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Beim Branchentreff »Windforce 2015« diskutierten Mitte Juni in Bremerhaven rund 400 Konferenzteilnehmer über die Zukunft der Offshore-Windenergie.
In der deutschen Offshore-Windbranche ist Bewegung: Seit Inkrafttreten des novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im August 2014 haben mehrere[ds_preview] Betreiber den Bau neuer Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee angekündigt, an finalen Investitionsentscheidungen für weitere Projekte wird derzeit im Hintergrund mit Hochdruck gearbeitet. Die aktuell zu beobachtende Betriebsamkeit liegt darin begründet, dass alle Offshore-Windkraftanlagen, die bis Ende kommenden Jahres von der Bundesnetzagentur (BNetzA) Anschlusskapazitäten zugewiesen bekommen und bis Ende 2020 den Betrieb aufnehmen, mit einer festen Einspeisevergütung rechnen können. Die Zeit drängt also für diejenigen, die noch von der aktuellen EEG-Regelung profitieren wollen. Doch wie geht es ab 2021 weiter? Das war eine der zentralen Fragen, mit denen sich die rund 400 Teilnehmer der Branchenkonferenz »Windforce 2015« Mitte Juni in Bremerhaven beschäftigten.

»Uns wird nie langweilig«, stellte Ronny Meyer, Geschäftsführer der veranstaltenden Windenergie-Agentur WAB, in seiner Eröffnungsrede fest. »Dafür sorgt schon die Politik.« Damit spielte Meyer auf die Pläne der Bundesregierung an, die Vergütungshöhe für Erneuerbare-Energien-Anlagen künftig individuell über Ausschreibungen ermitteln zu wollen (siehe folgender Artikel).

Nachdem das EEG 2014 eine lange Phase der Planungsunsicherheit vorübergehend beendet hatte, steht der Offshore-Branche nun ein weiterer Systemwechsel bevor, der das Vertrauen potenzieller Investoren hinsichtlich der Weiterentwicklung von Projekten für die kommende Dekade erneut auf die Probe stellt. »„Aus ordnungspolitischer Sicht spricht einiges dafür, die erneuerbaren Energien nicht dauerhaft mit festen und vom Staat bestimmten Preisen zu vergüten«, betonte Professor Mario Ragwitz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, der sich im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums mit möglichen Varianten eines Ausschreibungsdesigns beschäftigt. »Man muss da eine wettbewerbliche Komponente hineinbekommen, auf etwas anderes wird sich die EU nicht einlassen«, so der Wissenschaftler mit Blick auf bestehende europarechtliche Vorgaben.

Eine Betrachtung der Sachlage aus Sicht eines internationalen Players präsentierte Trine Borum Bojsen, Deutschland-Chefin von Dong Energy. Kurz zuvor hatte der Konzern verkündet, bei der installierten Offshore-Windleistung in Nordeuropa die Marke von drei Gigawatt (GW) überschritten zu haben – und damit einmal mehr seine Position als unangefochtener Weltmarktführer untermauert. Borum Bojsen machte deutlich, dass es in Deutschland in den vergangenen Jahren bereits viele Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen gegeben habe und es für den hiesigen Markt nun wichtig sei, durch langfristige Perspektiven ein stetiges Ausbautempo zu erreichen. »Da ist es nicht gut, wenn es alle zwei Jahre neue Veränderungen gibt«, so die Dänin. Schon jetzt sei der deutsche Markt von Wettbewerb geprägt: Das gelte sowohl für die Betreiber- als auch für die Entwicklerseite, und seit einiger Zeit auch für die Zuweisung von Netzkapazitäten. Der einzige Bereich, in dem derzeit der Wettbewerb noch fehle, sei die Einspeisevergütung. »Wenn wir das ergänzen, haben wir vollständige Marktbedingungen«, so Borum Bojsen. Ein umfassender Systemwechsel sei daher nicht erforderlich.

Unter dem Strich zeigten sich die Teilnehmer optimistisch, bis 2020 das politische Ausbauziel von 6,5GW nicht nur zu schaffen, sondern voraussichtlich sogar zu übertreffen. Die BNetzA ist berechtigt, für diesen Zeitraum Netzkapazitäten von bis zu 7,7GW zu vergeben – mit der Vorgabe, den »Überhang« von 1,2 GW in der Folge wieder »einzusparen«. Die Regulierungsbehörde gehe offenbar davon aus, dass man dies gleich in den Jahren 2021 und 2022 zu erledigen habe und mit den Ausschreibungen entsprechend später beginnen werde, berichtete WAB-Chef Meyer. »Aus unserer Sicht ist das allerdings rechtlich nicht geboten und außerdem industriepolitischer und logischer Unsinn, denn letztlich wäre das ein staatlich verordneter Stillstand.« Eine Industrie könne nicht für anderthalb oder zwei Jahre anhalten, weil sie einen politischen Deckel überschritten habe: Die Branchen-Verbände setzten sich deswegen dafür ein, dass man den möglichen Mehrausbau erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzubauen habe.

Da inzwischen mehrere Windparks im Bau beziehungsweise schon fertig sind, konnten zahlreiche Referenten von ihren Erfahrungen bei der Installation von Fundamenten, Turbinen sowie Umspann- und Konverterplattformen berichten. Die Lernkurve zeige nach oben, hieß es: Man gehe davon aus, die Kosten in den kommenden Jahren erkennbar senken zu können. Wolfgang Hintzsche vom Verband Deutscher Reeder (VDR) berichtete über den aktuellen Stand bei der Einführung von Sicherheitsstandards für Service-Schiffe. Im Dezember 2014 war der nationale »Code für den Bau, die Ausrüstung und den Betrieb von Offshore-Servicefahrzeugen« in Kraft getreten, der Wettbewerbsnachteile für deutsche Reedereien und Werften beseitigen soll: Seither gelten international vergleichbare Sicherheitsstandards für Schiffe unter deutscher Flagge, die Servicepersonal vom Festland zu den Offshore-Windparks und wieder zurück bringen.

Von Anfang habe man darauf hingearbeitet, einheitliche Regelungen auch auf internationaler Ebene einzuführen, erläuterte Hintzsche: »Im Kern geht es uns darum, eine neue Kategorie des ›Industrial Personnel‹ zu definieren, da das Offshore-Servicepersonal weder Crew noch Passagier noch Special Personnel nach dem Code über die Sicherheit von Spezialschiffen ist.« Einige Nachbarländer hätten bereits angekündigt, sich dem anschließen zu wollen. Das Vorhaben, eine solche Definition mit einem Rundschreiben des Schiffssicherheitsausschusses der International Maritime Organization (IMO) als nicht verbindliche empfehlende Vorschrift zu verabschieden, sei hingegen zunächst gescheitert. »Wir sind aber guter Dinge, dass wir irgendwann zum Erfolg kommen werden«, betonte Hintzsche.

Dass die maritime Branche ihre Hausaufgaben macht und die Offshore-Windenergie nach wie vor als interessantes Geschäftsfeld betrachtet, wurde in verschiedenen Vorträgen deutlich. So stellte Carsten Wibel von der Bugsier,- Reederei- und Bergungs-Gesellschaft das Konzept eines Emergency Rescue and Response Vessels (ERRV) speziell zur Sicherung von Offshore-Windparks vor, das sein Unternehmen derzeit zusammen mit der Fassmer-Werft entwickelt. Das Spezialschiff soll 70 bis 75m lang sein, über eine Hubschrauberlandefläche auf dem Vorschiff verfügen, 20kn schnell fahren und jede Windkraftanlage innerhalb eines Clusters in weniger als einer halben Stunde erreichen. »Wir arbeiten momentan in enger Kooperation mit Partnern aus Industrie, Wissenschaft sowie Forschung und Entwicklung an weiteren Lösungen für das Schiff«, so Wibel.

In unmittelbarer Nähe zum Tagungsort konnten sich interessierte Konferenzbesucher das in SWATH-Bauweise gefertigte Crew Transfer Vessel »Natalia Bekker« aus der Nähe ansehen, das seit fünf Jahren im Windpark »Bard Offshore 1« im Einsatz ist. Nils Olschner von der Bauwerft Abeking & Rasmussen berichtete, dass die Werft derzeit an einem »Crew Base and Transfer Vessel« (CBTV) arbeite, das auf der »Natalia Bekker« basiere. Ziel sei es Servicetechniker für mehrere Tage unterbringen zu können, um ihnen lange Anfahrten zu ersparen. Da der High-Speed Craft (HSC) Code der IMO dies nicht erlauben würde, haben sich die Schiffbauer aus Lemwerder eine Besonderheit einfallen lassen: Sie wollen die Schiffe nicht aus Aluminium, sondern aus Stahl bauen und so unabhängig vom HSC-Code werden. »Damit haben wir ein Schiff ganz konkret für die Offshore-Windbranche entwickelt«, machte Olschner deutlich. Man führe bereits sehr konkrete Verhandlungen über einen ersten Vertragsabschluss.


Anne-Katrin Wehrmann