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Die Nordrange-Häfen stehen unter dem Einfluss von ökonomischen Schwankungen, »neuen« Wettbewerbern und dem Schiffsgrößentrend. Experten raten zu Investitionen in die Infrastruktur. Die deutschen Container­umschlagplätze verloren im ersten Halbjahr an Boden.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hatten im ersten Halbjahr bei den drei großen Konkurrenten Rotterdam, Antwerpen und Hamburg unterschiedliche Folgen. Der Wettbewerb[ds_preview] um Liniendienste und Ladung ist hart. Was die Häfen gemeinsam haben, sind die Herausforderungen der gar nicht so fernen Zukunft. Die vieldiskutierte Entwicklung zu immer größeren Containerfrachtern mit über 20.000TEU Stellplatzkapazität erzwingt nach Ansicht von Experten große Investitionspakete zur Ertüchtigung der Infrastruktur – zumindest in den Häfen, die auch künftig zu den ganz Großen am Kontinent zählen wollen.

»Terminalbetreiber haben gar keine andere Chance als substanzielle Investitionen zu tätigen, um die immer größeren Frachter abfertigen zu können – und zwar ohne Gewissheit, dass die Reedereien dafür zahlen«, schreiben die Analysten von Dynamar. Betroffen werden die Nordrange-Häfen definitiv sein, weil die allermeisten der schon fahrenden und bestellten Schiffe mit mindestens 18.000TEU im Fernost-Europa-Verkehr eingesetzt werden.

Die Carrier würden heutzutage 6.000 Containerbewegungen pro Tag und Frachter erwarten. Dagegen steht die Annahme der Terminalbetreiber, dass 3.500 »Moves« derzeit das Maximum seien, heißt es im aktuellen Marktbericht. Das wirkt sich auf den Hafenbetrieb aus. Nicht zufällig häuften sich in der jüngeren Vergangenheit Probleme mit Verstopfungen und zum Teil großen Verzögerungen. Vor allem die Breite der ULCS (Ultra Large Container Ship) sei eine kritische Größe.

In den Häfen gibt es bereits einige Expansionsprogramme: in Fahrwasservertiefungen, Kajenlängen, Containerbrücken oder Terminalfläche. Prinzipiell existieren an diversen Standorten auch bereits Möglichkeiten zur Abfertigung von ULCS – bei Dynamar werden etwa Rotterdam, Hamburg oder auch Wilhelmshaven genannt.

Als vielleicht wichtigste und nahezu einzige Möglichkeit, die Forderungen der Reeder zu erfüllen, sehen die Experten eine weit stärkere Automatisierung des Umschlagbetriebes. »Anders als bei einem Hafenarbeiter in der Krankabine, treten bei automatischem Betrieb keine Rückenprobleme, Müdigkeit, Pausen oder Konzentrationsschwächen auf«, schreiben die Analysten.

Der Branchendienst Drewry hat für die Hafenindustrie ebenfalls einen umfassenden Investitionsbedarf identifiziert. Zwar bezieht man sich auf die weltweite Branche. Die Kernaussage lässt sich jedoch problemlos auch für einen Detailblick auf Nordeuropa lesen: »Die Terminalbetreiber stehen vor großen Herausforderungen, die aus dem Trend zu immer größeren Schiffen und der Bildung größerer Linien-Allianzen resultieren. Diese Faktoren haben signifikante Konsequenzen für die Betriebskosten und den Investitionsbedarf«, schreibt Neil Davidson.

Rückgänge in Deutschland

Wie und ob sich die Marktanteile verschieben, ist nicht mit Gewissheit vorhersehbar. Belegen lässt sich allerdings ein recht gemischtes Bild für das erste Halbjahr – zu Lasten der deutschen Standorte Hamburg und Bremerhaven.

Rotterdam ist weiter unangefochten die europäische Nummer eins. Von Januar bis Juni gingen 6,2Mio. TEU über die Kaikanten. Das entspricht einem Plus von 3,7%. Ursächlich dafür sind nach Meinung der Verantwortlichen vor allem die leichte Erholung der europäischen Wirtschaft sowie eine Zunahme im Transshipment-Verkehr (+6,6%). Die durch Wirtschaftssanktionen gegen Russland eingefahrenen Verluste im Ostsee-Verkehr konnten durch ein im Zuge des Wirtschaftswachstums in Großbritannien erzieltes Plus aufgefangen werden. Einen weiteren Vorteil sieht man darin, dass die Zahl der »Second Calls« von Schiffen mit mindestens 10.000 Standardcontainern – wenn in Rotterdam zu Beginn der Europa-Anläufe gelöscht und vor der Rückreise nach Asien wieder geladen wird – von 35 auf 90 stieg. Positiv wirkte sich außerdem die Inbetriebnahme neuer Terminalkapazitäten an der Maasvlakte 2 aus.

An zweiter Stelle folgt der belgische Hafen Antwerpen. Der Schelde-Standort hat Hamburg im ersten Halbjahr überholt: mit einer Zunahme um 9,5% auf 4,8Mio. TEU. Begründet wird dies mit Effekten aus der Entwicklung bei den Linien­allianzen.

Erst danach rangiert Hamburg auf Rang drei. 4,5Mio. TEU bedeuten einen Rückgang um 6,8%. Das liegt vor allem am schwachen Außenhandel der beiden führenden Handelspartner China und Russland. Während es im China-Verkehr ein Minus um 10,9% auf 1,3Mio. TEU hinzunehmen gab, verzeichnete man im Russland-Verkehr mit 212.000TEU sogar einen Einbruch um 35,9%.

Sehr gut entwickelte sich hingegen der Hinterlandverkehr: 2,9Mio.TEU bedeuten eine Steigerung um 2,3% und einen neuen Rekord.

Sorgen bereitet der Organisation Hafen Hamburg Marketing die nach wie vor nicht gesicherte Elbvertiefung. »Das Ergebnis zeigt, wie wichtig es ist, die Fahrrinnenanpassung zur besseren Abfertigung besonders großer Schiffe zu realisieren, damit auch weiterhin Transshipmentladung in großen Mengen nach Hamburg kommt und nicht bereits in anderen Nordrange-Häfen umgeschlagen wird. »Wir befinden uns vor dem Hintergrund neuer Umschlagkapazitäten in der Nordrange in einem intensiven Wettbewerb mit Großhäfen wie Rotterdam und Antwerpen«, sagte Vorstand Axel Mattern bei der Bilanz-Vorlage. Er wies zudem explizit auf die Beobachtung hin, das ein insgesamt schwächelnder Container­umschlag und vereinzelte Direktdienste in die Ostseeregion diesen Wettbewerb zusätzlich erhöhen.

Der Weser-Standort Bremerhaven erlitt ebenfalls Einbußen. Europas viertgrößter Containerumschlagplatz meldete für das erste halbe Jahr 2,7Mio.TEU; ein Minus von 3,5%.

Neue Konkurrenten

Ein Wettbewerbsfaktor dürften für die Nordrange-Standorte die »neuen« Ostsee-Hubs sein. Bei Dynamar gelten Aarhus in Dänemark, Göteborg in Schweden und nicht zuletzt Gdansk in Polen als aufstrebende Konkurrenten zu den Hubs an der Nordseeküste. Alle drei Häfen werden von Direktanläufen im Fernost-Europa-Verkehr bedient. Das Terminal DCT Gdansk hat seit 2010 Maersk Line als Kunden und fertigt dessen 18.000-TEU-Einheiten ab. Ende 2016 soll eine Erweiterung den Betrieb aufnehmen (siehe Artikel »Polnisch-australisches Erfolgsprojekt«, Seite 83).

Göteborg wird seit Ende August sogar von einem zusätzlichen Direktdienst der G6-Allianz angelaufen – seitdem legt im Rahmen dieses Services wöchentlich ein 14.000-TEU-Frachter im wichtigsten schwedischen Containerhafen an.

Allerdings mussten auch die Ostsee-Standorte den weltwirtschaftlichen Entwicklungen Tribut zollen. So verzeichnete Göteborg ein Halbjahres-Minus um 1% auf 418.000TEU. DCT Gdansk verlor sogar 19% und sackte auf 600.000TEU ab, vor allem aufgrund der Wirtschaftssanktionen gegen Russland.


Michael Meyer