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Der Gang an den Kapitalmarkt kann große Herausforderungen bergen. Daher bietet sich als erster Schritt für einige Reedereien ein Schuldscheindarlehen an.
Die Entwicklung der deutschen Schifffahrt in Richtung Kapitalmarkt schreitet langsam aber stetig voran. So gab es in den letzten beiden[ds_preview] Jahren einige Anstrengungen deutscher Reedereien, sich alternative Finanzierungsquellen zu erschließen und das notwendige Fremd- oder Eigenkapital über den Kapitalmarkt zu beschaffen. Beispiele hierfür sind die Mittelstandsanleihe der Rickmers Holding, die Vorbereitung der Emission eines High Yield Bonds durch eine Bremer Reederei und die bevorstehende Übernahme diverser Schiffe durch die Lloyd Fonds AG gegen Ausgabe von börsennotierten Aktien.

Auch wenn es verglichen mit der erfolgreichen Emission zahlreicher Anleihen, IPOs und Kapitalerhöhungen von nicht in Deutschland ansässigen Schifffahrtsunternehmen hierzulande strukturbedingt noch einen großen Nachholbedarf gibt, ist die geschilderte Entwicklung sehr zu begrüßen, aber auch dringend notwendig (siehe HANSA 03/2015).

Erster Schritt zum Kapitalmarkt

Für ein Unternehmen bedeutet insbesondere der erstmalige Gang an den Kapitalmarkt eine große Herausforderung: zunächst unternehmenskulturell, dann aber auch organisatorisch und finanziell. Insbesondere müssen plötzlich erhöhte Transparenz- und Publizitätspflichten erfüllt werden. Kommt dies für das kapitalsuchende Unternehmen (noch) nicht in Betracht oder sind die in Rede stehenden Finanzierungsvolumina für die Begebung eine Anleihe (noch) zu klein, kann sich ein Schuldscheindarlehen als erster Schritt in Richtung Kapitalmarkt empfehlen. Die Finanzierungsvolumina liegen hier typischerweise zwischen 20 und 100Mio. €, können aber auch wesentlich kleiner sein.

Vertragliche Ausgestaltung

Schuldscheindarlehen sind als deutsche »Erfindung« bereits aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg bekannt. Hierbei handelt es sich um Darlehen, die gegen Ausstellung eines Schuldscheins gewährt werden. Die Schuldscheine sind keine Wertpapiere im rechtlichen Sinne, sondern dienen lediglich als Beweisurkunde. Darlehensgeber ist typischerweise eine Bank, die häufig zugleich als Arrangeur auftritt. In diesem Fall tritt sie die Forderungen aus dem Darlehen ganz oder teilweise an andere institutionelle Anleger ab, wie insbesondere andere Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Family Offices oder Kapitalanlagegesellschaften. Auf diesem Weg des Private Placement werden die Schuldscheine an einen größeren Kreis von institutionellen Anlegern platziert.

Nicht zuletzt als positives Bekenntnis zum Finanzierungsengagement behält die arrangierende Bank in aller Regel einen Teil des Schuldscheindarlehens in den eigenen Büchern. Zudem übernimmt sie meistens die sogenannte Zahlstellenfunktion, so dass das darlehensnehmende Unternehmen auch nach Abtretung von Darlehensteilen nur an seinen ursprünglichen Ansprechpartner zahlen muss.

Schuldscheindarlehen unterliegen grundsätzlich deutschem Recht. Ihre Laufzeit ist individuell vereinbar. Anders als ein typischer Bankkredit sind Schuldscheindarlehen meist als endfälliger Kredit ausgestaltet mit der Folge, dass eine vorzeitige Rückzahlung des Kredits während der Laufzeit ausgeschlossen ist. Die Verzinsung liegt etwas über derjenigen einer Unternehmensanleihe.

Vorteile

Gegenüber einer Unternehmensanleihe bieten Schuldscheindarlehen Zeit- und Kostenvorteile, da regelmäßig geringere Anforderungen an ein externes Rating des Darlehensnehemers gestellt werden, kein Wertpapierprospekt erstellt und gedruckt werden muss, keine Börseneinführungsgebühr anfällt und keine öffentliche Publizitätspflicht besteht. Auch ist keine aufwändige Kapitalmarktkommunikation erforderlich. Die Informatonspflichten beschränken sich im Wesentlichen auf die vertraglich vereinbarte Offenlegung von Jahresabschlüssen und Zwischenberichten gegenüber den Käufern des Schuldscheindarlehens. Die Dokumentation und Platzierung eines Schuldscheindarlehens kann innerhalb von zwei bis drei Monaten erfolgen. Schließlich kann ein Unternehmen durch die Aufnahme eines Schuldscheindarlehens seine Gläubigerstruktur diversifizieren und so möglicherweise bestehende Abhängigkeiten verringern.

Da Schuldscheindarlehen auch in vielen anderen Ländern bei Investoren immer beliebter werden, kommen – gerade für intenational ausgerichtete Unternehmen wie Reedereien – zudem Privatplatzierungen im Ausland in Betracht. Auf diese internationale Entwicklung hat kürzlich die Loan Market Association (LMA) reagiert und einen Vertragsstandard für »European Private Placements« in Form von Darlehen oder Anleihen entwickelt. Aufgrund dieser Vorteile lässt sich daher abschließend empfehlen, bei einer Neujustierung der Finanzierungsstruktur auch die Möglichkeit zu prüfen, eine erforderliche Finanzierung über ein Schuldscheindarlehen aufzunehmen.

Autoren:

Prof. Dr. Stephan R. Göthel

Pier 11 und BSP Business School Berlin

stephan.goethel@pier11.de

Dr. Oliver Rossbach, Pier 11

oliver.rossbach@pier11.de

Prof. Dr. Stephan R. Göthel, Dr. Oliver Rossbach