Print Friendly, PDF & Email

Zum 150jährigen Bestehen hat die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff­brüchiger (DGzRS) mit der »Ernst Meier-Hedde« das Typschiff einer ganz neuen 28-m-Klasse getauft. Bewährte Errungenschaften wurden beibehalten oder verbessert und neue Ideen erfolgreich umgesetzt.
Der siebte bei Fr. Fassmer in Berne an der Unterweser gebaute Seenotkreuzer ist, wie auch alle anderen Schiffe der DGzRS[ds_preview], eine Aluminiumkonstruktion. Bei einer Länge von 27,9m, einer Breite von 6,2m und einem Tiefgang von 1,95m hat das Schiff eine Verdrängung von 120t. Die Neuntwicklung ist das erste von drei Schiffen der neuen 28-m-Klasse. 2017 soll das zweite Schiff auf der Station Laboe in Dienst gestellt werden. Für den dritten Kreuzer, der für 2018 geplant ist, wurde noch kein Einsatzort bestimmt. Die Neue Klasse ersetzt die bewährte 27,5-m-Klasse, zu der Seenotkreuzer wie die »Berlin« oder »Hermann Helms« gehörten.

An der Rumpfform der 28-m-Klasse habe man im Vergleich zu den Vorgängern nicht viel verändert, erklärt Holger Freese, DGzRS Inspektor und Projektleiter. Lediglich am Heck hätte es nach den ersten Tests und Schleppversuchen Grund zum Nachbessern gegeben, um Lufteinbrüche zu vermeiden. Das sei aber bei dem geringen Tiefgang generell ein eine knifflige Angelegenheit. Die Herausforderung sei bei den Seenotkreuzern immer die gleiche, so der Inspektor: ein Schiff zu bauen, das auch bei starkem Seegang hohe Geschwindigkeiten fahren kann – ein schiffbauliches Paradoxon. »Wir versuchen einen Traktor mit Formel-1-Geschwindigkeit hinzubekommen«, verdeutlicht er.

Ansonsten hat sich bei der neuen Klasse aber doch einiges geändert. In enger Zusammenarbeit mit DGzRS-Vorleuten haben Freese und die Fassmer-Werft viele Verbesserungen auf dem Rettungsschiff eingeführt. So ist die »Meier Hedde« der erste Seenotkreuzer, der nicht mehr über einen offenen Fahrstand verfügt. Wegen der Rundum-Verglasung der Brücke und eines Heckfahrstandes für Rückwärtsfahrt und Manövriervorgänge ist das aber auch gar nicht mehr nötig.

Eine weitere Neuerung auf der Brücke ist ein Arbeitsplatz zur Einsatzkoordination, was den Schiffsführer entlasten soll, der ansonsten diese Aufgabe neben dem Steuern des Schiffs übernimmt. An diesem Platz sowie an den Back- und Steuerbordfahrständen können die Besatzungsmitglieder gleichzeitig und unabhängig voneinander in den Kartensystemen arbeiten.

Volle Kontrolle

Der Maschinist hat nun ebenfalls einen Platz im Fahrstand, das gab es bisher erst einmal auf dem Seenotkreuzer »Harro Koepke«. Die meisten Eingriffe in die Maschinensteuerung während der Fahrt lassen sich nun von hier oben erledigen. Wegen des ansonsten höheren technischen Aufwandes gebe es natürlich weiter hin Motorteile, wie beispielsweise viele Ventile, die nicht elektronisch steuerbar seien, sagt Freese. Aber insgesamt erhöhe die Elektronik deutlich die Betriebssicherheit und auch gesundheitlich sei es für den Maschinisten heute besser, nicht ständig dem Lärm der Maschine ausgesetzt zu sein. In der Messe sowie in der Kammer des Maschinisten gibt es ebenfalls Alarmtableaus zur Überwachung der Motoren.

Neu ist die Wärmebildkamera, die von der Brücke aus gesteuert und ausgelesen wird. Um 360° schwenkbar lässt sich mit der Kamera die Umgebung des Kreuzers nach Schiffbrüchigen absuchen. Natürlich habe es noch mehr kleinere Wünsche an die neue Klasse gegeben, im Endeffekt hätte aber zwischen Nutzen und Bauaufwand abgewogen werden müssen, erklärt Freese.

Wie bei alle anderen Seenotkreuzern ist die »Ernst Meier-Hedde« mit zwei unabhängigen Radarsystemen von Transas und Furuno ausgestatte, um Redundanz zu gewährleisten.

Kraftpaket unter Deck

Im Maschinenraum arbeiten zwei 16-Zylinder-Motoren der MTU-Baureihe 2000, zusammen leisten sie 2.880kW, bzw. 3916PS. Damit bringt es die »Ernst Meier-Hedde« auf eine Höchstgeschwindigkeit von 24 bis 26kn, je nach Strömungslage. Die Maschinen sind außerdem mit dem MTU- Automationssystem Blue Vision New Generation ausgestattet und laut Motorenhersteller ist der Antrieb so ausgerüstet, dass er auch bei extremem Wetter und starker Krängung des Schiffs noch funktionsfähig bleibt. Das werde unter anderem mit einer vertieften Ölwanne mit Dämpfungsschotten, eine geänderten Kurbelraumentlüftung sowie einer angepassten Motorsteuerung und -überwachung erreicht, so MTU.

Das Tankvolumen beträgt 15.000l, 5.000l gibt es als Reserve oben drauf. »Bei voller Leistung liegen wir im Verbrauch bei 700l pro Stunde«, erklärt Manfred Pahlke, der 2. Vormann der Besatzung des neuen Kreuzers. Bei einer Geschwindigkeit von 24kn beträgt die Reichweite des Kreuzers etwa 600sm, bei 15kn liegt sie bei rund 800sm.

Zur Antriebsanlage gehören außerdem zwei ZF 5000D Schiffswendegetriebe, eine Schleichfahrteinrichtung und eine 75kW Bugstrahlanlage. Als Hilfsaggregat kommt ein Deutz Dieselmotor 1013 zum Einsatz, der 88kVA auf den Generator, bzw. 120 kW auf die Hydraulikpumpe bringt. Daneben ist die »Ernst Meier-Hedde« mit einem Dieselgenerator vom Typ Whisperpower SQ 25 mit 25kVA Leistung.

Über eine Gasschutzeinrichtung verfüge der Neubau nicht, erklärt Pahlke, da teile man sich die Fähigkeiten mit anderen vEinheiten.

Angenehmeres Bordleben

Pahlke betont auch die verbesserte Wohnsituation auf dem Schiff. Nach wie vor leben die Besatzungen der Seenotkreuzer für jeweils zwei Wochen an Bord. Gleich beim Betreten des Schiffs fällt auf, dass alles viel heller gehalten ist, als bei den alten Kreuzern. »Eben nicht mehr Eiche rustikal, sondern etwas moderner«, sagt Pahlke.

In den Kajüten gibt es nun auch Tageslicht, jede Kammer verfügt über ein Bullauge. Auch ein kleines Waschbecken steht jedem Seemann in seinem Quartier zur Verfügung, neben dem geräumigen Bad für alle. Und die Kojen sind etwas größer geworden. »Es ist auf jeden Fall sehr angenehm«, so Pahlke.

Die Messe ist nun nicht mehr wie auf einigen der Vorgängerkreuzer auch gleichzeitig Behandlungsraum für Kranke und Verletzte. Anstatt wie früher den großen Tisch im Aufenthaltsraum als Bare zu verwenden, gibt es auf der »Ernst Meier-Hedde« eine extra Nische mit Behandlungstisch, Notarztausrüstung und Sitzgelegenheiten für die Helfer. Das sei arbeitstechnisch und natürlich auch hygienisch eine deutliche Verbesserung, erklärt der 2. Vormann.

Gerade angesichts des Einsatzspektrums des Schiffs ist das nicht unwichtig, immerhin erledigt die Besatzung bisher mit den Vorgänger »Vormann Leiss« 50 bis 70 Krankentransporte im Jahr, zumeist von den Halligen zum Festland. Ansonsten sind es oft Fischkutter, denen die Einheit aus der Klemme hilft und in den Sommermonaten vermehrt Wassersportler.

Eine neue Nase

Das Tochterboot ist keine komplette Neuentwicklung, sondern entspricht im Prinzip den Tochterbooten der 27-m-Klasse: 8,2m lang, 2,9m breit und mit 0,8m Tiefgang. Dennoch weist das Boot einige Neuerungen auf. Zum einen besitzt es einen halb geschlossenen Fahrstand, der die Besatzung vor Spritzwasser schützt. Zum anderen kann das Dach des Fahrstandes hydraulisch nach hinten geklappt werden, damit die Antennen nicht mit der Schlepptrosse kollidieren, bei Schleppeinsätzen des Mutterschiffs. Bei den alten Booten muss das noch per Hand erledigt werden. Neu ist außerdem, dass die Tochterbootbesatzung nun ein Interkom-System an Bord hat und im Einsatz über Headsets mit dem Kreuzer in Kontakt steht.

Eine richtige Neuentwicklung gibt es aber doch, bemerkt Inspektor Holger Freese: »Das neue Boot hat eine »Schupsnase«. Das ist einfach ein dicker Fender am Bug, mit dem das Boot nun dem Kreuzer beim Einschleppen von Havaristen assistieren kann.«

Motorisiert ist die »Lotte« mit einem 170 kW starken Steyr SE 236 E40, damit kommt sie auf eine Geschwindigkeit von 19kn. Alfred Pahlke ist sichtlich zufrieden mit dem neuen Arbeitsgerät. Die Manövriereigenschaften von Kreuzer und Tochterboot seien sehr gut. Insgesamt erleichtere die elektronische Steuerung die Arbeit mit dem neuen Schiff. »Es fährt sich sehr angenehm«, sagt Pahlke. Das habe man auf den bisherigen vier Erprobungsfahrten bereits feststellen können. Wie sich das neue Schiff dann im Einsatz bewährt, müsse sich noch zeigen. Die Besatzung freue sich schon, den neuen Kreuzer endlich in Betrieb zu nehmen.

Bislang hat sie auf der Station auf Amrum mit der nunmehr 30 Jahre alten »Vormann Leiss« gearbeitet. »Das Schiff hat uns auch immer sicher nach Hause gebracht«, sagt Pahlke, aber nach 30 Jahren merke man ihm das Alter doch an.


Felix Selzer