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Das neue Arrestverfahren scheint ein größeres Risiko für deutsche Reeder zu bergen. Doch mehr Arreste sind nicht zwangsläufig erwartbar.
Das Seerechtsreformgesetz hat eine wichtige Neuerung im deutschen Verfahrensrecht gebracht, welche das schwerfällige Arrestverfahren vor deutschen Gerichten grundlegend erleichtert: Schiffe[ds_preview] können künftig in Deutschland arrestiert werden, ohne dass der Antragsteller einen bestimmten Grund für die Dringlichkeit der Sicherung glaubhaft machen muss. Es genügt, dass er einen Anspruch gegen den Eigentümer des zu arrestierenden Schiffes glaubhaft macht.

Damit sind Schiffe einem erleichterten Zugriff der Gläubiger ausgesetzt. Und zwar der Gläubiger aller gegen den Eigentümer (oder den Bareboat-Charterer) gerichteten Ansprüche, egal auf welchem Rechtsgrund sie beruhen. Zwar hat das Internationale Arrestübereinkommen (1952) für den Arrest ausländischer Schiffe eine Schranke insofern aufgerichtet, als diese, sofern sie die Flagge eines Mitgliedstaates führen, nur wegen sogenannter Seeforderungen«arrestiert werden dürfen – dies ist jedoch so weit gefasst, dass praktisch keine aus dem Schifffahrtsbetrieb herrührende Forderung ausgeschlossen ist.

Bei der Prüfung des nach früherem Recht auch für Schiffe erforderlichen Arrestgrundes, also der Frage, ob die Arrestierung zur sofortigen Sicherstellung der Befriedigung des Antragtellers aus einem späteren Urteil notwendig erscheint, waren die deutschen Gerichte sehr zurückhaltend. Hat der Schiffseigner in Deutschland oder in einem anderen EU-Land hinreichendes Vermögen oder ist anzunehmen, dass das zu arrestierende Schiff oder ein Schwesterschiff in absehbarer Zeit wieder zurück kommen wird, wurde ein Arrestgrund in der Regel verneint. Diese Einschränkung ist nun für die Arrestierung von Schiffen, abweichend vom allgemeinen Arrestrecht, weggefallen. Das Gericht prüft lediglich, ob ein materieller Anspruch gegen den Eigner zu seiner Überzeugung glaubhaft gemacht worden ist, stellt jedoch über das Sicherungsbedürfnis keine Überlegungen an. Damit sollte eine Angleichung an ähnlich erleichterte Verfahren in Nachbarstaaten, etwa in den Niederlanden, erreicht werden – im Interesse der deutschen Gläubiger, die damit in aller Regel für einen bis dahin ungesicherten Anspruch eine Sicherheit in Deutschland erzwingen können. Denn das Gericht lässt dem Reeder nach, den Arrest durch Stellung einer Sicherheit abzuwenden, was in aller Regel geschieht. Zugleich begründet der Arrest eine gerichtliche Zuständigkeit für das sich anschließende Klageverfahren, das auf diese Weise vor deutsche Gerichte gebracht werden kann.

Die Erleichterung bedeutet auf den ersten Blick eine Gefahr für deutsche Reeder. Denn der Reeder ist nicht nur Gläubiger etwa aus Schiffszusammenstößen, sondern sein Schiff wird nun auch häufiger einer Arrestdrohung ausgesetzt sein. Diese erhöhte Gefahr wird jedoch im deutschen Arrestrecht nach wie vor durch zwei wichtige Regeln gemildert: Stellt sich später heraus, dass der im Arrestverfahren nur glaubhaft gemachte Anspruch gegen den Reeder nicht besteht, haftet der Arrestgläubiger für alle durch den Arrest entstandenen Schäden; diese strenge Gefährdungshaftung ist im internationalen Vergleich außergewöhnlich. Sodann kann das Gericht den Arrest davon abhängig machen, ob der Antragsteller zur Sicherung der eventuellen Ersatzansprüche des Reeders vor Erlass des Arrestes seinerseits eine Sicherheit stellt. Künftig, wenn ein Rechtsschutzinteresse in Form des Arrestgrundes nicht mehr dargelegt werden muss und nicht mehr geprüft werden darf, wird das Arrestgericht schon bei den geringsten Zweifeln an der Begründetheit des behaupteten Anspruchs eine Sicherheitsleistung durch den Antragsteller verlangen müssen.

Es ist also zu erwarten, dass es beim Arrestverfahren i.d.R. künftig weniger darum gehen wird, das Schiff physisch zu arrestieren, als vielmehr darum, den Eigner durch Drohung zur Stellung einer Sicherheit zu veranlassen. Eine solche wird der P&I-Club regelmäßig stellen, um Schäden zu vermeiden, bei denen er in diesem Zeitpunkt nicht sicher sein kann, wer sie letztlich trägt. Ferner will der Arrestgläubiger oft eine gerichtliche Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren in Deutschland begründen. Das Seerechtsreformgesetz hat eine materiell-rechtliche Erweiterung der Reederhaftung für Ladungsschäden gebracht: Zu den Ansprüchen, die gegen Reeder geltend gemacht und auch im Wege eins Arrestes vorab gesichert werden können, gehören künftig wieder solche, für welche Reeder seit 1972 i.d.R. nicht hafteten: Ansprüche wegen Ladungsschäden bei Schiffen in Zeitcharter. Schließt der Charterer Frachtverträge mit Dritten ab und werden die Güter durch ein Verschulden der Besatzung beschädigt, so hat dafür nicht nur der Zeitcharterer, sondern auch der Zeitvercharterer – sofern er Eigentümer oder Bare-Boat-Charterer des Schiffes ist – als sogenannter »ausführender Verfrachter« einzustehen. Hiervon gibt es Ausnahmen, wenn der Schaden auf nautisches Verschulden zurückzuführen ist und der Verfrachter die Haftung insoweit – auch nach neuem Recht zulässigerweise – ausgeschlossen hat. Beruht der Schaden jedoch auf mangelnder Ladungsfürsorge, also kommerziellem Verschulden der Besatzung, ist diese Haftung auch des Zeitvercharterers unabdingbar. Sie kann also die Grundlage für einen Arrest bilden.

Diese Rechtslage bestand in ähnlicher, sogar weitreichenderer Form vor der Seerechtsänderung von 1972, als im deutschen Recht wegen aller Ladungsschäden ein Schiffsgläubigerrecht begründet war. Dieses wurde damals in Verfolg internationaler Bemühungen zur Rechtsvereinheitlichung aufgegeben und kann heute in Deutschland nur ausnahmsweise gegen deutsche Reeder geltend gemacht werden: wenn der Frachtvertrag einem fremden Recht unterliegt, welches – wie das der USA – noch eine Schiffsgläubigerrecht für Ladungsschäden vorsieht.

Die Mithaftung des Reeders für Ansprüche aus den von einem Zeitcharterer abgeschossenen (Stückgut- oder Reise-)Frachtverträgen als sogenannter ausführender Verfrachter ist heute vielfach vorgeschrieben, seit 2013 auch im innerstaatlichen deutschen Recht. Sie setzt voraus, dass der Zeitvercharterer mit der von ihm angestellten Crew die vom Zeitcharterer abgeschlossenen Frachtverträge ausführt und kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder vertraglich abgemildert werden – weder im Chartervertrag noch im Frachtvertrag. Allerdings lässt das deutsche Recht auch künftig zu, dass die Haftung des Zeitcharterers als Verfrachter für nautisches Verschulden im Frachtvertrag – auch durch AGB – ausgeschlossen wird; diese Erleichterung wirkt sich dann auch auf die Haftung des ausführenden Verfrachters aus.

Wird der Reeder mit einem Arrest bedroht, sollte er im Verfahren jedenfalls – in einer etwaigen mündlichen Verhandlung oder bei einem ohne Verhandlung ergangenen Beschluss durch Widerspruch – darauf hinwirken, dass der Antragsteller für die ihm etwa entstehenden Schäden Sicherheit leisten muss. Materiell könnte der Reeder von seinem Zeitcharterer verlangen, dass dieser in seine Frachtverträge mit Dritten die Vereinbarung aufnimmt, dass für nautisches Verschulden nicht gehaftet wird.
Rolf Herber