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Die deutschen Seehafenbetriebe sehen sich sehr gut aufgestellt. Kritisch wird mit Blick auf die Umschlagprognosen allerdings die Entwicklung der Verkehrs-anbindungen bewertet. Eine zentrale Rolle spielt der Wettbewerbsgedanke

Die Stimmung in der deutschen Hafenwirtschaft ist laut Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer beim Verband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) derzeit durchaus positiv[ds_preview]: »Das letzte Jahr war ordentlich mit guten Umschlagzahlen. 2015 fängt zwar verhalten an, aber alle Trends zeigen nach oben. Die Seeverkehrsprognose sagt, von 2010 bis 2030 wird sich der Seegüterumschlag im Durschnitt jährlich um 2,8% erhöhen. Das würde einen Anstieg von 270Mio.t auf 470Mio.t bedeuten.«

Das hat Folgen unter anderem für die Abläufe im und vor allem um die Häfen herum. Dort sei noch einiges zu tun. »Es muss sehr dringend in den Erhalt und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und-korridore zu den Wirtschaftszentren in ganz Europa investiert werden«, so Hosseus weiter. Betroffen seien dabei alle Verkehrsträger gleichermaßen. Die Bundesregierung ist nach Ansicht des Verbands zwar auf einem guten Weg, es gibt eine klare Unterstützung auch seitens der Länder. 15Mrd. € werden jährlich zur Verfügung gestellt. Allerdings müsse die Zielmarke noch höher gesetzt werden, »nicht nur in den Bau, sondern auch in den planenden und ausführenden Personalbestand«, sagt der Hauptgeschäftsführer. Die Frage sei bei den Entscheidungsträgern nicht »ob« etwas getan wird, sondern wo die Mittel dafür aufgebracht werden können.

In der Diskussion um eine möglichst gute Positionierung im europäischen Wettbewerb wird zum Teil eine stärkere Kooperation der deutschen Häfen gefordert – etwa eine Fokussierung beim Containerumschlag oder die Auswahl von Offshore-Basis-Standorten. Beim ZDS sieht man derartige Maßnahmen eher skeptisch: »Man muss zunächst fragen, was mit Hafenkooperation eigentlich gemeint ist. Wir vertreten ganz klar die Auffassung, dass Ladungslenkung abzulehnen ist. Wettbewerb ist nicht schlecht, sondern belebt das Geschäft und nützt der Allgemeinheit«, so Hosseus. Mit Blick auf die prognostizierten großen Ladungszuwächse brauche man alle Häfen. »Ich wüsste nicht, was eine Hafenkooperation bewirken soll.«

Der Wettbewerbsgedanke nimmt im Verband eine wichtige Funktion ein, wie unter anderem an der umweltpolitischen Regulierung deutlich wird. Da werde sicherlich noch einiges auf die Branche zukommen. »Das wäre auch in Ordnung, solange alle Beteiligten gleich betroffen sind. Ein negatives Beispiel ist die Regulierung zum Schwefelanteil im Treibstoff. Nord- und Ostsee sind davon betroffen, das Mittelmeer nicht. Viele Häfen an der Nordrange stehen aber zum Teil im Wettbewerb mit Standorten am Mittelmeer. Da fragt man sich, warum das so ist«, kritisiert Hosseus.

Auch für Reederei-Beteiligungen an Terminals gilt beim ZDS der faire Wettbewerb als Maßstab. Im Ausland wird das zwar zum Teil stärker betrieben als hierzulande. Auf diese Weise soll ein gewisses Ladungsaufkommen gesichert werden. Allerdings wird das Modell der »dedicated terminals« auch in Deutschland durchaus umgesetzt. So sind beispielsweise Maersk und MSC an Containerterminals in Bremerhaven oder Hapag-Lloyd am CTA in Hamburg beteiligt. »Wir stehen für Wettbewerb in und zwischen den Häfen. Wer diese Wettbewerber sind, entscheidet letztlich der Markt. Die wichtige Frage ist immer, ob die Marktteilnehmer nach den gleichen Spielregeln spielen. Falls das so ist, haben wir kein Problem mit Beteiligungen«, erläutert der Unternehmensvertreter.

Doch auch ohne Beteiligungen haben Linienreedereien durch ihre großen Ladungsmengen eine nicht unerhebliche Einflussmöglichkeit auf das Hafengeschäft. Dieser Effekt wird dem Vernehmen nach derzeit durch die Bildung immer größerer Allianzen noch weiter verstärkt. Neben den Charterreedern sehen sich auch Terminalbetreiber einem gestiegenem Druck ausgesetzt, heißt es in der Branche. Laut Hosseus ist es für die Unternehmen »natürlich spürbar«, dass Reeder Ladungen auf Schiffen konsolidieren und Anläufe reduzieren. Das führe automatisch zu einer besseren Verhandlungsposition im Dialog mit Hafenunternehmen. Dagegen vorgehen könne man nicht, so lange die Reeder Wettbewerbsregeln einhalten. Diesbezüglich sei auch noch keine Reederei in besonderem Ausmaß aufgefallen.

Nachholbedarf sieht der Verband ohnehin an anderer Stelle: »Unser Problem sind die seewärtigen Zufahrten und die Hinterlandanbindungen. Sie müssen zukunftsgerecht ausgebaut werden. Seewärtig brauchen wir die Fahrrinnenanpassungen, etwa in Rostock und Wismar, auf Ems, Weser, Elbe und den Nord-Ostsee-Kanal sowieso. Die Verzögerungen sind den Kunden nur noch sehr schwer zu vermitteln. Die Terminals selbst sind hochmodern und auf dem neuesten Standard: wir haben sehr gutes Equipment und IT-Systeme sowie sehr gut ausgebildete Hafenmitarbeiter.«

In der Technologie gebe es allerdings noch einige Potenziale, die gehoben werden könnten – wenn die Politik sich entsprechend einschaltet. Der ZDS wünscht sich eine Neuauflage des Forschungsprogramms ISETEC. Dabei soll neue Hafentechnologie und deren Umsetzung gefördert werden. Das Projekt stößt bislang in der Wirtschaft und in weiten Teilen der Politik auf breite Zustimmung. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug.


Michael Meyer