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Knapp 650 Aussteller haben bei der »Husum Wind« Produkte und Dienstleistungen rund um die Windenergie präsentiert. Nach der Einigung mit Hamburg stellte die Messe erstmals den heimischen Markt ins Zentrum.
Willkommen zuhause: Mit diesem Slogan begrüßte die »Husum Wind« Mitte September ihre Gäste an der nordfriesischen Küste. Ihren 25. Geburtstag[ds_preview] hatte die Messe 2014 nach Beendigung der langjährigen Querelen um den zukünftigen Austragungsort noch bei der »WindEnergy Hamburg« in der Elbmetropole feiern müssen. Nun traf sich die Windbranche erstmals seit drei Jahren wieder in Husum, wenn auch in deutlich abgespeckter Form. Angesichts des neuen Messekonzepts, laut dem in den ungeraden Jahren in Husum der Fokus auf dem heimischen Markt liegt, während sich Hamburg in den geraden Jahren dem internationalen Markt widmet, werteten die Veranstalter die Zahl von knapp 650 Ausstellern bei erwarteten 20.000 Besuchern (2012: 1.123 Aussteller, 30.015 Besucher) jedoch als vollen Erfolg.

»Die Legende lebt«, verkündete Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig in seiner Eröffnungsrede und begrüßte den Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch augenzwinkernd »bei der Mutter aller Windmessen«. Um die Energiewende zum Erfolg zu bringen, seien sowohl der weitere Ausbau der Windenergie als auch der Bau neuer Stromnetze erforderlich, betonte Albig.

Ein Thema, das die Branche derzeit besonders beschäftigt, ist der anstehende Systemwechsel hin zu Ausschreibungen, in deren Rahmen künftig die Höhe der Vergütung von Erneuerbare-Energien-Anlagen bestimmt werden soll. »Ich bin mir im Klaren darüber, dass wir ihn mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl umsetzen müssen«, sagte Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der die Schirmherrschaft für die Messe übernommen hatte. »Nur, wenn der Übergang zu den Ausschreibungen gut gelingt, werden wir weiterhin einen stabilen Ausbau der erneuerbaren Energien haben.« Verlässliche politische Rahmenbedingungen forderte denn auch Matthias Zelinger, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Power Systems. Mehr als 130.000 Arbeitsplätze hingen in Deutschland an der Onshore-Windenergie, weitere 20.000 an der Offshore-Windenergie. »Basis für diese gute Verfassung ist ein guter Heimatmarkt«, machte Zelinger deutlich.

Wenngleich der Fokus in Husum traditionell auf dem Onshore-Sektor liegt, war auch die Offshore-Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette vertreten: Turbinenhersteller präsentierten sich ebenso wie Hersteller von Fundamenten, Anbieter von maritimen Dienstleistungen, Projektentwickler und Komponentenzulieferer. Mit einem Gemeinschaftsstand waren Niedersachsen Ports und Seaports of Niedersachsen angereist, um mit vereinten Kräften für die Hafenstandorte ihres Landes zu werben. Wenige Wochen nach der Ankündigung von Siemens, in Cuxhaven eine Produktionsstätte für Offshore-Maschinenhäuser bauen und 1.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen (HANSA 9/2015), war die Freude bei den Verantwortlichen unvermindert groß. »Wir sind sehr froh, dass das geklappt hat«, sagte Joachim Birk, Marketingleiter bei Niedersachsen Ports. Einer der Hauptgründe für die Standortwahl von Siemens sei gewesen, dass die benötigte Infrastruktur am Cuxhavener Offshore-Terminal 2 schon weitestgehend vorhanden sei. Es müsse jetzt nur noch eine RoRo-Rampe für den Abtransport der Gondeln gebaut werden: »Und das werden wir bis zum geplanten Produktionsstart Mitte 2017 schaffen«, so Birk.

Eine Halle weiter am Cuxhaven-Stand zeigte sich auch Hans-Joachim Stietzel, Leiter der Agentur für Wirtschaftsförderung Cuxhaven, gut gelaunt. Das Grundstück, auf dem sich Siemens ansiedeln werde, sei schon 2011 hergerichtet und mit einer schwerlastfähigen Kai- und Hafenanlage versehen worden: ursprünglich noch für den Strabag-Konzern, der auf dem Gelände Schwerkraftfundamente produzieren wollte, sich dann aber von seinen Plänen verabschiedete. »Damals war das bitter«, stellte Stietzel fest. »Aber heute muss man sagen: Ohne Strabag hätten wir jetzt Siemens nicht.«

Einen eher zurückhaltenden Blick in die Zukunft warf Dirk Briese vom Marktforschungsinstitut Windresearch. Zwar werde die Windindustrie auf absehbare Zeit ein Wachstumsmarkt bleiben, berichtete er – das Wachstum werde aber sowohl onshore als auch offshore in den kommenden Jahren deutlich geringer ausfallen als zuletzt. Angesichts der Zurücknahme der politischen Ausbauziele und Unsicherheiten bezüglich des künftigen Ausschreibungssystems sei mit einer weiteren Konsolidierung der gesamten Branche zu rechnen. »Die Bundesregierung will die Kosten senken, konterkariert dieses Ziel aber durch ihr eigenes Handeln«, so Briese. Insbesondere in der Offshore-Branche könne es nur dann zu Kostenreduzierungen kommen, wenn die Produktionsstätten der Hersteller kontinuierlich ausgelastet seien. In diesem Zusammenhang wiederholte der Marktanalyst seine Einschätzung, dass der geplante Bau des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) mit dem neuen Ausbauziel von 15 GW bis 2030 nicht sinnvoll sei. »Und die Entscheidung von Siemens, nach Cuxhaven zu gehen, verschärft die Ausgangslage für Bremerhaven noch.«

Bremerhaven hält an OTB fest

Das sieht man bei der für die Umsetzung des OTB zuständigen Hafenmanagementgesellschaft bremenports naturgemäß ganz anders. Die Bremer Landespolitik habe sich jüngst noch einmal eindeutig zu dem Projekt bekannt, betonte Geschäftsführer Horst Rehberg. »Politik muss in anderen zeitlichen Dimensionen denken als die Privatwirtschaft. Eine Infrastrukturmaßname wie diese kann sich nicht in zwei oder drei Jahren rechnen.« Er gehe davon aus, dass die Bundesregierung die Zielmarke von 15 GW irgendwann wieder erhöhen werde, weil die Energiewende ohne ein ausreichendes Maß an Offshore-Windenergie nicht machbar sei. Und dass Siemens sich für Cuxhaven entschiede habe, sei für den OTB sogar gut. »Natürlich wäre Bremerhaven für uns besser gewesen«, so Rehberg. »Aber die Ansiedlung stärkt die gesamte Region – und vor allem zeigt sie, dass eine fertige Infrastruktur die Voraussetzung für Industrieansiedlungen ist.« Schon jetzt verfüge Bremerhaven mit Adwen und Senvion über zwei Turbinenproduzenten und mit Powerblades über einen Hersteller von Rotorblättern. Die neue Hafenanlage werde ab 2019 alle Möglichkeiten für weitere Ansiedlungen bieten.

Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand eine offizielle Entscheidung über den künftigen Betreiber des öffentlich finanzierten OTB kurz bevor. Mit der BLG war zuletzt nur noch ein Bewerber im Rennen. Der Planfeststellungsbeschluss und die Benennung einer Baufirma seien für November oder Dezember geplant, so Rehberg. Vermutungen, dass die schon vor Jahren angekündigten Baukosten von 180Mio. € deutlich überschritten werden könnten, trat der bremenports-Geschäftsführer entschieden entgegen. »Zuerst war das nur eine Kostenschätzung, aber seit Anfang des Jahres liegt uns eine detaillierte Kostenberechnung vor. Die Summe ist nach wie vor aktuell, und sie beinhaltet schon Preissteigerungen und einen Risikozuschlag.«

Produzenten haben wieder Arbeit

Ob sich die Bremerhavener Produzenten auf dem Markt neben den Branchenführern Siemens und MHI Vestas dauerhaft behaupten können, werden die kommenden Jahre zeigen. Adwen verkündete passend zur »Husum Wind« die offizielle Inbetriebnahme von 120 5 MW-Anlagen in den beiden Nordsee-Windparks »Global Tech 1« und »Trianel Windpark Borkum« und kündigte an, bis 2020 einen Marktanteil von 20% in Europa erreichen zu wollen. Nächstes Großprojekt ist die Fertigung von 70 5 MW-Anlagen für den Ostseewindpark »Wikinger«. In Frankreich soll 2018 die Serienproduktion von insgesamt 186 8 MW-Anlagen beginnen. Bei entsprechender Nachfrage aus dem nordeuropäischen Raum soll auch das Werk in Bremerhaven in die Produktion des neuen und größeren Anlagentyps einsteigen. Adwen-Hauptgeschäftsführer Luis Alvarez kündigte an, dass ein erster Prototyp, der derzeit in Bremerhaven gefertigt werde, im ersten Quartal 2016 errichtet werden solle. »Ein Offshore-Terminal direkt am Werk wäre für unsere weiteren Pläne die ideale Lösung«, betonte der Spanier. Bisher sei man zur Übergabe der Turbinen und der in Stade gefertigten Rotorblätter an die Errichterschiffe auf die weiter nördlich gelegene ABC-Halbinsel oder den Offshore-Hafen in Eemshaven angewiesen. »Der OTB wäre ein guter Beitrag zur Kostensenkung, würde die Logistik vereinfachen und die Abläufe für unsere Kunden effizienter machen.«

Nachbar Senvion und das zum Unternehmen gehörende Rotorblattwerk Powerblades haben aktuell nach einer längeren Offshore-Durststrecke ebenfalls wieder gut zu tun: Anfang des Jahres hatte der Turbinenproduzent verkündet, mit der Fertigung von insgesamt 72 Anlagen für die Nordsee-Windparks »Nordergründe« und »Nordsee One« beauftragt worden zu sein.

Ob der Markt anschließend weiterhin die aktuelle Turbine mit einer Nennleistung von 6,15 MW annehmen wird oder höhere Leistungen fordert, wie sie einige Mitbewerber schon im Portfolio haben, bleibt abzuwarten. Zunächst setzt Senvion auf die schon vor einiger Zeit vorgestellten neuen Blätter, die den Rotordurchmesser von 126m auf 152m vergrößern: Ein erster Prototyp wurde im März dieses Jahres in der Nähe von Bremerhaven in Betrieb genommen.

#»Unsere Ingenieure arbeiten daran, wie es weitergehen wird«, berichtete Senvion-Chef Andreas Nauen in Husum. »Aber konkrete Zahlen zu künftigen Nennleistungen gibt es noch nicht.« Fest stehe, dass die Offshore-Windenergie für das Unternehmen auch nach dem Eigentümerwechsel von Suzlon zu Centerbridge eine wichtige Rolle spielen werde. Neben dem Hauptgeschäft Onshore-Wind strebe man einen Offshore-Anteil von 20% an, so Nauen: »Das ist eine gesunde Mischung für uns – und dafür wäre der OTB ganz wichtig.«


Anne-Katrin Wehrmann