahren und Risiken aufmerksam gemacht und für die Praktiken der Schlepperbanden sensibilisiert werden.

Autorin: Dr. Birgit Nolte-Schuster

Fachjournalistin, Prüm/Eifel

b.nolte-schuster@t-online.de

Dr. Birgit Nolte-Schuster