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Der Norweger Terje Lade hat einen neuen Schiffstyp entworfen, der mit

einer Kombination aus Windenergie und LNG angetrieben werden soll.

Sein optimistisches Ziel: 2019 soll das »Vindskip« erstmals in See stechen.
Energieeffizienz ist ein Thema, das die Schifffahrt nicht erst seit gestern beschäftigt. Um Treibstoffkosten zu sparen und die strenger werdenden[ds_preview] Umweltvorschriften einzuhalten, hat sich die Branche in den vergangenen Jahren schon so einiges einfallen lassen. Während die einen an der Optimierung von Antriebsmaschinen, Gleiteigenschaften und Kraftstoffverbrauch arbeiten, bemühen sich die anderen – mit bislang allerdings mäßigem kommerziellen Erfolg – um die Nutzung des Windes als zusätzliche Energiequelle: sei es in Form von Segeln, Zugdrachen oder Flettner-Rotoren. Einen gänzlichen neuen Ansatz verfolgt seit einiger Zeit der Norweger Terje Lade. Auch er setzt auf die Kraft des Windes, jedoch in einer bislang noch nicht bekannten Variante: Inspiriert durch die Luftfahrtindustrie und die Segelwelt entwickelt Lade ein Schiff, dessen Rumpf sowohl über als auch unter Wasser wie eine symmetrische Tragfläche geformt ist und durch den scheinbaren Wind Vortrieb bekommen soll.

Es sieht eher aus wie ein futuristisches Gebilde als wie ein Schiff, was der frühere Maschinenbauingenieur mit langjähriger Berufserfahrung in der Schifffahrts- und Offshore-Branche entworfen hat. Nachdem sich Lade in seiner Freizeit lange mit dem Design von Speedsailing-Booten beschäftigt hatte und begeistert war, welche Geschwindigkeiten sich mit der richtigen Formgebung erreichen lassen, machte er sich mit der Zeit verstärkt Gedanken um eine umweltverträgliche Schifffahrt. 2010 gründete er schließlich in der norwegischen Hafenstadt Ålesund das Unternehmen Lade AS mit dem Ziel, seine Kenntnisse für die Entwicklung eines Handelsschiffes zu nutzen, das ohne Schweröl fährt. Das Ergebnis: das »Vindskip« – ein Hybridschiff, das zu einem guten Teil durch Wind angetrieben wird und zur Gewährleistung einer konstanten Geschwindigkeit bei wechselhaften Windverhältnissen mit einem zusätzlichen LNG-Antrieb ausgestattet ist.

Rumpf als Segel

Fünf Jahre nach dem Start nimmt das Projekt nun immer mehr Form an. Für April sind erste Tests mit einem Modellschiff im Schlepptank geplant, Windtunnel-Tests wurden laut Lade bereits erfolgreich absolviert. Segel sind auf dem Windschiff nicht installiert, stattdessen wirkt der hoch aufragende Rumpf mit seiner großen Angriffsfläche selbst wie eine Art Segel. Dabei macht sich der Norweger den bei der Fahrt entstehenden relativen Wind zunutze: An der windabgewandten Seite des Rumpfes strömt die Luft schneller, weil sie einen weiteren Weg zurückzulegen hat, wodurch ein Unterdruck entsteht. Durch ihn wird das Schiff in Fahrtrichtung nach vorne gezogen.

Der erzeugte aerodynamische Auftrieb kann nun genutzt werden, um Tempo zu machen und Treibstoff zu sparen. Da das Schiff aber zunächst in Bewegung gebracht werden und natürlich auch im Hafen manövrierfähig sein muss, ist es mit einem zusätzlichen LNG-Antrieb ausgestattet. Darüber hinaus kann so mithilfe eines Geschwindigkeitsreglers auch bei schwachem und wechselndem Wind eine konstante Geschwindigkeit eingehalten werden. Rolls-Royce hat bereits ein entsprechendes Antriebssystem entworfen, das die besonderen Anforderungen des »Vindskip« erfüllt und bei unterschiedlichsten Windbedingungen ein hohes Maß an Effizienz gewährleisten soll. »Wir werden in zwei Tanks genügend Flüssigerdgas mitführen, um bei einer Geschwindigkeit von 17kn im »Worst Case« 70 Tage fahren zu können, ohne zu bunkern«, erläutert Lade.

Wetter-Routing-Modul

Bei der Frage, wie viel Treibstoff das neue Schiff letztlich wirklich einsparen kann, wird die Wahl der Route eine entscheidende Rolle spielen. Zur Errechnung des optimalen Kurses, mit dem das verfügbare Potenzial an Windenergie bestmöglich genutzt werden kann, hat das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML ein maßgeschneidertes Wetter-Routing-Modul entwickelt. Basierend auf Navigationsalgorithmen soll die Software mithilfe von meteorologischen Daten eine Route mit dem günstigsten Winkel zum Wind berechnen, um das Schiffsdesign effizient zu nutzen. Eine erste Version haben die Forscher gerade an Terje Lade übergeben. »Das Modul greift auf Vorhersagen der Wetterdienste zurück, also zum Beispiel Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe, und zieht außerdem aerodynamische Daten und hydrodynamische Berechnungen heran«, erläutert Laura Walther vom CML.

Wie exakt das Wetter-Routing-Modul arbeitet, hängt nach Aussage der Wissenschaftlerin im Wesentlichen von der Genauigkeit der Wettervorhersage ab. »Die ist generell für die ersten drei Tage genauer – die Route lässt sich aber jederzeit neu berechnen, wenn es neue Vorhersagen gibt.« Dass das Schiff wegen schlechter Windverhältnisse zu spät am Zielort ankommt, steht demnach nicht zu befürchten. »Vor der Abfahrt werden der Start- und der Zielort sowie die spätestmögliche Ankunftszeit eingegeben«, berichtet Walther. »Innerhalb dieser Parameter wird dann der Kurs mit dem geringsten Treibstoffverbrauch bestimmt. Und wenn der Wind ganz schlecht ist, kommt eben verstärkt der LNG-Antrieb zum Einsatz.«

Sparsame Fahrt ist möglich

Verglichen mit einem Referenzschiff soll das »Vindskip« nach Angaben seines Erfinders etwa 60% Treibstoff einsparen können. Hinzu kommen erhebliche Reduzierungen der Emissionen, die Lade mit 80% bei Kohlendioxid, 90% bei Stickoxid und 100% bei Schwefeloxid angibt. Die Zahlen klingen beeindruckend, doch ob das Schiff tatsächlich so sparsam fahren kann, wird sich in der Praxis erst zeigen müssen. Marc Steinwand von der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam hält das zumindest nicht für ausgeschlossen. »Ich kann mir das schon vorstellen, denn bei einer optimierten Route lässt sich sehr viel Treibstoff einsparen«, meint der Leiter des Fachbereichs Bewegungsverhalten.

Dass das Schiff trotz seiner ungewöhnlichen Form seetauglich sein soll, ist aus Steinwands Sicht ebenfalls plausibel. »Grundsätzlich kann es stabil im Wasser liegen wie ein konventionelles Schiff. Allerdings vermute ich, dass es bei hohen Seegängen schneller in Grenzbereiche kommen würde und dann die Arbeit auf der Brücke, die sich hier in einer ziemlichen Höhe befindet, beeinträchtigt wäre.« In solchen Fällen müsse das »Vindskip« wahrscheinlich den Kurs wechseln und in den Wind drehen, um den Kräften auszuweichen. Mit Blick auf die Marktaussichten eines solchen Projekts glaubt Steinwand, dass es prinzipiell einen Markt für alles gebe, was Energie einsparen könne. »Es gibt jedoch noch viele Unbekannte, die in weiteren Tests geklärt werden müssten. Ich bin darum erst einmal skeptisch: Neuentwicklungen haben es traditionell schwer auf dem Schiffsmarkt, da wird es nicht leicht werden jemanden zu finden, der so viel Geld in eine neue Technik investiert.«

Wilh. Wilhelmsen schon im Boot

Dessen ungeachtet zeigt sich Terje Lade optimistisch, dass ein erstes Windschiff schon in absehbarer Zeit in See stechen wird. »Weltweit erkennen Entscheidungsträger wie wichtig es ist, nachhaltigere Lösungen zu entwickeln«, betont er. Deutlich werde dies unter anderem durch die Einführung neuer Vorschriften zur Emissionsreduzierung, die das »Vindskip« allesamt einhalte könne. Darüber hinaus würden sich Frachteigentümer in Zukunft vermehrt für einen nachhaltigen Seetransport ihrer umweltfreundlichen Produkte entscheiden. Laut Lade eignet sich sein Konzept vor allem für RoRo-, PCTC- (Pure Car and Truck Carrier), Passagier- und Containerschiffe sowie LNG-Tanker. Mit der Reederei Wilh. Wilhelmsen hat er nach eigenen Angaben bereits einen Großen aus der Branche für sein Projekt interessieren können: Die Norweger begleiten die Entwicklung demnach auf technischer Ebene als »anspruchsvoller Sparringspartner« und potenzieller Nutzer. Die Entwicklungsphase soll im vierten Quartal 2015 abgeschlossen werden, sagt Lade. »Wir gehen davon aus, dass Konstruktion und Bau ungefähr zwei bis drei Jahre dauern werden. Unsere Einschätzung ist darum, dass das Schiff 2019 in Betrieb sein sollte.«


Anne-Katrin Wehrmann