Print Friendly, PDF & Email

Im 2012 in Betrieb gegangenen Schwerlasthafen Rendsburg werden hauptsächlich Onshore-Komponenten umgeschlagen. Unternehmen schätzen insbesondere die Nähe zum Umschlagplatz
Seit der Eröffnung ist der am Nord-Ostsee-Kanal (NOK) bei Osterrönfeld gelegene Umschlagstandort kontinuierlich gewachsen. Vor allem für die[ds_preview] auf Turmsegmente für Windenergieanlagen spezialisierten Unternehmen Enercon und Max Bögl ist er zu einem wichtigen ­Umschla­­­gort geworden.

Im Juli vergangenen Jahres hat die bayerische Firmengruppe Max Bögl in Osterrönfeld mit der Produktion von Hybridtürmen für Windenergieanlagen begonnen. Insgesamt sind rund 55Mio. € in den neuen Produktionsstandort geflossen, was gleichzeitig die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte bedeutet.

Ziel sei es, rund 220 Türme pro Jahr zu produzieren, sagt Werksleiter Ralph Dresel. Derzeit wird nach seinen Angaben etwa ein Turm pro Tag fertiggestellt. Je nach Größe besteht ein solcher aus etwa 23 Ringen, von denen jeder eine Höhe von 3,80m hat. Es werden entweder Vollringe oder Halbschalen gefertigt. Ein Turm setzt sich aus bis zu 35 Elementen zusammen.

Millimetergenaue Arbeiten

Bei der Produktion kommt es auf absolute Sorgfalt und Genauigkeit an. »Die Elemente werden bis auf einen hundertstel Millimeter geschliffen.« Die plane Oberfläche sei entscheidend für das System da die Ringe des Betonturms mittels sogenannter »Trockener Fuge« Ring für Ring aufeinander gestellt werden. Die Hybridtürme bestehen bis in rund 80m Höhe aus Beton, die weiteren etwa 60m sind aus Stahl gefertigt. Die Türme werden gewissermaßen nach dem Baukastenprinzip zusammengeführt. Die einzelnen Komponenten werden innen im Turm rundum mit Stahlseilen zusammengespannt. Kleber kommt also nicht zum Einsatz. Der für die Konstruktion benötigte Zement wird per Bahn aus Neumünster angeliefert, der Splitt kommt aus einem norwegischen Steinbruch und wird per Schiff im nahegelegenen Kreishafen Rendsburg umgeschlagen, um anschließend per Lkw zum Produktionsstandort von Max Bögl ins nur wenige Autominuten entfernte Osterrönfeld transportiert, zu werden.

Die fertigen Kom­po­nenten der Windenergieanlagen werden auf für 50 oder 90t schwere Last ausgelegte Rolltrailer gestellt und mit einem Zugfahrzeug gewissermaßen einmal über die Straße zum Schwer­lasthafen Rendsburg gebracht. Dort werden sie hauptsächlich auf Binnenschiffe verladen. »Ein Binnenschiff kann zwischen 30 und 35 solcher Teile befördern«, sagt Kai Lass, der bei der Rendsburg Port Authority für den Vertrieb zuständig ist. Somit ersetze ein Binnenschiff mehr als 30 Lkw, verdeutlicht er.

Mit dem Binnenschiff werden sie ins Hinterland gebracht. Ziele seien Koblenz, oder das nordrhein-westfälische Ladbergen, beschreibt Dresel, der überzeugt ist, dass auch Skandinavien in den kommenden Jahren ein Absatzmarkt sein wird.

Ein weiterer Großkunde, der am Schwerlasthafen Rendsburg Turmsegmente für Windenergieanlagen umschlägt, ist das Unternehmen Enercon. Anders als bei Max Bögl werden die Anlagenteile jedoch nicht in Rendsburg produziert, sondern mit dem Binnenschiff vorzugsweise aus Richtung Magdeburg – einem der Produktionsstandorte des Unternehmens – angeliefert und auf den Flächen von Rendsburg Port zwischengelagert. Für Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports, ist die Beförderung von On- und Offshore-Komponenten per Binnenschiff sinnvoll, da die Transporte mit Lkw immer teurer würden. »Sogar nach Kroatien ist der Transport vom Rendsburg Port aus günstiger als von unserem bayrischen Stammsitz«, erklärt Johann Bögl, Gesellschafter bei Max Bögl, und unterstützt damit die Aussage Schnabels. Ferner sei es aufwändig, Genehmigungen zu bekommen und es müssten häufig Umwege gefahren werden, da viele Streckenabschnitte wegen des großen Gewichts der Güter nicht befahrbar seien, so Schnabel weiter. Doch nicht nur Windkraftanlagen werden in die Schiffe gehievt. Die Firma Menck schlägt in Rendsburg beispielsweise Schwerlasthämmer um.

Für den Betrieb am Schwerlasthafen ist die Rendsburg Port GmbH zuständig, die sich jeweils zu 50% aus den Unternehmen Brunsbüttel Ports und dem Schifffahrts- und Logistikunternehmen Ahlmann-Zerssen zusammensetzt. Das Konsortium hatte sich 2012 in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren durchgesetzt. Die Rendsburg Port Authority – bestehend aus den drei Gesellschaftern Stadt Rendsburg, der Gemeinde Osterrönfeld sowie der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Rendsburg-Eckernförde – fungiert indes als Infrastrukturgesellschaft und ist somit für sämtliche Flächen im Gebiet verantwortlich.

Die Gesamtlänge des Kais, der Lass zufolge aktuell hauptsächlich von Binnenschiffen genutzt wird, beträgt 300m. Am einzigen Schwerlasthafen in Schleswig-Holstein stehen darüber hinaus 2,2ha schwerlastfähige Arbeitsflächen mit einer Tragfähigkeit von 90t/m2 zur Verfügung sowie 1,5ha Vorstaufläche und 2ha Terminalfläche.

Ausstattung des Schwerlasthafens

Der Standort verfügt über zwei Schwerlast-Hafenmobilkrane der Typen GHMK 3405 und GHMK 8610 von Terex Gottwald, die 100 beziehungsweise 150t bewegen können. Für besonders schwere oder sperrige Ladung können sie im Tandembetrieb eingesetzt werden und gemeinsam dann bis zu 250t schwere Lasten heben. Möglich ist dies durch einen Tandem Lift Assistant, den Terex Ende 2012 implementiert hat. Sein Einsatz ermöglicht den computergestützten Synchronbetrieb zweier Krane durch nur einen Kranführer. Die Datenübertragung zwischen den Hebewerkzeugen erfolgt dabei kabellos über eine WLAN-Verbindung. Die Steuer- und Regelungseinheit Lennix Tango, die vom Unternehmen Lehnert crane intelligence entwickelt wurde, soll die schnelle Positionierung seilgeführter Kranlasten ermöglichen und das Risiko von Kollisionen reduzieren. Nach Auskunft des Herstellers werden zudem die bei jeder Bewegung entstehenden Lastpendelungen beseitigt. Das verwendete Steuer- und Regelungsprinzip sei vergleichbar mit dem rechtzeitigen Gegensteuern durch einen geübten Kranführer. Die vom Kranfahrer vorgegebenen Geschwindigkeiten im Handbetrieb würden über Beschleunigungs- und Bremsvorgänge so beeinflusst, dass entstehende Lastpendelungen während der Fahrt und beim Anhalten selbständig beseitigt würden, so Lehnert crane intelligence über die Funktionsweise des Systems.

Zur weiteren Ausstattung des Hafens gehört ein Reachstacker von Hyster, der für bis zu 45t schwere Güter ausgelegt ist, Schwerlast-Gabelstapler für 16 beziehungsweise 3,5t, die ebenfalls von Hyster geliefert wurden, Zugmaschinen der Typen Terberg Tugmaster RT222 und Kalmar TR 618 sowie insgesamt 14 schwerlastfähige Trailer von Seacom. Eine 450m2 große Geräte- und Lagerhalle gehört ebenfalls zum Hafen. In der Nähe befindet sich das Gewerbegebiet Rendsburg Port-Süd, eine rund 80ha große Gewerbefläche, die nach Angaben der Rendsburg Port Authority zu Teilen sofort verfügbar ist. Das Gewerbegebiet ist über eine schwerlastfähige Straße direkt mit dem Hafen verbunden.

Kontrolle von über 6.000 Windenergieanlagen

Auch das Unternehmen Senvion ist auf Windkraftanlagen fokussiert. In Osterrönfeld befinden sich die Leitwarte und in Büdelsdorf das Trainingszentrum. Insgesamt hat Senvion, ehemals REpower Systems, rund 6.000 Windkraftanlagen weltweit installiert. Sie alle werden in der Leitwarte überwacht. Jede Anlage sendet mehrmals täglich Zustandsberichte, die unter anderem Windgeschwindigkeit und Temperatur beinhalten. »Kunden erkundigen sich häufig über den Zustand ihrer Windkraftanlagen«, sagt Sabine Meyer, Abteilungsleiterin der Leitwarte und für technisches Training. Pro Monat gingen etwa 12.000 Anrufe von Kunden ein.

Die Störungsbearbeitung läuft größtenteils »remote«, dass heißt, die knapp 60 Mitarbeiter der Leitwarte können sich auf jede Anlage einwählen und Daten zu Drehzahl, Energieproduktion etc. einsehen. »Etwa 70% der Fehler können wir auf diese Weise lösen, ohne vor Ort sein zu müssen«, so Meyer. Dies spare Zeit und Kosten. Alle technischen Systeme der Leitwarte gibt es auch in Büdelsdorf. »Falls ein Feuer ausbricht, übernimmt die zweite Leitwarte binnen 20 Minuten die Funktion«, beschreibt Meyer den Notfallplan. Bei größeren Störungen an den Windkraftanlagen müssen dennoch die Serviceteams ausrücken. Vorab werden sie von der Leitwarte über den aufgetretenen Fehler informiert, sodass sie entsprechende Ersatzteile mitnehmen können.

Mitarbeiter proben den Einsatz

Im Trainingszentrum werden Meyer zufolge jährlich rund 7.500 Personen – Senvion-Mitarbeiter oder Kunden– geschult. Dies beinhaltet auch Pflichtschulungen zu Excel, SAP oder Projektmanagement. Darüber hinaus werden die Mitarbeiter, die vor Ort an den Windparks eingesetzt werden, auf den Ernstfall vorbereitet. Verschiedene Szenarien wie Helikopterabstürze werden trainiert, um im Ernstfall die richtigen, und nicht selten lebensrettenden Entscheidungen zu treffen.

Die Probanden lernen an einem 8,50m hohen Trainingsturm die Absicherung beim Auf- und Abstieg und können in die Nabe eines Windrads hineinklettern, um sich mit dem Arbeiten auf engstem Raum vertraut zu machen. Reparaturen an Offshore-Einrichtungen würden mindestens in einem dreiköpfigen Team durchgeführt, Wartungsarbeiten sogar von bis zu sechs Leuten, sagt Meyer. Die Trainings werden nach den Richtlinien der GWO (Global Wind Organisation) durchgeführt. »Das Hauptaugenmerk legen wir auf kontrollierte Abläufe«, betont Daniel Dicke, der die Trainings entwickelt.


Thomas Wägener