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Auch die Klassifikationsgesellschaften bekommen die Auswirkungen der Entwicklungen auf den Schifffahrtsmärkten zu spüren. Im Branchenreport beschreibt Michael Meyer unterschiedliche Ziele und Herangehensweisen an die Herausforderungen
Die Suche nach größtmöglicher Effizienz, Umweltfreundlichkeit und neuen Märkten gehört für die Akteure zu den wichtigsten Projekten. Ein besonderer Handlungstreiber[ds_preview] ist dabei die Sparsamkeit, die nicht wenige Reedereien in den nach wie vor sehr oft schwierigen wirtschaftlichen Zeiten an den Tag legen (müssen). Außerdem ist die Neubau-Entwicklung zum Teil eingebrochen. So kommt es, dass Klassifikationsgesellschaften mittlerweile relativ viel Arbeit in Maßnahmen für die fahrende Flotte stecken. Im Wettbewerb um Schiffe und Kunden, also Marktanteile, wird auf der Kostenseite dem Vernehmen nach immer mal wieder mit relativ harten Bandagen gekämpft. Hinzu kommt der Bedarf an »Eco Ships«. Auch dafür investieren die Gesellschaften einiges in neue Technologien wie alternative Antriebe, modernes Monitoring der gesamten Anlagen an Bord, effizienzsteigernde Maßnahmen oder künftige Transportrouten. In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Marktanteile entsprechend ein wenig verändert, wie aktuelle Zahlen belegen.

Auch für den internationalen Klassifikationsverband IACS gehören diese Themen in den oberen Bereich der Prioritätenliste. »Wir wollen weiterhin die Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO bei der Identifikation neuer Trends und Entwicklungen unterstützen. Mit der Industrie selbst wollen wir kooperieren, um Verbesserungen im Schiffsdesign und –betrieb zu erreichen«, sagt IACS-Generalsekretär Robert Ashdown.

Die einzelnen Gesellschaften haben und hatten in den vergangenen Monaten zum Teil unterschiedliche Prioritäten.

Beim norwegisch-deutschen DNV GL war das vergangene Jahr stark von der Integration der einzelnen Aktivitäten nach der Fusion geprägt (HANSA 06/2015). Andere Anbieter versuchten zudem – zum Teil erfolgreich – in der Phase der Integration davon zu profitieren und Kunden mithilfe eines verstärkten Marketings vor allem im deutschen Markt zu gewinnen. Die Kundenzufriedenheit steht beim DNV GL sehr weit oben auf der Agenda; neben der nötigen Ausarbeitung eines gemeinsamen Regel-Apparats. »Über 200 Experten haben daran mitgewirkt. Wir haben mit über 700 Kunden gesprochen und deren Reaktionen auf die neuen Regeln berücksichtigt«, sagt Knut Ørbeck-Nilsen. Er hat zum 1. August seinen neuen Posten als CEO von DNV GL – Maritime angetreten. Er folgt auf Tor E. Svensen, der zum Executive Vice President der Gruppe ernannt wurde und ebenso wie Ørbeck-Nilsen an Remi Eriksen berichtet, den neuen President und Group CEO. Vorgänger Henrik O. Madsen ist nach über 30 Jahren planmäßig verabschiedet worden.

»Es gab zuletzt große Schritte in Bezug auf alternative Antriebsarten. Der gesunkene Preis für Batteriesysteme und die Verbesserung der Lagermöglichkeiten an Bord haben dazu beigetragen, dass Hybrid-Systeme eine echte Option geworden sind«, erläutert Ørbeck-Nilsen. Das gelte vor allem für Küstenverkehre und Emissionsschutzgebiete (ECA). Als Beispiel nennt er die komplett elektrisch betriebene Fähre »Ampere« in Norwegen.

Für die Zukunft will man einige Anstrengung in die Stabilisierung der Marktposition legen. »Wir wollen unsere Position als Marktführer halten. Führend bedeutet aber nicht notwendigerweise, die größte Flotte zu haben. Es bedeutet vielmehr, führend in Bezug auf Qualität, Innovation, Sicherheit und Kundenservice zu sein«, meint der neue Maritime-CEO. Nach dem jüngsten Regel-»Tsunami« der IMO sieht er darin eine wichtige Aufgabe. Zu den entsprechenden Bereichen zählt er unter anderem Ballastwasser-Regulierung, Port State Control und eine verstärkte Entwicklung von IT-gestützten Technologien sowie deren Vernetzung zur Verbesserung des »Performance Monitoring«.

Einer der Wettbewerber, die von der Neustrukturierung bei DNV GL profitieren konnten, war ClassNK. 2014 konnte man 548 Neubauten mit zusammen 16Mio. GT gewinnen, nach Angaben der Gesellschaft 25% aller Neubau-Tonnage. Auch in diesem Jahr soll es ein Wachstum geben.

Bei den Japanern wird sehr viel Zeit und Geld in Forschung & Entwicklung neuer Technologien investiert – auch mit Hilfe von Übernahmen (z.B. NAPA aus Finnland für die Designphase von Schiffsentwürfen sowie Helm Operations aus Kanada) und Kooperationsprojekte, wie Executive Vice President Yasushi Nakamura sagt. »Die Eröffnung des ClassNK Global Research and Innovation Center (GRIC) in Singapur, unser erstes außerhalb Japans, war einer der jüngsten Meilensteine für uns«, so Nakamura.

Auch er sieht im Anstieg der vor allem umweltpolitisch motivierten Regulierung und der zunehmenden Bedeutung des Monitoring die wichtigsten Herausforderungen für die Industrie. Bei ClassNK fokussiert man sich auf zwei Bereiche besonders: Zum Einen sollen die Anstrengungen für umwelteffiziente Systeme vorangetrieben werden, sei es durch maßgebliche Beteiligungen an Abgasreinigungsforschung oder Projekten zur Förderung von LNG als Treibstoff. Darüber hinaus arbeiten die GRIC-Experten an Tests für eine Erneuerbare-Energien-Testanlage in Südostasien. Zum Anderen hat die Entwicklung neuer Software für einen effizienteren Schiffsbetrieb hohe Priorität.

Einen Flottenzuwachs um 2,4% (Schiffe) beziehungsweise 8,2% (GT) in zwölf Monaten (Stand April 2015) verzeichnete das American Bureau of Shipping (ABS). Der Anbieter hat in der jüngsten Vergangenheit ebenfalls einige Arbeit in den deutschen Markt investiert. »Wir unterstützen die Industrie dabei, Innovationen und Sicherheit gemeinsam voranzutreiben«, sagt Kirsi Tikka, COO bei der Europe Division. ABS war etwa an der Entwicklung von 1.400-TEU-Containerschiffen mit Dual-Fuel-Antrieb und Ethan-Carriern beteiligt. Ein besonderer Fokus wurde zuletzt auf die arktische Schifffahrt und den von der IMO aufgelegten »Polar Code« gelegt. Daneben gelten auch bei ABS die Regulierungen als Treiber der Aktivitäten. Effizienz und Compliance müssten durch eine holistische Herangehensweise berücksichtigt werden. »Die Industrie muss verstehen, dass es nicht nur um Kostensparen geht, sondern um komplexe Konzepte, in die Sicherheit, Umweltschutz und finanzielle Nachhaltigkeit einfließen«, so Tikka weiter.

Beim Wettbewerber Lloyd’s Register ist man mit den vergangenen Monaten ebenfalls zufrieden. Zu den besonderen Wegmarken zählt COO Nick Brown unter anderem Aufträge für 20.150TEU-Schiffe von MOL. »Wir werden auch weiter einen Fokus auf das ULCV-Segment legen«, sagt Brown. Darüber hinaus wächst die Flotte um weitere 118 Schiffe, da die Reederei Norden für 57 Einheiten und die Ultranav Gruppe für 61 Einheiten entsprechende Verträge unterzeichnet haben. Neben der Arktisfahrt setzt man auf Batterietechnologie als Antriebsart. LR hat nach eigenen Angaben den größten Marktanteil an batteriebetriebenen Schiffen. »Wir wollen die Industrie dabei unterstützen, einen Prüfprozedere zu etablieren. LR ist in viele Projekte involviert um diese Technik effizient, stabil und wirtschaftlich sinnvoll aufzustellen«, erläutert Louise Dunsby, Spezialistin für Elektrotechnologie.

Bureau Veritas verfolgt eine ambitionierte Digitalisierungsstrategie. »Wir wollen die erste vollständig digitalisiete Klassifikationsgesellschaft werden. Dadurch können wir unsere Kosten senken und noch schneller auf Anfragen von Kunden reagieren«, sagt Philippe Donche-Gay, Executive Vice-President und Leiter der Sparte Marine & Offshore. Kurze Reaktionszeiten sind seiner Ansicht nach sehr wichtig für die Reeder, die sich in einem nach wie vor volatilen Marktumfeld befinden. 2015 habe man schon Einiges in diese Entwicklung investiert, was von Kundenseite honoriert worden sei.

Auch darüber hinaus ist Donche-Gay mit dem bisherigen Jahresverlauf zufrieden. Als Beispiele nennt er Aufträge zur Klassifizierung von 15 eisbrechenden LNG-Frachtern, die mit Flüssiggas betriebene neue Tallink-Fähre, 20.000-TEU-Frachter von CMA CGM oder zwei große Kreuzliner von MSC.

Die chinesische Klassifikationsgesellschaft (CCS) legt einen starken Fokus auf die Stabilität von großen Frachtern. Entsprechend wurden zuletzt einige Software-Tools entwickelt, die beim Schiffsentwurf helfen sollen. Sie sind zum Teil auf große Containerschiffe und Bulker der neuesten Generation ausgerichtet. Aber es gibt noch weitere Bereiche, die man auf der Agenda hat. Etwa für die Energieeffizienz den »Optimal Trim Assistant« (OTA) oder das Projekt »G-VCBP«. »OTA wurde bereits auf über 70 Schiffen genutzt. Durchschnittlich konnte eine Treibstoffersparnis von 5% erzielt werden«, sagt CCS-Präsident Sun Licheng. Zudem investieren die Chinesen viel Arbeit in die LNG-Technologie und in Entwicklungen in Richtung der unbemannten Schifffahrt.

Im ökologischen Bereich hat sich unter anderem das Korean Register hervorgetan. Die Klassifikationsgesellschaft einigte sich als erster asiatischer Akteur mit der US Coast Guard darauf, ein Testlabor für Ballastwasseranlagen einzurichten. Hier können entsprechende Anbieter künftig ihre Produkte darauf prüfen lassen, ob sie die strengen amerikanischen Vorschriften einhalten. Zuvor war dies nur in den USA selbst und in Norwegen möglich. Darüber hinaus wurde im Mai das »Green-Ship Equipment Test Certification Center« eröffnet, mit dem die Forschung für ökoeffiziente Schiffe vorangetrieben werden soll. Nicht zuletzt brachte man die 13. Version von »KR-Con« auf den Markt, ein Software-Paket mit einer umfänglichen Datenbank der internationalen Vorschriften. CEO B.S. Park erwartet noch einige schwere Jahre für die Schifffahrtsmärkte: »Davon sind natürlich auch Klassifikationsgesellschaften betroffen. Wir selbst wollen künftig unser Service-Netzwerk weiter ausbauen, um die Qualität unseres Angebots zu verbessern.«

Die italienische Gesellschaft RINA will ihre Marktposition in der Passagierschifffahrt ausbauen. Im RoRo-Fährbereich sei man mit über 300 Einheiten bereits führend, sagt Area Manager Pino Spadafora. Im vergangenen Jahr kamen 80 Schiffe mit zusammen 400.000 GT von nordeuropäischen Eignern neu in das RINA-Register. 2015 waren es bislang über 30. Um im Kreuzfahrtsegment weiter zu wachsen, wird ein neues »Passaenger Ship Centre of Excellence« in Hamburg eröffnet – das zweite nach dem in Genua.

Einen besonders starken Fokus auf die arktische Schifffahrt legt das russische Register RS. So werden etwa bis 2019 insgesamt 15 LNG-Carrier gebaut, die bei bis zu -50° arbeiten können und für das Offshore-Erdgas-Projekt Yamal vorgesehen sind. Bereits sehr frühzeitig sei man in die Entwicklung der Schiffe einbezogen worden, sagt COO Pavel Shikhov. »Das war eine herausfordernde Aufgabe, weil es bislang keine Standardlösungen für die harten Bedingungen gibt.« In Russland entstehen außerdem Nuklear-Eisbrecher – ebenfalls mit RS-Klasse. Shikhov sieht es als eine wichtige Aufgabe seiner Gesellschaft an, zur sicheren Navigation auf der Nordostpassage beizutragen. »Dafür wollen wir unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeit weiter forcieren«, so der Manager.

Wie sich die Märkte in Zukunft entwickeln und wann die von Überkapazitäten geprägten Probleme gelöst werden, können auch die Experten in den Klassifikationsgesellschaften nicht prognostizieren. Die einzelnen Akteure haben sich aber auf die Gegebenheiten eingestellt. Es gibt diverse kleinere und größere Bereiche, in denen noch mehr oder weniger viel Entwicklungsarbeit nötig ist. Das sehen auch die Gesellschaften.


Michael Meyer