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Mit der Einweihung einer vergrößerten Fertigungshalle rüstet sich die Werft Abeking & Rasmussen für den Bau von bis zu 125 m langen Schiffen. Rund 20 Mio. € hat das Familienunternehmen am Standort Lemwerder investiert.
Firmenchef Hans M. Schaedla, in dritter Generation an der Spitze des Familienunternehmens, hatte die Belegschaft und zahlreiche Gäste zur Feier[ds_preview] geladen und dafür gleich zwei Anlässe ausgemacht: die Einweihung der Halle und den 108. Geburtstag der Werft. Noch am Abend, kaum waren Bühne und Buffet abgebaut, wurden Vor- und Achterschiff einer 98-m-Yacht unter einem Dach vereint. Der Neubau für einen ungenannten Privateigner ist das größte jemals gebaute Schiff bei Abeking & Rasmussen, bislang war bei 82 m Schluss. »Als wir den Auftrag im März 2014 angenommen haben, hatten wir noch gar keinen Bauplatz«, erinnert sich Vertriebsvorstand Uwe Kloschinski.

Mehrere Alternativen wurden seinerzeit geprüft. Gegenüber am bremischen Weserufer, auf dem alten Vulkan-Gelände. In Oldenburg an der Hunte. In Bremerhaven und auch in Emden. Letztlich aber fiel die Entscheidung, den Stammsitz in Lemwerder auszubauen. Für die Verlängerung der Halle F um 60 m musste der benachbarte Weser Yacht Club zur Seite rücken und bekam neue Liegeplätze spendiert.

Mit 30.000 m3 Sand wurde der Vorhafen verfüllt, um 6000 m2 neues Land zu gewinnen und auf 165 Spundpfählen die Hallenkonstruktion zu errichten. Das alles in nur anderthalb Jahren, »dafür gebührt allen Beteiligten unser Dank«, so Schaedla. Wenigstens für die kommenden fünf Jahre sieht Schaedla die Werft mit ihren rund 430 Mitarbeitern für alle denkbaren Aufträge gerüstet.

Arbeitsbühnen in voller Höhe und zwei Aufzüge ermöglichen den Zugang zu den künftigen Schiffen, statt eines Hebewerkes, das in der Breite zu klein wird, kommt künftig ein absenkbarer Ponton zum Einsatz. Mit der neuen Halle und dem unternehmensinternen Programm »Fit A&R 2020« soll auch die Werftleistung gesteigert werden. Alle neun Monate könnte künftig ein Schiff aus Lemwerder abgeliefert werden.

Schaedlas Ur-Großvater Henry Rasmussen hatte gemeinsam mit Georg Abeking vor mehr als einem Jahrhundert einen kleinen Bootsbaubetrieb gegründet. Anfangs wurden kleine Boote und Schiffe gebaut, schnelle Segelschiffe begründeten den guten Ruf der Werft. Heute ist Abeking & Rasmussen eine der feinsten Adressen im deutschen Schiffbau. Erstmals in Europa wurden hier voll geschweißte Aluminium-Schiffe gebaut, später Neubauten aus entmagnetisiertem Edelstahl, wie sie die Marine brauchte. Dann folgten Swath-Schiffe, doppelrümpfige Halbtaucher für Lotsen und Küstenwachen.

Seit den 1970er Jahren hat sich der Fokus zunehmend in Richtung Motor-Yachten verschoben. »Und die werden immer größer«, sagt Kloschinski. »Da wir keine Kunden wegschicken wollen, mussten wir uns vergrößern.« Mit einem rechtzeitig gefüllten Auftragsbuch hat die Werft die Krisenjahre nach 2008 gut abwettern können. »Anderthalb Jahre lang gab es allerdings überhaupt keine Bestellungen mehr«, sagt Kloschinski. Allerdings auch keine Stornierung. Abeking & Rasmussen baut neben der 98-m-Yacht derzeit noch an einer 25-Swath-Yacht sowie an einem weiteren 72-m-Privatschiff. »Das Interesse lebt jetzt langsam wieder auf«, sagt der Werftmanager. Seit der Monaco Yacht Show liegen wieder mehrere Anfragen vor, der Bau einer weiteren 75-m-Yacht wurde bereits vertraglich besiegelt.

Auf fast 6.500 Baunummern kann A&R seit dem 1. Oktober 1907 zurückblicken. Zweites Geschäftsfeld, schon seit Jahrzehnten, ist der Marineschiffbau. Spezialität von A&R: Minenjagd- und -suchboote. Seit dem 1. Weltkrieg wurden bereits 360 dieser Schiffe gebaut. Derzeit hofft die Werft auf den Zuschlag für insgesamt sechs Schiffe für die südafrikanische Marine. In einem Konsortium mit den lokalen Firmen DCD Marine und Veecraft Marine aus Kapstadt hat sie sich an der Ausschreibung für den Bau von je drei Inshore Patrol Vessels (IPV) und drei Offshore Patrol Vessels (OPV) beteiligt. Angeboten wurde ein konventionelles 66-m-Design (800 t) mit Deep-V-Rumpf, wie es auch für die deutsche Bundespolizei fährt. Ein Swath-Entwurf, allein fünfmal von Lettlands Küstenwache geordert, wurde dem Vernehmen nach verworfen.

Diese markanten Schiffe (Small Waterplane Area Twin Hull) werden seit Mitte der 90er-Jahre in Lemwerder entwickelt und bis heute mehr als 20mal gebaut. Dank ihrer zwei charakteristischen torpedoförmigen Auftriebskörper unter der Wasseroberfläche liegen sie besonders ruhig im Wasser und werden daher bevorzugt im Lotsendienst oder für Personentransfers zu den Offshore-Windparks eingesetzt.

Nach der »Silver Cloud« entsteht gerade aber auch eine zweite Swath-Yacht von 25 m Länge. Eine Weiterentwicklung ist das Swash-Schiff (Small Waterplane Area Single Hull) mit nur einem Auftriebskörper. »Solche Spezialschiffe und auch Behördenfahrzeuge sind unser drittes Standbein«, sagt Kloschinski. Am liebsten hätten sie bei A&R eine Drittelung der Aufträge auf die drei Segmente, um die Auslastungsschwankungen besser ausgleichen zu können. Derzeit haben die Yachten noch ein Übergewicht. Hoffnungen setzt die Werft auch auf Wartungsaufträge für ihre neu gegründete »Refit«-Sparte.

Für die kommenden zwei Jahre ist die Werft ausgelastet, damit steht sie vergleichsweise gut da. Im harten Wettbewerb mit anderen Schiffbauern im In- und Ausland will Abeking & Rasmussen vor allem mit Kompetenz und Know how punkten. Wobei die Kaskos in der Regel im Ausland gefertigt und bei A&R komplettiert werden. »In der Fertigung wären wir oft zu teuer. Unsere Stärke liegt in der Konstruktion und Entwicklung von neuen Designs, Prototypen und Spezialschiffen«, sagt Kloschinski. Diese Abteilung sei in den vergangenen Jahren von zehn auf 70 Mitarbeiter aufgestockt worden.


Krischan Förster