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Korrosionsschutz ist ein wichtiger Faktor für die Langlebigkeit maritimer Objekte. In der Offshore-Branche kommt er besonders zum Tragen.

Thomas Wägener zeigt auf, warum es sich lohnt, Vorsorgen zu treffen
Einrichtungen der Offshore-Wind-Branche sind verschärften Witterungsbedingungen ausgesetzt. Das Salzwasser ist hier besonders zu nennen, zudem beschleunigt Wind den[ds_preview] Korrosionsprozess. Nicht selten tritt Rost an Teilen der Objekte schon nach wenigen Monaten auf. »Die Nordsee verzeiht keine Fehler«, sagt Wolfgang Friese von Off-Shore Wind Solutions (OWS). Korrosion lasse sich zwar nicht verhindern, doch könnten vorbereitende Maßnahmen getroffen werden, damit die Offshore-Einrichtungen möglichst lange davon verschont blieben, so der Experte. Generell trete Metallkorrosion überall dort auf, wo ungeschützte Werkstoffe aus Eisen und Stahl vorhanden seien, sagt Helmut Müller, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens. Art und Umfang der Korrosion hänge sowohl von der Legierung der Metalle ab, als auch von der Korrosivitätskategorie der Umgebung.

Erstbeschichtung entscheidend

Schon im Vorfeld sollte darauf geachtet werden, dass geeignete Beschichtungssysteme ausgewählt werden und eine fachgerechte Ausführung erfolgt, um durch den Korrosionsschutz eine möglichst lange Standzeit der Objekte zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass schon bei der Fertigung im Werk – von der korrosionsschutzgerechten Gestaltung bis zur Applikation der Beschichtungsstoffe – alle Parameter für einen fachgerechten Korrosionsschutz eingehalten werden. Die Verantwortung für die Prüfung der gelieferten Teile liegt laut Oliver Heins, EnBW Energie Baden-Würtemberg, beim Auftragnehmer. Dieser sollte den Rostgrad betrachten, sich alle Schweißnähte und Kanten sorgfältig anschauen und die Oberflächenrauigkeit durch Vergleichsmuster untersuchen. Bei der Prüfung der Versiegelung und der organischen Beschichtung müssten unter anderem vier Messpunkte pro m2 genommen werden, um die Dicke jeder Schicht und auch die Gesamtschichtdicke zu messen, so Heins. »Durch eine geschlossene, porenfreie Beschichtung in ausreichender Dicke wird verhindert, dass Wasser und/oder Sauerstoff an die Eisen- oder Stahloberfläche gelangt«, sagt Müller. Dadurch werde ein Rosten verhindert. Besondere Sorgfalt gelte es bei beweglichen Teilen walten zu lassen, ergänzt Friese. Denn gerade hier kann die Beschichtung schnell aufreißen. Dies kann sogar beim Transport geschehen. In einem Fall habe ein verdrehter Gurt das Gerät beschädigt, beschreibt er. Je sorgfältiger die Teile im Werk bearbeitet werden, desto weniger Reparaturen werden fällig.

Hoher Reparaturaufwand

Bei Offshore-Wind-Einrichtungen müssen Reparaturen in der Regel vor Ort auf See ausgeführt werden, was mit hohem Aufwand verbunden ist. Allein schon das Arbeitsgerät an die Einrichtungen zu bringen, ist eine Herausforderung. Das geschieht entweder mit Spezialschiffen oder mit Helikoptern. Solche Flüge oder Fahrten verursachen erhebliche Kosten. Folglich gilt es darauf zu achten, möglichst das gesamte Arbeitsmaterial auf einmal mitzubekommen. Friese gibt ein Beispiel, bei dem das nicht ganz gelungen ist. So entstanden in einem Fall zusätzliche Kosten in Höhe von rund 2.700€, weil ein Pinsel im Wert von nicht einmal 1€ an Land vergessen worden war. Dieser Pinsel sei jedoch für die Arbeiten von so entscheidender Bedeutung gewesen, dass er extra noch einmal von Land herbeigeschafft werden musste. Im Vorfeld sollte daher gründlich überlegt werden, welches Arbeitsgerät benötigt werde. Gefahrstoffe seien beispielsweise sogar getrennt vom übrigen Equipment zu transportieren, da sie dem Gefahrstoffgesetz unterlägen. Zudem komme das Waschwasser zum Entsalzen der Flächen von Land, da Reinigungs- und Entsalzungsanlagen auf den Schiffen zu klein seien, so Friese.

Der Offshore-Experte spricht aber trotz des hohen Aufwands davon, dass die Reparaturkosten für 1m2 im Offshore-Gebiet deutlich gesunken seien. 2011 mussten dafür fast 5.000€ aufgewendet werden, 2014 nur rund 1.400€.

Arbeiter und Materialien

Die Ausführung der Reparaturen auf See ist ebenfalls schwierig. Häufig führen an Seilen gesicherte Spezialkräfte die Arbeiten durch. Sie klettern auf Teile der Plattformen oder erledigen die Arbeiten auf schwankenden Schiffen. Bei Unterwasserarbeiten müssten sich Taucher sogar mit Magneten an den Objekten festhalten, weil der Druck des Wassers so hoch sei, beschreibt Friese. Zudem sei der Bewuchs, dessen Befall Offshore-Einrichtungen ausgesetzt seien, nur sehr schwer zu entfernen. »Mit einem Druck von weniger als 450 bar ist der Muschelbewuchs nicht zu beseitigen«, verdeutlicht der Experte. Ferner könne auch bei Reparaturarbeiten Korrosion entstehen, warnt Friese. So können Schweißarbeiten an der Topside einer Plattform durch umherfliegende Funken auch an anderen Teilen des Objekts Schäden verursachen, falls diese nicht im Vorfeld entsprechend geschützt worden sind. Über alle Arbeitsschritte muss zudem ein Protokoll geführt werden. In diesem werden auch Klimadaten, darunter Luft- und Oberflächentemperatur sowie die relative Feuchte und den Taupunkt dokumentiert.

Da die Korrosionsschutzbekämpfung unter erschwerten Bedingungen vonstatten geht, gibt es auch an die Arbeiter entsprechende Anforderungen. »Sie müssen in erster Linie gesundheitlich topfit sein«, sagt Friese. Ferner sei eine Bescheinigung zum Industriekletterer unerlässlich. Weitere Herausforderungen bestehen in dem mehrwöchigen Aufenthalt auf Plattformen oder Wohnschiffen. Dabei sei das Wohnen auf engstem Raum eine gewisse Belastung. Dies gelte auch für das ständige Klettern. Darüber hinaus sind die Arbeiter gesundheitlichen Belastungen durch Wind, Regen, Sonne oder Kälte ausgesetzt.

Aus- und Fortbildung

Die Techniken und Arbeitsgänge im Korrosionsschutz sind vielfältig. Hierzu zählen Bürsten, Strahlen, Spritzen und noch vieles mehr. Es sei daher unmöglich, dass die Korrosionsschützer alle Techniken gleichermaßen beherrschen, sagt Müller.

Für Führungskräfte und QM-Beauftragte besteht die Möglichkeit eines Studiums auf dem Gebiet des Korrosionsschutzes. Zugangsvoraussetzung ist ein abgeschlossenes naturwissenschaftliches Hochschulstudium mit dem Grad eines Bachelor oder Diplom-Ingenieurs. Nach erfolgreichem Abschluss dürfen sich die Teilnehmer »Master of Engineering« (Oberflächentechnik und Korrosionsschutz) nennen. Das Studium könne jedoch keine langjährige Praxiserfahrung ersetzen, da hier überwiegend theoretische Kenntnisse vermittelt würden, so Müller.

Darüber hinaus gibt es die Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker im Bereich des Metall- und Korrosionsschutzes. Diese Ausbildung habe den Vorteil, dass die Teilnehmer weiter in ihrem Beruf und somit in der Praxis tätig seien. Ferner wird eine dreijährige überwiegend praxisbezogene Handwerkausbildung mit Schwerpunkt Korrosions- und Bautenschutz angeboten. Nach Auskunft von Müller ist die Ausbildung beziehungsweise die Anforderungen zum FROSIO-Paint-Inspektor, übersetzt bedeutet dies Fachlicher Rat für Ausbildung und Zertifizierung von Paint-Inspektoren für Oberflächenbehandlung, eine gute Voraussetzung zur Eigenüberwachung und Qualitätskontrolle im eigenen Unternehmen. Da die Ausbildung aber nur knapp zwei Wochen inklusive Prüfungstage umfasse und die jeweilige Praxiserfahrung nur anhand von Selbstauskünften hinterfragt werde, sei eine Qualifizierung der Inspektoren aber auch nach bestandener Prüfung äußerst schwierig.

Falls die FROSIO-Inspektoren in der Fremdüberwachung eingesetzt würden, sollten sie sich darauf beschränken, einen Soll-Ist-Vergleich durchzuführen, fordert Müller. In den Arbeitsprozess einzugreifen, eigene Analysen zu erstellen oder gar Schadensbewertungen durchzuführen, sei weder ihre Aufgabe noch seien sie dafür in der Regel fachlich ausgebildet, verdeutlicht der Experte. Sich daran zu halten sei auch zum Selbstschutz der Paint-Inspektoren, da Fehlentscheidungen erhebliche juristische Konsequenzen nach sich ziehen könnten.

Korrosionsschutz heute

Weil die Anforderungen an den Korrosionsschutz auf Offshore-Einrichtungen so hoch sind, haben auch die Hersteller von Beschichtungsstoffen ihre Produkte angepasst. Früher wurden die zweikomponentigen Beschichtungsstoffe vor Ort vermengt. Dieses sei im Offshore-Windpark nicht praktikabel, sagt Friese. Heute werden die Beschichtungsstoffe in Kartuschen geliefert und beim Verarbeiten über Statikmischer vermengt. Zudem kann heutzutage der Beschichtungsstoff bei einer Luftfeuchtigkeit von 100% oder bei leichtem Regen appliziert werden, sodass die Zeitspanne der Verarbeitung verlängert wird. Ferner ist die Viskosität des Materials durch Fasern und Kügelchen so eingestellt, dass eine Unterbeschichtung fast nicht mehr möglich ist. Zudem könnten Deckbeschichtungen mit einem einkomponentigen Material aus Sprühdosen heutzutage nass-in-nass beschichtet werden. Mit dieser Prozedur brauche der Kletterer oder Korrosionsschützer nur noch insgesamt einmal die Reparaturstelle zu bearbeiten, sagt Friese.
Thomas Wägener