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Der Südwesten Finnlands beheimatet Schiffbauer, Ausrüstungshersteller, »turn-key«-Anbieter, Designer und Software-Entwickler. Aus europäischer Sicht ist die Region für den Kreuzfahrtschiffbau interessant.
Die Spezialgebiete der finnischen Schiffbauer sind heute Offshore- und Spezialschiffe, Eisbrecher, Fähren und Kreuzfahrtriesen. Was letztere angeht, kommt man zurzeit[ds_preview] auch in Finnland kaum um die Meyer Werft herum. Im April hatte der deutsche Schiffbauer das Unternehmen im finnischen Turku zu 100% übernommen. Bereits vorher hielten die Papenburger 70% der Anteile. Mit Aufträgen für TUI Cruises und Costa Crociere ist Meyer Turku bis 2020 gut ausgelastet. »Wir wollen keine Werft sein, sondern eine Schiffsfabrik«, sagt CEO Jan Meyer.

Die Voraussetzungen in Finnland sind andere als am Standort in Papenburg. Allein um die Schiffssektionen mit Farbe zu versehen, gibt es in Turku fünf temperierte Hallen, damit die Farbe auch im langen und harten skandinavischen Winter unter idealen Bedingungen verarbeitet werden kann. Dafür gibt es kein überdachtes Baudock wie in Papenburg. Angesichts der extremen Temperaturen in Skandinavien wäre so ein Bau natürlich hilfreich, aber solch eine Investition sieht Meyer nicht. »Das wäre einfach zu teuer. Die Bauprozesse hier sind gut an den Winter angepasst, das Schiff wird eingepackt und geheizt.« Das funktioniere eigentlich so gut, dass man keine Halle brauche. »Wir möchten investieren, aber wir sind sehr vorsichtig«, so der CEO. Man wolle in Turku nicht etwas machen, nur weil man es in Papenburg so gemacht habe.

Die finnische Werft tut sich auch mit der Umsetzung innovativer Konzepte hervor. Für die Carnival-Gesellschaft Costa Crociere entstehen bis 2019 und 2020 zwei LNG-betriebene Kreuzfahrtriesen, bereits 2017 steht die Ablieferung einer mit Flüssiggas betriebenen Fähre für Tallink an. »Das ist unser Weg, um wettbewerbsfähig zu sein«, sagt Meyer. »Wir bewegen uns in einem hochspezialisierten Bereich, in den uns nicht so viele folgen können«. Mit Blick auf China sagt er: »Wir müssen es schaffen, immer einen Schritt voraus zu sein.«

Spezialisten für das Interieur

Nur 15 bis 20% eines Kreuzfahrtschiffs kommen von der Werft selbst. Das meiste besorgen Zulieferer, so auch den Innenausbau. Almaco ist eines der Unternehmen in Turku, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben. 1998 gegründet, kaufte die Firma vor sieben Jahren die Passenger Division von MacGregor. Heutet bietet Almaco Komplettlösungen in Sachen Unterbringung für Kreuzfahrtschiffe, Fähren und Offshoreanlagen, bei einem Jahresumsatz von 100Mio. €. Auf der Papenburger Meyer Werft haben die Finnen eine Vertretung eingerichtet. Neben Neubauten kümmert man sich auch um den Bereich After Sales, also Ersatzteile, Modernisierungen und Unterhalt. Während Almaco vor allem in Deutschland und Frankreich erfolgreich ist, erweisen sich andere Standorte mit Kreuzfahrtschiffbau wie Italien oder die Heimat Finnland noch als harte Nüsse. Den Vorteil seines Unternehmens sieht Björn Stenwall, President Marine Division, aber ohnehin in der örtlichen Ungebundenheit. Gerade größere Werften hätten oft ihre eigenen Kabinenwerkstätten oder arbeiteten mit Unternehmen, die ihre Produktion in der Nähe haben. »Almaco kann dagegen in Finnland bauen oder in Singapur, ganz egal«, erklärt er. Mit der Komplettübernahme der Werft in Turku durch Meyer hofft er nun auf einen besseren Stand. »Schließlich ist ja auf allen Meyer-Schiffen irgendetwas von uns.«

Die Finnen arbeiten auch eng mit den Eignern zusammen. »Die Schiffe werden immer jünger und die Eigner fällen schnelle Entscheidungen«, sagt Mikael Liljeström, President Offshore Division. Selbst auf den neuen Schiffen »Anthem of the Seas« und »Quantum of the Seas« habe es schon Renovierungen gegeben. Fünf Jahre bis zur ersten Überholung gelten heute nicht mehr.

Gerade wegen dieser Schnelllebigkeit bilden komplett ausgestattete »Accomodation Blocks« das Rückgrat der Firma, erklärt Liljeström. Die Kabinen werden als eine Art Container zusammengebaut, ausgestattet und müssen dann nur noch in den Rumpf gehoben und an die Versorgung angeschlossen werden. Zwar seien es immer noch für jedes Schiff Einzelanfertigungen, aber immerhin habe man bei den letzten Meyer-Schiffen die Zahl der unterschiedlich bemessenen Kabinen auf insgesamt drei bis vier reduzieren können. Das gleiche Prinzip wendet das Unternehmen auch für Offshoreplattformen, Bohrschiffe oder zuletzt sogar für ein Hotel an Land an.

Während Almaco vor allem auf internationaler Ebene aktiv ist, arbeitet ein anderes Unternehmen aus Turku eng mit der Meyer Turku Werft zusammen. NIT Naval Interior Team hatte sich nach der Gründung im Jahr 2000 zunächst auf die florierende heimische Schiffbauindustrie konzentriert. Durch die Wirtschaftskrise 2008 war man jedoch gezwungen, sich ebenfalls international zu orientieren. Heute arbeiten die Finnen mit Werften auf der ganzen Welt zusammen.

Hinter den schicken Innendesigns, Gastrobereichen, Wellness Areas, den modernen Küchen, Klimaanlagen und Elek­troinstallationen verbirgt sich noch ein echter Werkstatt- und Bastlercharakter. In einer Werkstatt in Turku werden die Designs für Prototypen umgesetzt, Materialien getestet und nach Kundenwünschen verändert. Dabei gibt es durchaus Unterschiede in den Materialvorlieben bei den Kunden. »Die Amerikaner lieben Marmor, die Europäer mögen es eher schlichter«, erklärt Geschäftsführer Jari Suominen.

Ohne Referenzen geht nichts

Aus dem etwas weiter nördlich gelegenen Rauma kommen die Azimuth-Antriebe von Steerprop. Systeme mit bis zu 25.000 kW sind im Angebot, ein Steckenpferd bilden gewaltige Ruderpropeller für Eisbrecher. Steerprop steckt viel Arbeit in die Entwicklung von ziehenden Propellern oder gegenläufigen Doppelschrauben. Das Unternehmen hat dabei auch Kreuzfahrtschiffe im Blick. Bisher hat man in diesem Segment einen Antrieb für die bei Fincantieri gebaute RoPax-Fähre »F.A. Gauthier« geliefert. Supply Chain Manager Jukka Mäkilä hofft, dass nach der Indienststellung dieses Schiffs in Kanada der Einstieg in den Kreuzfahrermarkt gelingt. Ohne Referenzen sei das schwer, aber es gebe schon ein Projekt mit Meyer Turku, verrät er.

Da Steerprop nicht so günstig sein kann wie andere, hat man sich auf besonders anspruchsvolle Anwendungen verlegt – Marktsegmente, in denen keine Standardlösungen gefragt sind. Es gibt keine eigene Produktion; in der großen Werkhalle, die das Unternehmen im Hafen von Rauma nutzt, werden die Antriebe in Einzelteilen angeliefert, zusammengebaut, getestet und verschickt. »So können wir uns voll auf Design und Know-how konzentrieren«, erklärt Mäkilä.
Felix Selzer