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Der Jubiläumscharakter des 25. Niedersächsischen Hafentages fand nur am Rande Erwähnung. Im Mittelpunkt standen handfeste Themen: der Ausbau der Infrastruktur insbesondere im Norden und die Hinterlandanbindung der norddeutschen Häfen
Mit dem Tagungsort Oldenburg, wohin rund 350 Gäste aus Politik und Wirtschaft kamen, hatten die Veranstalter einen Schnittpunkt zwischen den[ds_preview] Seehäfen und dem Hinterland gewählt. »Der Hafen- und Logistikstandort Deutschland muss dafür Sorge tragen, dass die Wasserstraßen für die moderne Tonnage schiffbar bleiben«, wurde Inke Onnen-Lübben, Geschäftsführerin der Seaports of Niedersachsen, schon in ihrer Begrüßung in der Agravis-Halle deutlich. Sie verwies dabei vor allem auf die dringend erforderlichen Fahrrinnenanpassungen von Ems und Weser. Insgesamt brauche Deutschland funktionierende Seehäfen als Drehscheiben für den Im- und Export.

Oldenburgs Bürgermeister Jürgen Krogmann ließ es nicht bei netten Worten bewenden. Nachdem die Erstellung eines neuen Wendebeckens in der Hunte planungsrechtlich gesichert und der Beginn der Bauarbeiten für das kommende Jahr terminiert werden konnte, baut er auf weitere Ziele. »Ich möchte an alle Akteure appellieren, auch die Binnenschifffahrt im Norden weiter zu stärken.« Den Küstenkanal für mehrlagigen Containerverkehr auszubauen und die gesamte Strecke zu ertüchtigen seien sicher große Herausforderungen.

Lohnende Anstrengungen

Olaf Lies, Niedersachsens Wirtschaftsminister, betonte die Wertigkeit der Seehäfen. Durch sie würden bundesweit fast 100.000 Arbeitsplätze gesichert, nicht mitgerechnet die direkten Jobs in den Häfen. Insofern sei Niedersachsen bereit, in diese wirtschaftlichen Lebensadern weiter zu investieren. Dazu müsse aber auch der Bund bereit sein. Dass sich die Anstrengungen lohnten, zeige sich am Beispiel Siemens. »Die Ansiedlung in Cuxhaven ist gar nicht hoch genug einzuschätzen«, so der Minister. Ohne die vorherige Ertüchtigung der Hafeninfrastruktur, so Lies, hätte sich Siemens nicht für Cuxhaven entschieden.

Mit Blick auf den notwendigen Ausbau der Infrastruktur verwies er auf die Diskussionen zum Bundesverkehrswegeplan, der die Verkehrspolitik für die nächsten 15 Jahre festschreibe: Bei der Diskussion müsse deutlich werden, dass »jetzt der Norden dran« sei. Neben dem dringend erforderlichen Ausbau der Küstenautobahn A 20 sei auch der Ausbau von Wasserwegen wichtig. »Wir brauchen den Neubau der neuen Schleuse in Lüneburg«, gab Lies ein klares Signal an den Bund zum Ausbau des Elbe-Seitenkanals. »Wir wollen dort das übergroße Gütermotorschiff bis 135m Länge und nicht bis 2052 darauf warten müssen.« Die Schleuse werde schon bis 2025 gebraucht.

Hinterherhinken im Hinterland?

Auch die Weser müsse auf ein wirtschaftlich nötiges Maß gebracht werden. »Wir brauchen keine weiteren Simulationen für die Mittelweser«, so Lies. Nach dem Ausbau der Schleuse Minden dürfe nicht auf halber Strecke stehengeblieben werden. Und Einbahnverkehr gehe auch nicht, damit könne keine Reederei wirtschaftlich arbeiten und im Wettbewerb mit Straße und Schiene bestehen. Erst jüngst hatte der Wirtschaftsminister bei einer Bereisung die Unzulänglichkeiten der heutigen Situation in Augenschein genommen.

Um das Thema Hinterlandanbindung ging es auch Gerd Deimel, der in Oldenburg als Vorsitzender des Deutschen Seeverladerkomitees im BDI (DSVK) und Sprecher der VCI-Initiative »Verkehrsinfrastruktur« auftrat. Deimel, bekannt für klare Positionen und Aussagen, stellte unter der Überschrift »Krönen Vor- und Nachlauf den Hauptlauf? Oder hinken wir im Hinterlandverkehr hinterher?« deutliche Forderungen. »Um die Exportstärke in Zukunft weiter halten zu können«, so Deimel, »sind die deutschen Unternehmen auf ein höchst effizientes, konzeptionell gut vernetztes System von See- und Binnenhäfen sowie von Wasserstraßen angewiesen.« Dazu gehöre auch ein gut ausgebautes Schienen- und Straßennetz im Hinterland.

Angesichts des prognostizierten Wachstums im Seeverkehr mahnte der DSVK-Vorsitzende alle Akteure in der maritimen Lieferkette, alles zu unternehmen, um die zunehmenden Volumina reibungslos abzuwickeln und weitere Überbelastungen der Verkehrssysteme zu vermeiden. »Deutschland und Europa brauchen eine bessere strategische Priorisierung und Vernetzung hafenrelevanter Verkehrsin­frastruktur. Zugleich muss es jedoch auch gelingen, die Infrastruktur effizienter zu nutzen und die Lieferkette gemeinsam zu optimieren«, so Deimel. Die Schaffung einer passenden Binnenwasseranbindung durch den Bund für den Tiefwasser-Containerterminal am JadeWeserPort wäre dabei wünschenswert.

Vor dem Hintergrund, dass nach einer Prognose der Seehafen-Hinterlandverkehr bis 2030 um rund 50% zulegen werde, müssten die Binnenhäfen einen großen Teil dieses Zuwachses verarbeiten. »Da ist noch Potenzial nach oben«, resümierte Deimel. Das bedürfe aber der nötigen Infrastruktur. Dann könnte die deutsche Industrie auch mehr mit dem umweltfreundlichen Binnenschiff transportieren, so wie es das europäische Weißbuch vorsehe. Der Güterzuwachs aus Nordrhein-Westfalen zu den deutschen Seehäfen im Norden werde von 29% auf 37% steigen. Deshalb seien alle Verkehrsträger und Hafenangebote zu nutzen und deren Kapazitäten auszuschöpfen – von den Binnenhäfen an den großen Strömen über die Häfen am deutschen Kanalnetz bis zu den Seehäfen.

Telematik für bessere Prozesse

Doch nicht nur in der Infrastruktur mangele es, kritisierte Deimel. Nötig seien ebenso deutlich verbesserte Prozessabläufe in der Logistikkette. »Eine optimierte, von Prozessdaten getriebene Abstimmung und Steuerung der Hafen-Hinterlandverkehre kann dazu beitragen, die knappen Kapazitäten zum Beispiel an den Schleusen und Hafenplätzen noch besser auszuschöpfen.« Dazu gehöre ohne Zweifel aber auch, dass die Binnenschiffe im Vorlauf eine adäquate Gleichbehandlung beim Umschlag in Seehäfen bekämen. Sie dürften nicht gegenüber Seeschiffen deutlich benachteiligt werden und wie in den Westhäfen bis zu 90 Stunden warten müssen. »Das ist kostbare Zeit, die Geld verschlingt«, wurde Deimel deutlich. Letztlich dürfe die Binnenschifffahrt nicht zusätzlich mit Abgaben belastet werden. Stattdessen sei darüber nachzudenken, Anreize für Binnenschiffstransporte zu entwickeln.
Hermann Garrelmann