Bei einer Forschungskonferenz in Bremerhaven haben internationale Wissenschaftler kürzlich Erkenntnisse aus verschiedenen europäischen Offshore-Windprojekten ausgetauscht.
Wie lässt sich mitten im Meer wirtschaftlich und zuverlässig Strom erzeugen? Und wie wirken sich Wind, Wetter und Wellen auf[ds_preview] Turbinen, Fundamente und Rotorblätter aus? Im Rahmen der Forschungsinitiative »RAVE« (Research at alpha ventus) haben sich seit 2007 mehr als 200 Wissenschaftler und Ingenieure in gut 30 Einzelprojekten mit Fragen wie diesen beschäftigt. Insgesamt sind daraus bisher schon mehr als 400 wissenschaftliche Publikationen hervorgegangen. Ergebnisse zur Begleitforschung rund um das Offshore-Testfeld »alpha ventus« in der deutschen Nordsee hatten die Beteiligten bereits 2012 bei einer ersten Konferenz in Bremerhaven präsentiert (s. HANSA 6/2012). Nun veranstaltete das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) als Koordinator der Forschungsinitiative unter dem Titel »Offshore Wind R&D 2015« eine weitere Konferenz, die diesmal den internationalen Austausch über Erkenntnisse und Erfahrungen aus europäischen Projekten in den Mittelpunkt stellte.
Die Forschungs- und Entwicklungsprojekte der RAVE-Initiative hätten den Grundstein für das deutsche Offshore-Wind-Know-how gelegt, betonte Timo Haase aus dem Bundeswirtschaftsministerium in seiner Eröffnungsrede und verwies auf die inzwischen rund 700 installierten Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee. »Ohne die Erkenntnisse von ›alpha ventus‹ und RAVE wären wir sicher noch nicht so weit«, stellte er fest. Zugleich machte er aber auch deutlich, dass nun eine zweite Entwicklungsphase folgen müsse: »Sie muss geprägt sein durch eine noch viel stärkere Industrialisierung und Optimierung auf allen Schritten innerhalb der Wertschöpfungskette.« Nur dann könne es gelingen, die von der Branche angestrebten Kostensenkungspotenziale auch wirklich zu erreichen.
Einen Beitrag zur Kostenreduzierung soll nach dem Willen der Bundespolitik auch das geplante neue Vergütungssystem leisten, in dessen Rahmen die Vergütungshöhe für Erneuerbare-Energien-Anlagen künftig individuell über Ausschreibungen ermittelt werden soll (s. HANSA 7/2015). Ziel sei es, bezüglich der gesetzlichen Regelungen möglichst früh Sicherheit sowohl für die Investoren und Zulieferer als auch für die Häfen und die maritime Wirtschaft zu schaffen, beteuerte Haase. Seinen Zuhörern versicherte er, dass die Bundesregierung weiterhin auf den Bereich Forschungsförderung setzen werde und so Innovationen und Optimierungen bestehender Techniken unterstützen wolle. »Hier wird auch in nächster Zeit nicht der Rotstift angesetzt.«
Tests verhindern »Albträume«
Neben vielen Erfolgen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder auch Rückschläge beim Ausbau der Offshore-Windenergie zu verzeichnen. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte hier die Bard-Gruppe sein: Mit viel Optimismus und großem Kapitaleinsatz war das Unternehmen 2003 angetreten, komplett in Eigenregie den ersten kommerziellen Windpark in der deutschen Nordsee zu bauen. Zehn Jahre später waren zwar – mit erheblicher Verzögerung – alle 80 Anlagen im Projekt »Bard Offshore 1« installiert, doch die firmeneigenen Produktionsstätten für Gondeln, Rotorblätter und Fundamente waren zu diesem Zeitpunkt schon in die Insolvenz gerutscht und hatten ihre Arbeit einstellen müssen. Im Dezember 2013 wurde der Windpark mangels Kaufinteressenten an das Unternehmen Ocean Breeze übergeben, das wiederum von der finanzierenden Unicredit Bank gehalten wird.
Einen »echten Albtraum« nannte Ocean-Breeze-Geschäftsführer Jean Huby das Projekt angesichts der im Laufe der Jahre zahlreich aufgetretenen technischen Probleme. Hauptgrund dafür sei aus seiner Sicht die Tatsache, dass Bard im Jahr 2006 in die Serienproduktion eingestiegen sei, noch bevor man an Land den ersten Prototyp aufgestellt habe. Während andere Hersteller ihre Anlagen vor den ersten Offshore-Projekten ausgiebig getestet hätten, sei das in diesem Fall unterblieben. »Darum hat der Bau des Windparks letztlich so lange gedauert«, berichtete Huby. »Fehler, die normalerweise in der Testphase auftauchen und behoben werden, haben sich hier erst während der Bauphase gezeigt.« Der Offshore-Fachmann plädierte daher bei allem Bemühen um Kostensenkungen und die schnelle Einführung innovativer Komponenten dafür, neue Anlagen vor der Markteinführung intensiv auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Auch bei der Industrialisierung der Produktionsprozesse gelte es, das Gesamtbild im Auge zu behalten: »Qualität ist wichtiger als die Senkung der Produktionskosten um 5 %.«
Kostensenkung ist nicht alles
In eine ähnliche Kerbe schlug Bernhard Lange, RAVE-Koordinator beim Fraunhofer IWES. Neben der viel diskutierten Kostensenkung gebe es in den kommenden Jahren weitere, ebenfalls wichtige Herausforderungen zu bewältigen, betonte der Wissenschaftler: insbesondere die Reduktion technischer Risiken, aber auch die Integration des Offshore-Stroms ins Stromnetz und die Entwicklung einer stabilen Offshore-Windindustrie. Der Bereich Forschung und Entwicklung werde daher auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Die erfolgreichen Untersuchungen rund um das Testfeld »alpha ventus« hätten gezeigt, dass Offshore-Tests und Demonstrationsprojekte auf See nötig seien, um Forschung mit Industrie zu verbinden, sagte Lange und regte in dabei eine verstärkte europäische Kooperation an.
Dass in Sachen Forschung und Entwicklung auf internationaler Ebene schon eine ganze Menge Player aktiv sind, belegten im Rahmen der zweitägigen Konferenz die mehr als 50 Vorträge von Wissenschaftlern und Entwicklern aus neun Ländern: Da wurden Erfahrungen zum Bau und Betrieb von Offshore-Turbinen und Fundamenten ebenso diskutiert wie unterschiedliche Installationsvarianten sowie Methoden zur Risikominimierung. Auch Themen wie Betrieb und Wartung, Umweltauswirkungen und Netzanschluss standen in Bremerhaven auf der Agenda. Während zum Beispiel Tobias Henning vom Fraunhofer IWES einen Überblick über den aktuellen Stand der Netzanbindung in der Deutschen Bucht präsentierte, erläuterte Peter Menke von Siemens den Konferenzteilnehmern wenige Tage vor der offiziellen Vorstellung schon einmal Details zu einer neuen Netzanschlusslösung, die der Konzern vor dem Hintergrund seiner Kostensenkungsziele entwickelt hat (s. dazu auch S. 74).
Einen interessanten Einblick in die Bemühungen der Branche, beim Bau von Offshore-Windparks die Schallschutzvorgaben der Genehmigungsbehörde einzuhalten, vermittelte Susanne Schorcht aus dem Arbeitskreis Schallschutz des Offshore Forum Windenergie. Zwischen 2012 und 2014 hätten die Windpark-Errichter in der deutschen Nord- und Ostsee insgesamt zwölf unterschiedliche Systeme im Einsatz gehabt und diese zum Teil auch schon miteinander kombiniert, berichtete sie. Um die Schallgrenzwerte einzuhalten, habe man beim Rammen der Fundamente einen enormen Aufwand betrieben, der zusätzliche Kosten in Höhe von 15 bis 36 Mio. € pro Projekt verursacht habe: Das seien etwa 15 % der Gesamtkosten, die bei der Installation der Fundamente insgesamt anfielen. »Inzwischen kann die Branche die Grenzwerte weitestgehend einhalten«, machte Schorcht deutlich. Es gebe allerdings nach wie vor keinen allgemein gültigen Stand der Technik, sondern für jedes Projekt seien nach wie vor individuelle Lösungen zu erarbeiten. Das Fazit der Schallschutzexpertin passte nicht nur zu diesem Thema, sondern es ließ sich auch auf die weitere Offshore-Forschung und den Ausbau der Offshore-Windenergie insgesamt übertragen: »Es bleibt noch einiges zu tun.«
Anne-Katrin Wehrmann