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Kapitän Udo Helge Fox, Leiter des Rettungs­dienstes und der Inspektion sowie Mitglied der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), spricht über gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen für die Retter
B]Herr Fox, wie haben sich das Aufgabenspektrum und die Anforderungen in der 150jährigen Geschichte der DGzRS gewandelt?

Udo[ds_preview] Helge Fox: Im Prinzip hat sich den Aufgaben und Anforderungen nichts geändert – Menschen in Not auf Nord- und Ostsee zu helfen. Was sich geändert hat, sind die Ansprüche, die an einen modernen Seenotrettungsdienst gestellt werden. Selbst ein Jules Verne hätte wohl nicht geglaubt, in welchen Dimensionen Schiffe die Meere befahren, welche Menschenmassen auf Kreuzfahrtschiffen oder Flugzeugen sich auf oder über dem Wasser bewegen. Hinzu kommen heutzutage aber Hunderte von Menschen, die ihre Arbeit in Windparks fern der Küste verrichten. Alle erwarten schnelle und sichere Hilfe.

Müssen Sie auf die größer werdenden Schiffe reagieren?

Fox: Alle menschlichen und technischen Ressourcen sind endlich. Kein Rettungsdienst der Welt kann diese permanent in Bereitschaft halten, um Katastrophen jedes Ausmaßes bewältigen zu können. Daher üben wir ständig Einsätze mit dem Havariekommando, anderen nationalen Organisationen und den Kollegen unserer Nachbarländer.

Wie wirkt sich die wachsende Zahl von Offshore-Anlagen auf die Einsätze der DGzRS aus?

Fox: Im Verhältnis zu den satzungsgemäßen Einsätzen der DGzRS für Menschen und Schiffe in Seenot ist die Zahl der Einsätze für Offshore-Windparks verschwindend klein. Da das innerbetriebliche Notfallmanagement für Offshore-Windparks nicht aus Spendenmitteln betrieben werden kann und darf, wurde die Gesellschaft für Maritimes Notfallmanagement gegründet.

Worauf muss man sich technisch einstellen? Benötigt man unter Umständen mehr oder andere Schiffe oder angepasstes Gerät, z. B. Krane, um in größerer Höhe zu arbeiten?

Fox: Einsatzmittel für den Seenotrettungsdienst sind nur sehr beschränkt für Notfälle in Windparks geeignet. Unsere Kompetenz liegt im Know-how der Einsatzkoordinierung. Speziell für Notfälle angepasste Schiffe oder Gerät können nur durch die Industrie betrieben und bewirtschaftet werden.

Wie steht es Ihrer Meinung nach bei den Offshore-Unternehmen und -Arbeitern um den Umgang mit den Gefahren auf See bzw. um deren Sicherheitstraining und Ausrüstung?

Fox: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in der Offshore-Industrie allgemein ein sehr hohes Sicherheitsbewusstsein herrscht, welches überwiegend auf deutschen Normen und Standards basiert. Die internationale Seeschifffahrt tut sich im Vergleich dazu naturgemäß schwerer.

Wie wird bzw. soll sich die Flotte künftig entwickeln?

Fox: Hätte ich doch eine Glaskugel! Sofern sich die finanziellen Rahmenbedingungen nicht gravierend ändern, gibt es keinen Anlass, die Flotte grundlegend zu verändern. Der technologische Fortschritt hat in den letzten Dekaden bei uns evolutionär, nicht revolutionär stattgefunden.

Muss die Ausbildung der Seenotretter ebenfalls angepasst werden?

Fox: In einer sich immer schneller entwickelnden Welt erübrigt sich diese Frage eigentlich. Meinen Studenten an der World Maritime University in Malmö sage ich immer: »Give me a seaworthy boat and a well trained crew, and I can do search and rescue. A sexy high-tech machine with unqualified staff is pretty useless.« Aus- und Fortbildung sind der Schlüssel für unsere jetzige und zukünftige Leistungsfähigkeit. Die Bedeutung wird ständig zunehmen.

Was sind jetzt gerade die Haupteinsatzgebiete, wo gibt es besondere Risiken?

Fox: Die Frage kann man nicht so einfach beantworten. Quantitativ sind es sicherlich technische Hilfeleistungen für Wassersportler, allein schon weil sie von der Zahl her die meisten Fahrzeuge in unseren Gewässern sind. Dazu kommen hunderte von Krankentransporten von Seeschiffen, Inseln und Halligen. Qualitativ sind es die klassischen Seenotfälle mit den damit verbundenen Such- und Rettungsmaßnahmen, sowohl in unseren Gewässern als auch weltweit. Einige hundert Mal im Jahr koordinieren oder initiieren wir Hilfeleistung bei Notfällen für die deutsche Seeschifffahrt außerhalb unseres Such- und Rettungsbereichs.

Wie steht es um den Nachwuchs beim nautischen Personal der DGzRS?

Fox: Bisher haben wir alle offenen Stellen an Bord immer zügig besetzen können. Für viele ist der Beruf als Rettungsmann attraktiv. Mit der Heuer wird man zwar nicht reich, aber man hat einen sicheren Arbeitsplatz mit familienfreundlicheren Arbeitszeiten als in der Seeschifffahrt bei gleichzeitig großer Wertschätzung durch die Öffentlichkeit. Welcher Seemann will das nicht? Noch viel erfreulicher ist, dass sich eine zunehmende Zahl von Frauen und Männern ehrenamtlich auf unseren Booten engagieren. Diese Entwicklung läuft gegen den Trend. Mit der Hälfte aller unserer Einsätze sind sie das Rückgrat des deutschen Seenotrettungsdienstes und damit unverzichtbar. Wir sollten uns immer wieder vor Augen halten, wie wichtig ehrenamtliches Engagement für unser Gemeinwohl und unsere Zivilgesellschaft ist.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die DGzRS in der Zukunft?

Fox: Die DGzRS genießt in Fachkreisen für ihre Leistungsfähigkeit national und international ein sehr hohes Ansehen. Als eine reine Bürgerinitiative sind wir für die Erhaltung dieser Leistungsfähigkeit auf die große Spendenbereitschaft der Öffentlichkeit angewiesen. Der demografische Wandel wird uns in den kommenden Jahrzehnten vor die größten Herausforderungen stellen. Aus- und Fortbildung sind sicherlich eine weitere Herausforderung.

Felix Selzer