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Die Klassifizierungs­gesellschaft ABS ist weltweit

führend bei der Klassifizierung von

LNG-Frachtern. Auch von Flüssiggas als Kraftstoff zeigen sich

die Amerikaner überzeugt.
Die »Era of Gas« habe nun begonnen, sagt Uwe Bullwinkel, Director of Global Gas Carriers bei ABS (American Bureau of[ds_preview] Shipping). Der weltweite LNG-Handel wachse stark, insbesondere die Exporte aus den USA, Australien und Ostafrika. Das treibe die Fördertätigkeit an, ebenso wie den Schiffbau. Bald sollen die ersten schwimmenden LNG-Produktionsstätten (FLNG) ihre Arbeit aufnehmen.

Seit der Klassifizierung der ersten LNG-Tanker vor über 50 Jahren habe man bei ABS im Bereich Gas eine große Expertise aufgebaut, erklärt Bullwinkel. Die Tanker-Expertise kommt den Ingenieuren nun auch bei LNG-betriebenen Schiffen und Bunker-Barges zugute. Hilfe bietet die Klassifizierungsgesellschaft Schiffbauern schon in der Planungs- und Designphase.

Im März trat mit dem Harvey Gulf Offshore-Versorger das erste US-amerikanische LNG-betriebene Schiff seinen Dienst im Golf von Mexiko an – mit ABS Klasse. Auch die weltweit ersten beiden LNG-Containerschiffe, die TOTE Ende 2015 und Anfang 2016 in Betrieb nehmen wird, haben die Amerikaner klassifiziert.

Abgesehen davon hat TOTE die Umrüstung seiner Flotte auf Gas angekündigt. In Tacoma und Jacksonville soll es bald möglich sein, LNG zu tanken. Anfang des Jahres präsentierte TOTE ein Konzept für eine eigene Bunker-Barge und LNG America arbeitet mit dem Schiffbauer Jensen Marine an einem ähnlichen Projekt für die amerikanische Golfküste.

Mehrere amerikanische Gas-Im- und Exporteure hätten außerdem Interesse, neben ihren Terminals in den Häfen auch Tankstellen für Schiffe zu betreiben, berichtet Stavros Niotis, Engineer Technology & Business Development.

»Never the perfect installation«

Im Schiffsbetrieb ist das verflüssigte Gas in der Handhabung kaum mit Diesel oder Schweröl zu vergleichen. Die größte technische Herausforderung stellt der Boil-Off dar, das Verdampfen des Gases bei Erwärmung. Das ist bei LNG-betriebenen Schiffen vor allem beim Bunkerungsvorgang relevant. Durch vorherige Kühlung von Tanks und Leitungen kann verhindert werden, dass das Gas schon beim Transfer verdampft. Um den Boil-Off-Druck im Schiffstank zu reduzieren gibt es Systementwürfe, in denen der Dampf durch zeitweises einsprühen des LNG von oben wieder kondensiert wird. Die technisch weniger aufwendige Lösung sind Gasrückführungsleitungen, die das Gas zur Bunkerstation oder –Barge zurückleiten.

Im Boil-Off offenbart sich ein weiterer Nachteil von LNG: es muss innerhalb einer gewissen Zeit verbraucht werden, denn es »altert«. Wenn das Gas verdampft, erhöht sich nicht nur der Druck im Tank, es verändert sich auch die Zusammensetzung des Kraftstoffs. Die leichteren Bestandteile verdampfen zuerst, das verbleibende flüssige Gas besteht also aus immer mehr schweren Anteilen. Damit ändert sich der Siedepunkt ebenfalls. Mischen sich beim Bunkern altes und neues Flüssiggas, kann das einen verstärkten oder gar unkontrollierten Boil-Off zur Folge haben.

Eine Schiffsbesatzung muss laut Stavros Niotis, Engineer Technology & Business Development, dann nicht nur in dentechnischen Abläufen geschult sein, sondern auch Verständnis für die physikalischen Prozesse besitzen, um den Kraftstoff wirklich sicher handhaben zu können. »Man hat nie die perfekte Installation«, erklärt er, Boil-Off werde es daher immer geben. Alles in allem seien die grundlegenden technischen Fragen, wie die Prozesse ablaufen müssten, und welche Installationen wo im Schiff liegen dürften, mittlerweile aber geklärt, sagt Mark Penfold, Principal Engineer, Environmental Technology – Compliance. »Das ist done and dusty.«

Standards müssen her

Stavros Niotis sieht die Probleme jetzt eher im Bereich der Standardisierung von Bunkervorgängen und -technologien. »Terminal tank to vessel«, »truck to vessel«, »vessel to vessel« oder »portable tank transfer« heißen die vier gängigen Methoden der Gasbunkerung, je nachdem, welche Infrastruktur im Hafen vorhanden ist oder nicht. Die Vielfalt setzt sich im Detail fort, wenn es etwa daran geht, den Tankstutzen anzuschließen. Hier existiert noch keine internationale Norm. Niotis führt die Bunkerbarge »Seagas« an, die speziell für das Kreuzfahrtschiff »Viking Grace« entwickelt worden sei. »Lösungen wie diese dienen natürlich als Referenz aber es müssen internationale Standards entwickelt werden«, erklärt er. Die Klassifizierungsgesellschaft ist deshalb auch im entsprechenden Komitee der International Organisation for Standardisation (ISO) vertreten.

Doch auch die eventuell noch verbleibenden technischen Fragen scheinen ohnehin nur Peanuts zu sein, im Vergleich zu den noch immer bestehenden Sicherheitsbedenken. In welchem Umkreis dürfen sich während des Bunkerungsprozesses Menschen aufhalten, wo dürfen Gas-, Strom und andere Leitungen verlaufen? Dürfen gleichzeitig Passagiere oder Fracht ein und ausgeladen werden? Wo im Hafen darf überhaupt Gas getankt werden?

So besteht bei manchen Umschlagarbeiten, wie dem Verladen von Containern, erhöhte Gefahr für Funkenschlag. Flüssig ist das Gas nicht entzündlich, verdampft es aber und mischt sich mit Luft, kann schon ein Funke zur Explosion führen.

Beim Zustieg von Passagieren ist dieses Risiko natürlich geringer. Was aber wenn doch etwas passiert? Dann sind viele Menschen in Gefahr, die die entsprechenden Verhaltensregeln nicht kennen. Für Arbeiter birgt das auf -162° C heruntergekühlte, verflüssigte Gas im Falle eines Lecks das Risiko von Erfrierungen. Bei Kontakt kann sogar der konventionelle Stahl des Schiffsrumpfes spröde werden.

»Simultaneous Operation« heißt also das Zauberwort für die meisten Schiffsbetreiber. Was nützen modernste Containerbrücken, die ein Schiff in kürzester Zeit be- und entladen, wenn man anschließend noch vier bis sechs Stunden lang im Hafen liegen muss, um die Treibstofftanks zu füllen? Also hofft man auch bei ABS auf eine baldige Antwort auf diese Frage seitens der relevanten Gremien. Zurzeit gebe es auch noch unterschiedliche Interpretationen der existierenden Codes bei den verschiedenen Klassifikationsgesellschaften, erklärt Penfold

Und es lohnt sich doch

Hohe Investitionskosten – etwa 10% mehr als bei einem konventionellen Neubau – besondere Sicherheitsanforderungen, spezielles Crew Training und die eventuell nicht simultan zu anderen Be- und Entladungsvorgängen mögliche Kraftstoffbunkerung sind zusammen mit der ohnehin längeren Dauer der Betankung alles keine Argumente für den Umstieg. Diese Kosten müssen also an anderer Stelle wieder hereingeholt werden.

Abgesehen von der relativen Umweltfreundlichkeit von LNG – kaum Emissionen von Schwefel, Stickoxiden oder Partikeln, weniger C02 – hat es auf Dauer noch weitere Vorteile: Die Wartungskosten einer gasbetriebenen Antriebsanlage reduzieren sich deutlich, da die Motoren und Leitungen sauber bleiben. Der geringere Verbrauch und die auch auf lange Sicht niedrigeren Kraftstoffkosten zahlen sich über den gesamten Lebenszyklus eines Schiffes aus.

Nach Annahmen von ABS wird der Ölpreis nicht mehr lange auf dem derzeitigen Tiefstand bleiben, sondern schon ab 2016 wieder stetig ansteigen. Beim LNG erwartet die Klassifizierungsgesellschaft dagegen eine starke Verbilligung, spätestens ab 2020. Wenn dann auch weltweit Schwefelgrenzwerte gelten, wird es sich nicht mehr nur für Schiffe lohnen, die vornehmlich in ECAs operieren.M


Felix Selzer