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Die Privatbank Berenberg will ihr Schifffahrtsgeschäft künftig stärker an Kapitalmarktprojekten ausrichten. Philipp Wünschmann, seit April neuer Leiter der Schifffahrtsabteilung bei der Deutschlands ältester Privatbank, berichtet im HANSA-Interview über Märkte, Geschäftsaussichten und den geplanten Schiffskreditfonds für institutionelle Anleger
Herr Wünschmann, Sie sind jetzt seit sechs Monaten bei Berenberg. Wie haben Sie sich eingelebt?

Philipp Wünschmann: Sehr gut! Berenberg[ds_preview] hat eine tolle Unternehmenskultur und die Arbeit mit den neuen Kollegen macht großen Spaß!

Von Hause aus Banker, dann der Wechsel auf die Reederei-Seite, jetzt wieder zurück zur Bank. Was hat Sie daran gereizt?

Wünschmann: In erster Linie war es die Aufgabe in einer Bank mit einer intakten Marke. Ich wäre, glaube ich, kaum zu einer anderen schiffsfinanzierenden Bank zurückgegangen. Bei Berenberg sieht man das Thema Shipping in einer ganz besonderen Weise. Wir können ganz frei von Altlasten an Neues herangehen und für unsere Kunden nach vorn schauen. Die zweite Motivation war, dass es mich natürlich reizt, die Schifffahrtssparte, eingebettet in die gesamte Bank, weiterzuentwickeln.

Welche Strategie wollen Sie steuern?

Wünschmann: Ich fange mal mit einer Vision an. Ich stelle mir vor, dass wir uns zu einer profitablen Maritime Merchant Bank für nationale und internationale Schifffahrtskunden weiter entwickeln. Das meine ich im weitesten Sinn, Dienstleister und Investoren sind da durchaus eingeschlossen. Wir sind heute schon ein Team von rund 20 Leuten mit viel Erfahrung, mit einem sehr guten und langjährigen Zugang zu den Kunden in den Kernmärkten Deutschland, Griechenland und Zypern. Damit sind wir Sektorspezialisten in einer Bank, die sich internationalisiert und mit Kapitalmarktprodukten wachsen will. Dabei können wir, auch in der Schnittstelle zwischen Sektor-Know how und Kapitalmarkt-Know how, eine wichtige Rolle spielen.

Wie genau?

Wünschmann: Die Strategie steht auf zwei Füßen. Zum einen bieten wir klassisches »commercial banking«, also den ganzen Service im Zahlungsverkehr, im Devisenbereich, in der Anlageberatung, in all dem, was der Kunde im Tagesgeschäft so braucht. Wir wollen dabei eine Relationship-Bank sein, die langfristig und nachhaltig mit ihren Kunden zusammenarbeitet. Zum zweiten wollen wir künftig Unternehmen stärker Kapitalmarkt-orientiert begleiten und dabei das Know-how, das wir in der Bank generell und für andere Bereiche bereits haben, auch in der Schifffahrt anbieten.

Die klassische Finanzierung taucht hier gar nicht auf?

Wünschmann: Wenn wir über Finanzierung reden, geht es häufig um Projektideen unserer Kunden, für die sie in der Regel Fremd- und Eigenkapital benötigen. Unsere Rolle verstehe ich so, dass wir diese Projekte finden, sie strukturieren und sie für Investoren attraktiv gestalten. Kurz gesagt: vom Projekt zum Produkt.

Die Bank als Mittler?

Wünschmann: Wenn Sie so wollen. Dabei können wir auch die Rolle als Finanzierer übernehmen. Warum nicht, wenn ein Projekt attraktiv ist und sich eine opportunistische Gelegenheit ergibt? Aber immer im Rahmen unserer Möglichkeiten. In der Regel ist die Zahl solcher Gelegenheiten eher begrenzt. Ich sage: Wir haben den Zugang zu Investoren oder zu anderen Banken und können vermitteln.

Ist die Orientierung auf die Kapitalmärkte eine Lehre aus den Krisenjahren?

Wünschmann: Berenberg hat eine starke unternehmerische DNA. Als Privatbank war und ist sie schon immer am Kundendenken orientiert, es geht uns immer um eine ganzheitliche Betrachtung, also nicht nur um das Fremd-, sondern immer auch um das Eigenkapital. Dass dieses Thema heute unter dem Stichwort »Investment-Banking« läuft und einem sehr strukturierten Wachstumspfad folgt, ist aber tatsächlich eine jüngere Entwicklung, auch bei Berenberg. Die unmittelbaren Lehren, die auch wir aus der Krise in der Schifffahrt gezogen haben, finden sich eher eine Ebene darunter, sind aber nicht weniger wichtig. Es mag banal klingen, aber das viel zitierte »Know-Your-Customer«-Prinzip steht für mich da ganz oben. Ich meine das im Sinne eines wirklichen Verständnisses des jeweiligen Geschäftsmodells unserer Kunden sowie der Organisation, Corporate Governance sowie natürlich der wirtschaftlichen Kennzahlen. Daneben sind antizyklisches und faires, aber konsequentes Handeln in Krisensituationen wichtige Prinzipien für uns.

Wie würden Sie »opportunistische Gelegenheit« definieren?

Wünschmann: Ich würde dabei immer zuerst an attraktive Nischen denken. Opportunismus meint immer auch den Blick nach rechts und links außerhalb allzu starrer Korsetts. Opportunistisch auch deswegen, weil wir ja kein Start-up sind, sondern einen festen Kundenstamm von weltweit rund 400 Schifffahrtsunternehmen haben. Da kann man zum Teil gar nicht planen, was sich aus diesem Netzwerk für Gelegenheiten ergeben.

Können Sie ein Beispiel geben?

Wünschmann: Ich kann in der Planung, als Beispiel, ganz auf ein oder zwei gut laufende Marktsegmente abstellen. Wenn aber morgen ein guter und profesioneller Kunde vorbeikommt und ein attraktives Projekt in einem ganz anderen Segment präsentiert, dann werden wir uns anschauen.

Was erwarten Sie heute von Ihren Kunden? Zählt allein die Größe?

Wünschmann: Größe allein ist für uns kein Kriterium. Zwei Dinge sind dagegen unabdingbar: ein professionelles Management und ein überzeugendes Geschäftsmodell. Klingt wie selbstverständlich, ist aber selbst heute nicht in jedem Fall gegeben. Auch Transparenz und ein gutes Reporting gehören dazu. Und natürlich ein attraktives Projekt, für das sich bei limitierten Eigenmitteln gegebenenfalls auch ein branchenfremder Investor überzeugen lässt.

Und werden diese Anforderungen erfüllt?

Wünschmann: Eine ganze Reihe von Unternehmen – übrigens auch in Deutschland – haben ihre Hausaufgaben erledigt. Ich glaube aber, dass der Schifffahrt, gerade im Finanzbereich, noch mehr Sachverstand aus anderen Branchen gut tun würde, um notwendige Veränderungen ohne emotionale Altlasten anzustoßen.

Setzen Sie künftig auf die opportunistischen Gelegenheiten oder gibt es eine Wachstumsstrategie für das Portfolio?

Wünschmann: Erst einmal folgen wir unseren Kunden, setzen uns aber auch Ziele. Da landet man wieder bei den Themen Kapitalmärkte und Internationalisierung. Darunter fällt fast automatisch, dass man verstärkt mit den professionellen und kapitalmarktaffinen Unternehmen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zusammenarbeitet. Unser Führungsmandat beim Börsengang von Hapag-Lloyd ist sicher ein starkes Signal in diese Richtung.

Wie weit ist denn Ihr Schiffskreditfonds für institutionelle Anleger gediehen?

Wünschmann: Wir sind da schon relativ weit. Bei der Strukturierung und hinsichtlich aller relevanten Genehmigungen sind wir auf der Zielgeraden. Der nächste Schritt ist dann, dieses neue Produkt potenziellen Investoren vorzustellen.

Bleibt es bei dem avisierten Volumen von zunächst 100 Mio. $?

Wünschmann: Das richtet sich nach dem Interesse der Anleger. Im ersten Schritt sind 100 bis 150 Mio. $ die Zielgröße, aber wir sind mit unserer Struktur flexibel, das heißt, sie ist skalierbar. Wenn wir einmal die Investoren überzeugt haben, und wir haben bereits sehr gutes Feedback, glaube ich fest daran, dass sich auch mehr erreichen lässt. Wir sind nach oben offen.

Wird Berenberg selbst engagiert sein?

Wünschmann: Berenberg strukturiert die Kredite und wird selbst auch mit einem nennenswerten Betrag involviert sein. Das ist für uns ein ganz wichtiges Markenzeichen und ein Signal an die Investoren, dass wir an unser Produkt glauben.

Wie groß ist denn das Interesse von institutionellen Anlegern an der Schifffahrt?

Wünschmann: Im deutschsprachigen Raum ist Schifffahrt als Asset-Klasse bekannt, aber durch die jüngere Entwicklung im KG-Markt sicherlich auch unverändert negativ konotiert. Aber die gute Nachricht ist: Man findet Gehör bei professionellen Investoren, das wäre vor zwei Jahren noch nicht der Fall gewesen. Wir reden hier nicht über Private-Equity-Akteure, die vielfach schon investiert haben, sondern über institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionsfonds, Versorgungswerke. Die größte Hürde ist vielfach die stark veränderte externe Regulatorik für Alternative Investment-Fonds. Während sich viele Fondsanbieter inzwischen darauf eingestellt haben, müssen sich nun auch die institutionellen Anleger in ihren Anlagerichtlinien und Prozessen auf die neuen Produkte einstellen. Die Bereitschaft ist da, aber das kostet immer auch Zeit.

In welcher Rolle sehen Sie künftig Ihre Bank unter den Schiffsfinanzierern?

Wünschmann: Unser Ziel ist es ganz sicher nicht, eine andere schiffsfinanzierende Bank im Kreditvolumen zu überholen. Eine Rangliste ist für uns nicht wichtig. Ausgehend von einer regionalen Verankerung in Deutschland wollen wir allen unseren Kunden, national wie international, eine Plattform für alle Formen des Bankgeschäfts bieten, den »one stop shop«. Als Mittler zur Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital ebenso wie als Anbieter für das kommerzielle Bankgeschäft. Wenn wir selbst finanzieren, ist für uns ein gutes »cross selling« wichtig. Dann soll der Kunde auch sein Konto bei uns führen und andere Transaktionen mit uns abwickeln. Das ist auch bei uns immer ein Paket.


Krischan Förster