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Die Zahl der in Seehäfen ankommenden Güter wird sich in Zukunft weiter erhöhen. Beim Transport ins Hinterland droht Häfen wie Rotterdam somit ein Verkehrskollaps. Um dem vorzubeugen, gilt es, sich Konzepte zu überlegen, um beispielsweise die Straßen zu entlasten
Aufgrund des prognostizierten Wirtschaftswachstums in den kommenden Jahren und der zu erwartenden steigenden Umschlagmengen, drohen gerade auf den Straßen im[ds_preview] Bereich eines Hafens massive Engpässe, da immer mehr Produkte zu den zumeist im Hinterland gelegenen Endverbrauchern gebracht werden müssen. Ziel vieler Häfen ist es deshalb, vermehrt auf emissionsreduzierende Verkehrsmittel wie Eisenbahn oder Binnenschiff zu setzen.

Rotterdam, der mit Abstand größte europäische Seehafen, rechnet in den kommenden Jahren mit einem deutlichen Anstieg des Warenaufkommens. Ein Grund dafür sind die beiden neuen Containerterminals auf dem rund 2.000ha großen Hafenerweiterungsgebiet Maasvlakte 2. Prognosen zufolge sollen das Rotterdam World Gateway (RWG)-Terminal und die von Maersk-Tochter APMT betriebene Umschlaganlage jährlich zusammen rund 5Mio. TEU bewegen. Hinzu kommen die Mengen der übrigen Umschlageinrichtungen, die im vergangenen Jahr bei insgesamt etwa 12,3Mio. TEU lagen. Folglich müssen in Zukunft deutlich mehr Produkte ins Hinterland transportiert werden, als das derzeit in Rotterdam der Fall ist.

Mit dem Lkw zur Umladestation

 

Um dem gerecht zu werden, wurde im Mai dieses Jahres im nur wenige Kilometer östlich der Stadt gelegenen Alblasserdam ein Containerterminal für Binnenschiffe in Betrieb genommen. Dieses ist auch unter dem Namen Transferium oder Rotterdam-Oost bekannt. Die Idee ist es, Boxen, die für die zweite Maas­vlakte bestimmt sind, mit dem Lkw nach Alblasserdam zu bringen, um sie von dort aus die restlichen knapp 40km mit dem Binnenschiff zu den großen Containerterminals zu transportieren. Nach Angaben von Port of Rotterdam soll auf diese Weise jährlich rund 180.000 Trucks die Fahrt über die Autobahn A15 Richtung Maasvlakte erspart werden. Zudem würde sich die Fahrzeit der Lkw um drei bis vier Stunden verringern«, sagt COO Ronald Paul.

Zwischen der Umladestation und den großen Containerterminals gibt es tägliche Binnenschiff-Shuttles. Die Transporte werden von BCTN durchgeführt, das gleichzeitig Betreiber des Transferiums ist. Nach Angaben von BCTN passieren rund 75% der auf der Maasvlakte umgeschlagenen Container Rotterdam-Oost.

In Zukunft sollen die Boxen mit größeren Schiffseinheiten befördert werden. Dafür wird das sogenannte Breeddiep, ein Verbindungsstück zwischen dem Calandkanal und dem Neuen Wasserweg (Nieuwe Waterweg), von 75 auf 350m verbreitert. Die Kosten belaufen sich auf rund 16Mio. €.

Neuer Umschlagplatz in Almelo

Auch die Binnenschiffsverbindungen von Rotterdam ins weiter im Landesinneren gelegene Hinterland sollen sich in Zukunft verstärken. Eine dieser im Binnenland gelegenen Regionen ist die Provinz Twente, in der etwa 630.000 Menschen leben. Sie besteht aus 14 Gemeinden und befindet sich im deutsch-niederländischen Grenzgebiet bei Hengelo. Ein großes Problem der Region ist die hohe Arbeitslosenquote, die deutlich über dem Durchschnitt des Landes liegt. Um die Zahl der Erwerbslosen zu senken, haben sich Geschäftsleute verschiedener Unternehmen darauf verständigt, verstärkt auf Logistik zu setzen. Einer der Beteiligten ist Port of Twente. Mittlerweile hat das Unternehmen rund 100 Firmen als Mitglieder. Seit dem Jahr 2012 hat sich in der Provinz ein Logistikcluster entwickelt, das stetig ausgebaut wird.

Ein Beispiel dafür ist der neue XL Businesspark, der derzeit im rund 20km von Hengelo entfernten Almelo entsteht. Auf der rund 180ha großen Fläche stehen für Betriebe auch Grundstücke größeren Ausmaßes zur Verfügung. Dadurch, sowie durch die attraktive Lage, sollen Unternehmen überzeugt werden, sich in der Region anzusiedeln, sagt Huub Leussink, bei Port of Twente zuständig für die Akquise.

Es ist geplant, den Standort, der in unmittelbarer Nähe der Autobahnen A1 und A35 und des Twentekanals liegt, trimodal anzubinden. Dort baut das Unternehmen Combi Terminal Twente (CTT) derzeit für rund 12Mio. € einen 32.000m2 großen neuen Containerumschlagplatz. Die Spundwand steht bereits und die Stellfläche für die Boxen ist auch schon asphaltiert, lediglich der von Kocks gelieferte Umschlagkran muss noch aufgebaut werden. Leussink zufolge liegt seine jährliche Kapazität bei rund 120.000 Containern. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Boxen bewegt werden. Die Fläche will in Zukunft auch die Firma Eurol nutzen, die dort den Umschlag von Schmierstoffen plant.

Ausbau des Twentekanals

Um in Zukunft bessere Transportmöglichkeiten zu schaffen, investieren die Niederlande mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Infrastruktur in der Region, mehr als 400Mio. € soll allein die Erweiterung der Autobahn A1 kosten. Ferner sind rund 76Mio. € für den Ausbau und die Sanierung des 47km langen Twentekanals vorgesehen, der bei Delden auf einer Strecke von 16km nach Almelo abzweigt.

Nach der Verbreiterung der künstlichen Wasserstraße sollen dort Schiffe der Klasse 5 fahren können, die bis zu 110m lang, 11,40m breit und 3,50m tief sind sowie eine Tragfähigkeit von bis zu 3.000t haben. Darüber hinaus sollen dann auch dreilagige Containerverkehre möglich sein, anstatt der bisherigen zweilagigen. Bis zum Jahr 2020 wird nach Angaben von Leussink mit einem zusätzlichen Gütervolumen von 2,6Mio.t gerechnet, das über den Kanal transportiert wird. Heute werden rund 13,6Mio.t über den Binnenschifffahrtsweg befördert. Auch das Containervolumen soll sich jährlich um bis zu 172.500TEU erhöhen. Wegen der zu erwartenden Gütermengen wird in Eefde überdies für rund 69Mio. € eine zweite Schleuse gebaut.

Für CTT ist der neue Umschlagplatz bei Almelo nach dem Terminal in Hengelo, auf dem jährlich rund 300.000 Boxen über die Kaikanten gehen, bereits der zweite Hafenstandort in der Region Twente. In Hengelo verfügt CTT über eine Fläche von 12,5ha Land sowie über eine Lagerfläche von 25.000m2. Die Umschlaganlage ist nach Unternehmensangaben sowohl in puncto Größe als auch bezüglich der bewegten Boxen das größte Inland-Containerterminal in den Niederlanden. An dem 400m langen Kai können Schiffe bis zur Klasse 5 festmachen. Zwei Krane, einer ebenfalls von Kocks, ein zweiter vom niederländischen Hersteller Figee, übernehmen den Umschlag. Das mit dem Lean and Green Star ausgezeichnete Terminal reduziert CTT zufolge den CO2-Ausstoß um 32 %. Ferner ist es AEO und Entrepot C zertifiziert, was bedeutet, dass Zölle erst beim Endabnehmer fällig werden. Die spätere Zahlung der Zollgelder sei günstiger für den Verlader, so Leussink.

Binnenschiff-Shuttles

Nach der Inbetriebnahme des neuen Umschlagplatzes in Almelo erwartet Anne-Ruth Scheijgrond, bei CTT zuständig für Akquise und Infrastruktur und gleichzeitig Spezialistin für Binnenschifffahrt bei Port of Twente, dass sich ein Teil der in Hengelo umgeschlagenen Boxen zukünftig zum neuen Standort verlagern wird.

Zwischen Hengelo und dem Seehafen Rotterdam gibt es bereits tägliche Binnenschiffsverbindungen, die künftig auf Almelo ausgedehnt werden sollen. Der Terminalbetreiber verfügt nach Angaben von Scheijgrond über acht gecharterte Schiffe, von denen die meisten auf dieser Verbindung eingesetzt werden.

Neben den beiden Umschlagplätzen in der Provinz Twente betreibt CTT ein trimodal angeschlossenes Binnenschiff-Containerterminal in Rotterdam im Bereich Botlek sowie eine Eisenbahnumschlaganlage in Bad Bentheim mit insgesamt 600m Gleislänge. Unter anderem fahren von hier aus dreimal wöchentlich Züge zu den verschiedenen Seehafencontainerterminals nach Rotterdam und umgekehrt.


Thomas Wägener