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Mit einem brandneuen »EcoPeller« und einem größeren Fokus auf Marktnischen will der Ruderpropeller-Hersteller Schottel seinen erfolgreichen Kurs fortsetzen. In Dörth im Hunsrück startet dafür die Produktion in einem neuen Werk, das für 45 Mio. € gebaut wurde.
Das Unternehmen verlagert seine Produktion vom Stammsitz in Spay in das etwa 25 km entfernten Ort direkt an der A 61[ds_preview] zwischen Köln und Frankfurt/Main. »Es wurde Zeit, etwas zu ändern«, sagt Schottel-CEO Gerhard Jensen. Längst waren die Kapazitäten im alten Werk erschöpft. Warenlager und Stahlproduktion hatten bereits nach Koblenz ausgelagert werden müssen. Inmitten des Oberen Mittelrheintals als UNESCO-Weltkulturerbes, war eine bauliche Erweiterung undenkbar.

So sind in Dörth auf einem knapp 10 ha großen Areal insgesamt vier neue Produktionshallen entstanden, bis zu 270 m lang und 18 m hoch. Das Unternehmen hat in den vergangenen zwei Jahren 45 Mio. € investiert, darunter allein 13 Mio. € in die technische Ausstattung und in die Erneuerung des Maschinenparks. Im Ergebnis sei die »weltweit modernste und effizienteste Fertigungsstätte für Ruderpropeller« entstanden, merkt Jensen stolz an. 290 Beschäftigte sollen hier jährlich rund 440 Ruderpropeller (SRP), Twin Propeller (STP), Combi Drives (SCD) oder Pump Jets (SPJ) montieren. Unter dem Dach der bis zu 18m hohen Hallen wurden insgesamt 29 Decken- und Wandkrane installiert, die Komponenten mit einem Einzelgewicht von bis zu 50 t heben können.

Dank der neuen Anlagen, einer durchdachten Logistik und des intelligenten Materialflusses steigt die Produktionskapazität gegenüber dem alten Standort um rund 30 %. Solarpaneele auf dem Dach, Wärmerückgewinnungs- und Belüftungssysteme in den Hallen sowie ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem sorgen zudem für eine gute Energiebilanz. In nur vier Monaten war der Umzug bei laufender Produktion vollbracht. Das alte Werk in Spay wird nun in ein Service- und Reparatur-Zentrum umgewandelt, auch das Ersatzteillager zieht wieder zurück. Der neue Standort des Schottel-Tochterunternehmens HW Elektrotechnik mit rund 4200 m2 Hallen- und Bürofläche steht ebenfalls vor der Fertigstellung. In unmittelbarer Nähe zum Werk in Dörth wird dort unter anderem die Elektrotechnik der Schiffsantriebe und Steuerungen gefertigt.

Schottel setzt seit den Gründerjahren auf eine große Fertigungstiefe. Alle wesentlichen Bauteile von Ruderpropellern können nach Angaben des Unternehmens selbst gefertigt werden. Der Eigenanteil an der Produktion liegt bei 30 % gegenüber 70 % an Zulieferungen. »Aber alle Komponenten werden nach unseren Entwürfen und Vorgaben geliefert«, betont Christophe Mourot, Chief Operating Officer (COO). Denn die Qualität der Produkte sei im Wettbewerb ausschlaggebend, »dazu legen wir sehr viel Wert auf einen erstklassigen After-Sales-Service«, so Mourot. Um jederzeit schnell reagieren zu können, lagern 10 Mio. Ersatzteile in 3500 Regalen.

Das zahlt sich offenbar aus. Auch 2014 konnte der Umsatz erneut auf mittlerweile 343 Mio. € gesteigert werden. Die Erlöse aus dem Kerngeschäft mit Antriebssystemen stiegen um 9 % auf 309Mio. €. Zum Vergleich: 2005 lag der Umsatz noch bei 120 Mio. €. In den vergangenen Jahren kannte die Entwicklung der Erlöse nur eine Richtung – nach oben. Für das laufende Jahr ist CEO Jensen nicht ganz so optimistisch: »Wir versuchen, das Vorjahresergebenis zu wiederholen«, sagt er.

Schottel ist bei der Ausrüstung von Schleppern nach eigenen Angaben Weltmarktführer (34 %) vor Wettbewerbern wie Rolls Royce und Niigata und war zuletzt bei einigen innovativen Projekten beteiligt (EDDY Tug, Hybrid-Schlepper von Kotug, Svitzer Eco-Tug).

Auch in der europäischen Flusskreuzfahrt hält die Traditionsfirma dank des enorm expandieren Hauptkunden Viking River Cruises die Spitzenposition. Die gesamte Neubauflotte von bisher 50 Schiffen wurde mit je vier Twin-Propellern ausgestattet. Zwei weitere Cruiser für die Elbe, die im kommenden Jahr für Viking in Fahrt gehen sollen, erhalten Pump Jets von Schottel.

Auch das Offshore-Geschäft wurde erfolgreich aufgebaut, mit einem Marktanteil von heute etwa 15 bis 20%. Antriebe von Schottel treiben Versorger, Errichterschiffe und Transfer Vessels an. Der Einbruch der Öl- und Gaspreise hat die Neubauaktivitäten allerdings nahezu lahmgelegt, das Unternehmen will daher wieder verstärkt andere Märkte in den Fokus nehmen. Die Schubschifffahrt auf den Flüssen in Nord- und Südamerika, Fähren und Mega-Yachten, Fischereifahrzeuge.

»Keine einzelne dieser Nischen ist allerdings so groß wie das Offshore-Segment, wir werden uns daher alles anschauen«, sagt Jensen. Und da man dabei nicht allein agiere, werde es darum gehen, wer die besseren Produkte und den besseren Service anbieten könne. Trotz gewisser Krisenerscheinungen sieht sich Schottel gut aufgestellt: »Wir gehören zu den starken Playern«, sagt Jensen. Selbst die mögliche Übernahme schwächelnder Wettbewerber schließt er nicht kategorisch aus.

Bei Schottel wird daher ständig geforscht und getüftelt. Vor 65 Jahren hatte Firmengründer Josef Becker mit seiner bahnbrechenden Erfindung des Ruderpropellers den Grundstein für die späteren Erfolge bei Schottel gelegt. Becker, der seine kleine Werkstatt in Spay nach der in unmittelbarer Nähe liegenden Untiefe »Auf der Schottel« benannte, ging es damals um eine bessere Manövrierfähigkeit von Binnenschiffen. Der Ruderpropeller hat sich ebenso wie seine Schwestermodelle in den verschiedensten Einsatzgebieten tausendfach bewährt. Jetzt kommen neue Anforderungen der Schiffseigner dazu.

Neue Umwelt- und Sicherheitsvorschriften wie auch der internationale Wettbewerb verlangen nach möglichst niedrigen Betriebskosten und Schadstoffemissionen – also nach effizienteren Antrieben. Besondere Einsatzgebiete erfordern zudem mehr denn je einen hohen Gesamtwirkungsgrad, eine verlässliche Kursstabilität und ein exaktes Positionieren im DP-Betrieb. Selbst steigende Komfortwünsche der Crew spielen eine Rolle.

Neuer EcoPeller

Schottels Antwort auf diese Entwicklungen ist der sowohl für offene Meere als auch küstennahe Gewässer entwickelte »Schottel EcoPeller« (SRE). Dieser steuerbare Antrieb basiert auf dem diesel-elektrischen Prinzip des »Combi Drive« mit einem vertikal in den Ruderpropeller integrierten Elektromotor. Im Gegensatz zu Pod-Antrieben mit einem Elektromotor in der Unterwassergondel integriert Schottel den E-Motor vertikal im Tragrohr des Ruderpropellers und spart damit Oberwassergetriebe samt Gelenkwelle ein.

Im Vorfeld waren mittels CFD-Simulationen und Modellversuchen verschiedene Varianten geprüft worden – Single-Propeller oder Twin-Propeller, sowohl gleich- als auch gegenläufig drehend. Die Entscheidung fiel wegen der Bestwerte bei Gesamtwirkungsgrad und Kursstabilität zugunsten des Einzel-Propellers an einer verlängerten Gondel. Ab Mitte 2016 soll dieser neue Antrieb, wahlweise mit Verstell- oder Festpropeller, für einen Leistungsbereich von 1.000 kW bis 5.000 kW im Markt angeboten werden. »Er ersetzt keines unserer anderen Produkte, sondern ergänzt unser Portfolio«, sagt Mourot.

Ursprünglich für den Offshore-Sektor konzipiert, sei dieser Antrieb aber auch für andere Schiffe geeignet. Norwegen will dem Vernehmen nach mehrere Fährlinien neu ausschreiben und dabei sehr viel Wert auf Umweltfreundlichkeit legen. Auch dafür würde sich der »EcoPeller« eignen, wenn passende Schiffsdesigns entwickelt würden. »Aber wir bauen die Schiffe nicht, wir haben nur die passenden Antriebslösungen«, sagt Jensen


Krischan Förster