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Nach der Einigung im Atomstreit und dem Wegfall zahlreicher Beschränkungen kann die Schifffahrt schrittweise wieder normale Handelsbeziehungen mit dem Iran aufbauen
Was ist geschehen?

Am 14. Juli 2015 haben sich die fünf ständigen Mitglieder der Sicherheitsrats der Vereinten Nationen[ds_preview] (UNSC) USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland und die Europäische Union (EU) (E3/EU+3-Staaten) mit dem Iran nach zehn Jahren Verhandlungen in Wien auf einen »gemeinsamen umfassenden Aktionsplan« (JCPOA) zur Beilegung des seit 2002 andauernden Streits über den friedlichen Charakter des iranischen Nuklearprogramms geeinigt.

Weil der Iran sich trotz seiner Bindung an den Atomwaffensperrvertrag von 1968 beharrlich geweigert hatte, sein Nuklearprogramm von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf eine ausschließlich zulässige friedliche Nutzung der Atomenergie überprüfen zu lassen, war es vom UNSC, den USA und der EU seit 2006 mit immer stringenteren Sanktionen belegt worden. Mit dem JCPOA verpflichten sich der Iran zur ausschließlich friedlichen Nutzung der Kernenergie unter Kontrolle der IAEA sowie die E3/EU+3-Staaten zur Aufhebung der Sanktionen.

Welche Sanktionen gelten?

Das vom UNSC durch eine Reihe von Resolutionen seit 2006 gegen den Iran erlassene Sanktionsregime besteht vor allem aus einem Im- und Exportverbot für Waffen sowie Materialen und Ausrüstung zur Anreicherung von Uran und zur Entwicklung von Nuklearwaffen. Es gilt auch für die Beförderung dieser Materialien mit Seeschiffen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen wie Finanzdienstleistungen, Versicherungen und Maklertätigkeiten.

Die Beförderung unerlaubter Ladung muss durch Kontrollen in den Häfen und gegebenenfalls auf hoher See unterbunden werden. Besteht ein begründeter Verdacht, dass gebannte Güter mit Schiffen iranischer Reeder oder Charterer befördert werden, sind schon deren Bebunkerung und andere Dienstleistungen für sie untersagt. Außerdem gelten die speziell gegen iranische Unternehmen und Personen gerichteten Maßnahmen auch gegen die iranische Staatsreederei Islamic Repub­lic of Iran Shipping Lines (IRISL).

Die USA wenden gegen den Iran ein umfassendes Wirtschafts- und Finanzembargo an, das nicht nur den Im- und Export von Waffen und Materialien zur Anreicherung von Uran und der Entwicklung von Nuklearwaffen verbietet, sondern zusätzlich gegen die iranische Erdöl- und Gasindustrie gerichtet ist.

Verboten sind Investitionen, die Lieferung von Gütern, Dienstleistungen, Technologien sowie die Information und Unterstützung für die Entwicklung der iranischen Mineralölproduktion und der Export von raffiniertem Mineralöl. Das Embargo untersagt ausdrücklich die Seebeförderung der gebannten Güter wie auch die Vercharterung von Schiffen für solche Zwecke. Gleiches gilt für damit zusammenhängende Versicherungs-, Rückversicherungs-, Makler- und Finanzdienstleistungen.

Zur Umsetzung der Resolutionen des UNSC praktiziert auch die EU ein umfassendes Wirtschafts- und Finanzembargo gegen den Iran mit weitreichenden Einschränkungen der maritime Wirtschaft (Import von Öl und Gas, Export von wichtiger Schiffsausrüstung und -technologie, Entwurf und Bau von Fracht- und Tankschiffen, Einflaggung iranischer Schiffe, Klassifikationsleistungen, Versicherungs- und Rückversicherungsleistungen). Wie das US-Embargo geht das EU-Embargo über das UN-Embargo hinaus, indem es den Verkauf, die Lieferung, Weitergabe und Ausfuhr in den Iran bestimmter Schlüsselausrüstung und -technologien für die dortige Öl- und Gasindustrie verbietet.

Da diese EU-Sanktionen jedoch erst einige Monate später in Kraft traten, waren europäische Unternehmen in der Zwischenzeit einem mit Sanktionsandrohung verbundenen extraterritorialen Geltungsanspruch des noch weitergehenden US-Embargos ausgesetzt, selbst wenn sie keinerlei Bezug zu den USA hatten. Es zu beachten, war ihnen jedoch nach Völkerrecht und EU-Recht untersagt und hätte Schadenersatzansprüche auslösen können. Bereits während der Verhandlungen über den JCPOA hat die EU bestimmte Sanktionen ausgesetzt, darunter das Verbot des Imports von Öl aus dem Iran sowie damit zusammenhängende Beförderungs- und Versicherungsleistungen.

Da die Embargos aktuell nicht jeden Seeverkehr mit dem Iran untersagen, müssen sie zur Vermeidung von Strafen, Bußgeldern oder Schadenersatzansprüchen schon bei der Gestaltung von Fracht- und Charterverträgen sorgfältig berücksichtigt werden.

Wie geht es weiter?

Der JCPOA sieht vor, dass alle auf das iranische Nuklearprogramm bezogenen wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, wenn die IAEA bestätigt, dass der Iran seine Verpflichtungen zur Sicherstellung der ausschließlich friedlichen Nutzung der Atomenergie erfüllt hat.

Der Iran erhält also keinen Vertrauensvorschuss, sondern muss in Vorleistung gehen. Andernfalls bleiben die Sanktionen bestehen oder werden neu beschlossen. Bestimmte Sanktionen (darunter die Einfuhr und Beförderung von Rohöl und Rohölerzeugnissen, die Bereitstellung damit zusammenhängender Versicherungen und Rückversicherungen, der Import und Beförderung von petrochemischen Produkten) wurden bereits bis zum 14. Januar 2016 ausgesetzt.

Die einzelnen Schritte zu seiner Umsetzung sind in einem Ablaufplan genau festgelegt und die aufzuhebenden Sanktionen der UN, der USA und der EU noch einmal im Einzelnen genau aufgelistet. Streitigkeiten über die Umsetzung des JCPOA sollen in einem festgelegten Zeitplan in einer Gemeinsamen Kommission und gegebenen falls auf höherer Ebene in einem Beirat der Parteien behandelt werden.

Erster Schritt bereits erfolgt

Am 20. Juli 2015 hat der UNSC den JCPOA mit der einstimmig beschlossenen Resolution 2231 (2015) gebilligt und die UN-Sanktionen vorbehaltlich einer förmlichen Bestätigung der IAEA aufgehoben, dass der Iran seine Verpflichtungen erfüllt hat. Wenn die Resolution am 20. Juli 2023 ausläuft, soll die Thematik endgültig von der Tagesordnung des UNSC genommen werden. In einem zweiten Schritt müssen die EU und die USA innerhalb der folgenden 90 Tage, also bis zum 18. Oktober 2015, die gelisteten wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen aufheben und ihr übriges Sanktionsrecht gegen den Iran dem JCPOA anpassen.

Weitere die maritime Wirtschaft nur marginal berührende Sanktionen gegen den Iran werden acht Jahre später, also am 20. Juli 2023, oder – wenn es ein Bericht der IAEA erlaubt – noch früher aufgehoben. Nach zehn Jahren sollen auch die letzten Sanktionen auslaufen.

Zur Umsetzung des JCPOA in der EU bedarf es lediglich einer Verordnung des EU-Rats zur partiellen Aufhebung und Modifikation der geltenden Embargo-Verordnung unter dem Vorbehalt der Erfüllung der Verpflichtungen Irans. In den USA kann der Präsident die auf die Nutzung der Atomenergie bezogenen Sanktionen nach Beschlussfassung des Kongresses aufheben. Für den Fall, dass der Kongress den JCPOA ablehnen sollte, hat er bereits sein Veto angekündigt.

Werden die noch ausstehenden Rechtsakte der EU und der USA bis Mitte Oktober verabschiedet und beginnt der Iran unverzüglich mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen, können die Seeschifffahrt und die übrige maritime Wirtschaft also mit einer Wiederaufnahme normaler wirtschaftlicher Beziehungen mit dem Iran ab Januar 2016 rechnen.

Dr. Hans-Heinrich Nöll

Rechtsanwalt

e-mail: radrnoell@yahoo.de


Dr. Hans-Heinrich Nöll