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Die deutschen Häfen hoffen weiter auf neue Aufträge zum Umschlag von Off­shore-Komponenten. Für 2016 bis 2019 sind die Voraussetzungen nicht schlecht: Danach könnte eine erneute Flaute folgen.
Beim Umschlag von Komponenten für die Offshore-Windindustrie ist es ruhig geworden in den deutschen Häfen. Als die HANSA vor[ds_preview] einem Jahr zuletzt über dieses Thema berichtete (s. HANSA 6/2014), hatten viele Standorte die erste Boom-Phase bereits hinter sich und warteten auf Anschlussaufträge. Daran hat sich bis heute trotz zwischenzeitlicher Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und einigen Projekt-Ankündigungen nichts geändert. Von den acht Offshore-Windparks, die damals in deutschen Gewässern im Bau waren, sind vier inzwischen fertig, die anderen vier stehen kurz vor ihrer Fertigstellung. Mit dem Nordsee-Windpark »Gode Wind 1 und 2« des dänischen Energiekonzerns Dong Energy ist seither nur ein neues Projekt in die Errichtungsphase eingetreten, der Baubeginn für ein weiteres (»Sandbank« von Vattenfall und Stadtwerke München) steht kurz bevor. Für beide wird allerdings Esbjerg als Basishafen fungieren, da die Windturbinen – wie bislang bei den meisten deutschen und europäischen Offshore-Windparks – von Marktführer Siemens kommen und in Dänemark produziert werden.

»Momentan haben unsere Häfen höchstens noch Aufträge im Bereich Service und Wartung, die mit dem Aufbau von Windparks verbundenen Dienstleistungen sind praktisch komplett zum Stillstand gekommen«, fasst Andreas Wellbrock, Leiter des Lenkungskreises Offshore-Windenergie beim Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), die aktuelle Situation zusammen. »Freundlich gesagt ist die Stimmung gerade ziemlich ambivalent.«

Bereits beim Branchenforum zur Vorbereitung der Nationalen Maritimen Konferenz (s. HANSA 4/2015) hatte die Branche im März beklagt, dass die maritime Wirtschaft bisher nicht wie erhofft von den Wertschöpfungspotenzialen der Offshore-Windenergie habe profitieren können. Die Hauptverantwortung dafür liege auf Seiten der Politik, meint Wellbrock. »Wir haben das Vertrauen in die Bundesregierung verloren, dass sie die Energiewende tatsächlich will und einen wirklichen Plan zu deren Umsetzung hat.« Wann immer die Branche glaube, dass ein Problem gelöst sei und man mit neuem Schwung weitermachen könne, komme die Politik wieder mit einem neuen Thema – so wie jetzt mit der geplanten Ausschreibungspflicht für Erneuerbare-Energien-Anlagen oder zuvor mit den massiv gekürzten Ausbauzielen für die Zeit nach 2020. »Gerade die Offshore-Windenergie braucht aber endlich langfristige Planungssicherheit. Es ist an der Zeit, dass die Energiewende zur Chefsache gemacht wird.«

Nordsee-Häfen warten auf neue Aufträge

Beispielhaft für die derzeitige Lage ist Bremerhaven, wo von Offshore-Komponenten in den Hafenanlagen nichts mehr zu sehen ist. Der Container Terminal 1 von Eurogate widmet sich wieder komplett dem Container-Umschlag, seit RWE vor einigen Monaten die dort zur Zwischenlagerung von Komponenten für den Windpark »Nordsee Ost« gemietete Fläche zurückgegeben hat. Und auf der benachbarten ABC-Halbinsel von BLG Logistics stehen nach Abschluss der Bauarbeiten von »Global Tech 1« vorigen Sommer nur noch Autos. »Wie wir haben auch andere Hafenbetreiber in ihr Equipment und in die Ertüchtigung ihrer Anlagen investiert«, sagt Wellbrock, der auch BLG-Vorstand für Kontraktlogistik ist. »Aktuell können wir nur versuchen, dafür anderweitige Nutzungen zu finden, um die Kostenbelastung zu reduzieren.« Ziel sei es, ab Ende 2015 oder spätestens im kommenden Jahr wieder Offshore-Komponenten auf der ABC-Halbinsel umzuschlagen. Angesichts der Tatsache, dass die Bauherren der für nächstes Jahr geplanten Meereswindparks »Nordsee One« (RWE und Northland Power), »Nordergründe« (WPD) und »Wikinger« (Iberdrola) ihre Turbinen in Bremerhaven bei Senvion beziehungsweise Adwen (früher Areva) bestellt haben, dürfte diese Hoffnung einige Berechtigung haben.

Ein ähnliches Bild bietet sich in Cuxhaven. Im März hat Hafenbetreiber Cuxport dort die Hafenlogistik für das Eon-Projekt »Amrumbank West« rund um den Fundamente-Umschlag und die Innerparkverkabelung abgeschlossen: Die Aufträge, die sich in den vergangenen Jahren aus der Errichtung von Nordsee-Windparks ergeben haben, sind damit zunächst abgearbeitet. Man bemühe sich derzeit um Folgeaufträge und stehe der Offshore-Branche sowohl bei der Installations- und Service- als auch bei der Materiallogistik zur Verfügung, erläutert Cuxport-Geschäftsführer Hans-Peter Zint. Für die Jahre 2016 bis 2019 erwarte er eine positive Änderung – auf lange Sicht sei allerdings angesichts der ab 2020 gekürzten Ausbauziele »die Einschätzung eher verhalten«. Einen langfristigen Vertrag konnte Cuxport jüngst immerhin vermelden: Nachdem das Unternehmen zuletzt bereits bei der Inbetriebnahme der Siemens-Konverterplattformen die Servicelogistik übernommen hatte, ist es nun auch während der Betriebsphase mit dieser Dienstleistung betraut.

Standortvorteile durch Produzenten

Grundsätzlich im Vorteil sind Standorte, die Produzenten mit gut gefüllten Auftragsbüchern beheimaten – doch die sind derzeit rar gesät. Einer der wenigen ist der Fundamente-Hersteller EEW Special Pipe Constructions mit Sitz in Rostock, der in den vergangenen Jahren diverse Aufträge für Offshore-Windparks in ganz Europa verbuchen konnte und diese allesamt über den Rostocker Hafen abgewickelt hat beziehungsweise noch abwickelt. In Nordenham arbeitet das im vorigen Herbst offiziell eröffnete Steelwind-Werk gerade an der Produktion von 80 Monopile-Fundamenten für einen nicht benannten Nordsee-Windpark, und in Cuxhaven wird Ambau demnächst die Fundamente für »Nordsee One« und »Nordergründe« fertigen.

Als Installationshafen für Windparks in der Ostsee hat sich der Fährhafen Sassnitz etabliert. Zwischenlagerung, Vormontage und Umschlag für das erste Großprojekt »EnBW Baltic 2« stehen kurz vor dem Abschluss, direkt im Anschluss wird Iberdrola das Gelände des dortigen Offshore-Terminals zur Errichtung von »Wikinger« übernehmen. Auch andere potenzielle Windpark-Bauherren haben angekündigt, im Fall einer Umsetzung ihrer Projekte auf Sassnitz zurückgreifen zu wollen. Darüber hinaus hat der Fährhafen gerade in einen neuen Liegeplatz investiert, um der Offshore-Branche künftig auch als Service- und Wartungsstützpunkt zur Verfügung zu stehen.

Die Nordsee-Insel Helgoland tut dies schon seit einiger Zeit: Die Windparkbetreiber WindMW, RWE Innogy und Eon Climate & Renewables haben ihre Betriebsgebäude an der Helgoländer Südkaje inzwischen bezogen und lassen die auf der Insel untergebrachten Servicetechniker mit Schiffen zu ihren mitten in der Nordsee errichteten Arbeitsplätzen pendeln.

Suche nach Terminal-Betreiber

Auf Service und Wartung kann auch Norddeich weiterhin setzen, wo Dong Energy erst kürzlich seine Betriebsführungszentrale für die Windparks »Borkum Riffgrund 1« sowie »Gode Wind 1 und 2« eröffnet hat. Nach Angaben von Niedersachsen Ports sind die beiden Häfen Norddeich und Norderney seit 2008 von insgesamt 3.500 Crew Transfer Vessels und Versorgungsschiffen angesteuert worden, die rund 15.000 Techniker und Servicemitarbeiter in verschiedene deutsche Offshore-Windparks gebracht haben. In der Gesamtschau bilanziert NPorts-Geschäftsführer Holger Banik, dass die niedersächsischen Seehäfen bereits „einen erheblichen Anteil an der Umsetzung der Energiewende“ erbracht haben. »Nach wie vor sehen wir die Windenergie-Branche als eines unserer Wachstumsfelder für die Häfen an«, macht Banik deutlich. Kapazitäten sehe er vor allem in den Basishäfen Cuxhaven und Emden sowie im Bereich des Service zusätzlich auch in Norden und Wilhelmshaven.

Ob vor dem Hintergrund der gekürzten Ausbauziele, die nach 2020 einen Zubau von im Schnitt lediglich zwei Meereswindparks pro Jahr bedeuten, künftig noch eine weitere auf den Offshore-Umschlag spezialisierte Hafenanlage benötigt wird, ist selbst in der Hafenbranche umstritten. Der Konkurrenzkampf um die wenigen zu erwartenden Projekte werde so schon intensiv genug sein, meint Cuxport-Chef Zint. »Zusätzliche Kapazitäten sind daher aus unserer Sicht nicht erforderlich.«

Dessen ungeachtet hält das Land Bremen daran fest, in den kommenden Jahren den mit 180Mio.€ veranschlagten Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) bauen zu wollen. Die Suche nach einem Betreiber sowie das Planfeststellungsverfahren laufen und sollen im Herbst dieses Jahres abgeschlossen werden. Die BLG hatte bereits frühzeitig angekündigt, sich bewerben zu wollen – und hat das mittlerweile auch getan. »Es ist nach wie vor richtig darüber nachzudenken, wie man logistische Strukturen verbessern und den Umschlag optimieren kann«, sagt Andreas Wellbrock. »Dafür wäre der OTB schon sinnvoll.

Genauso wichtig wird es aber sein, weitere Produzenten nach Bremerhaven zu bekommen und so das potenzielle Umschlagvolumen zu erhöhen.«


Anne-Katrin Wehrmann