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Die Hybrid-Partnerschaft mit Siemens ist ein wichtiger Baustein der

»grünen« Strategie bei Scandlines. Die Technologie für ein Null-Emission-Schiff ist vorhanden – mit dem entscheidenden Schritt wartet man

jedoch noch.
Mittelfristig soll eine vollständige Elektrifizierung der 142m langen Fähren auf der Vogelfluglinie durchgeführt werden. Auf der Route legt alle 30[ds_preview] Minuten eine Fähre ab, insgesamt gibt es rund 34.000 Abfahrten pro Jahr. Die aktuellen Pläne sehen eine Umsetzung auf einem ersten Schiff unter Umständen ab 2018 vor. Es wären die ersten rein elektrischen Einheiten dieser Größe. »Technisch ist das kein Problem, wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht«, sagt Geschäftsführer Claus Nicolaisen. Doch noch zögert man. Das hat verschiedene Gründe, die ihren Ursprung unter anderem in finanziellen und technischen Aspekten haben, allerdings auch in der Entwicklung um den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel.

Seit 2013 legt Scandlines einen starken Akzent auf die Batterietechnologie, beziehungsweise deren Integration in Hybridsysteme. Allein auf der Route zwischen Puttgarden und dem dänischen Rødby wurden insgesamt 25Mio. € in die Modernisierung der vier 1997 und 1998 gebauten Schiffe »Prinsesse Benedikte«, »Prins Richard«, »Deutschland« und »Schleswig-Holstein« investiert, sprich in den Einbau besagter Hybrid-Systeme. Dabei wurde einer der fünf 85t schweren MaK-Dieselmotoren ausgebaut und durch einen 50t schweren 2,7 MWh-Batterieblock sowie ein Kontrollsystem ersetzt. Der Block besteht aus 399 Lithium-Polymer-Batterien mit je 6,5 KWh und ergänzt den dieselelektrischen Antrieb.

Die Batterien von Corvus Energy sind Teil des von Siemens gelieferten Systems, zu dem etwa das Batteriemanagement, die Integration und die Automation gehört. »Prinzipiell ist das System als Einzelanfertigung mit allen Motoren­typen koppelbar«, sagt Siemens-Experte Sven Ropers. Es biete sich vor allem auf Fähren, aber auch auf Kreuzfahrtschiffen und Offshore-Spezialschiffen an. Ein Vorteil sei die lange Lebensdauer. »Nach zehn Jahren reduziert sich das Leistungsvermögen auf etwa 80%. Dann ist das System aber wiederaufladbar«, so Ropers weiter.

Der Konzern arbeitet seit knapp 20 Jahren mit Scandlines zusammen. Aus einer gemeinschaftlichen Idee zu Hybridantrieben entstand 2011 die Umsetzung der jetzigen Hybridfähren mit dem Energy-Speicher-System ESS, das Teil des BlueDrive Plus C Antriebssystems von Siemens ist, und als Puffer für die nicht benötigte Leistung der Generatorsätze dient. Die Energie ist bedarfsweise für das Bordnetz oder die Elektromotoren nutzbar. »Wir können so 15% CO2-Emissionen einsparen«, erläutert Nicolaisen. Laut Siemens reduziert sich auch der Treibstoffbedarf um bis zu 15%. Darüber hinaus stehe anders als bei konventionellen Antrieben im Falle eines Blackouts unmittelbar Energie zur Verfügung.

Bei einer konventionellen dieselelektrischen Struktur wird die Leistung des Motors über eine Schalttafel an die Antriebskomponenten geleitet. Im Falle des Hybrid-Systems ist an der Schalttafel das ESS (und damit der Batterieblock) angedockt, das je nach Auslastung die Batterien lädt oder zur Leistungsunterstützung zuschaltet. Für dieses System werden keine Ladestationen an Land benötigt. »Im Durchschnitt fährt jede Fähre derzeit nur mit einem der Dieselmotoren«, erklärt Nicolaisen. Die Reduzierung der Emissionen resultiert aus einer effizienten Nutzung von Diesel- und Batterietechnik. Während der Überfahrt variiert die Belastung und damit die benötigte Leistung, sodass sich auch die Auslastung des Motors immer wieder ändert. So stößt er in den unterschiedlichen Fahrtabschnitten auch unterschiedlich viel Emissionen aus.

Hier setzt das Hybrid-System an. Der Motor wird durchgehend auf seiner optimalen Auslastung zwischen 85 und 90% gehalten. Benötigt das Schiff darüberhinausgehenden Antrieb, springt automatisch die Batterieanlage ein. So können die Emissionen konstant auf dem für diese Bedingungen niedrigstmöglichen Niveau gehalten werden. Fällt der benötigte Antrieb wieder unter die vom Dieselmotor benötigte Konstante, schalten sich die Batterien wieder ab und werden mit der überschüssigen Motorenergie aufgeladen. Die Crew behält die ganze Zeit die Oberhand über die Energiezufuhr. Sie kann die Batterien jederzeit manuell ab- oder zuschalten – zumindest so lange sie nicht leer sind. So könnte die »Schleswig-Holstein« auf der Vogelfluglinie theoretisch mehr als die Hälfte der Überfahrt mit ihrem 2,7 MWh starken Batterieantrieb fahren. Für die gesamte Fahrt wären 4 MWh nötig.

Nach dem gleichen Prinzip, aber in einer anderen Größenordnung, wurde der Antrieb auf den zwei neuesten Scandlines-Schiffen entwickelt. In diesen Tagen nimmt die 169m lange »Berlin« mit Platz für 1.300 Passagiere und knapp 100 Fahrzeuge ihren Dienst auf. Zusammen mit ihrer Schwester »Copenhagen«, die voraussichtlich Anfang 2016 abgeliefert werden soll, bedient sie künftig die Route zwischen Rostock und dem dänischen Gedser. Die Verantwortlichen in der Reederei werden dann tief erleichtert einen Strich unter die zwischenzeitlich nicht enden wollende Odyssee der Schiffe während ihrer Bauzeit machen, die ihren Ursprung allerdings weniger in der Hybrid-Technologie als vielmehr in den immensen Problemen bei der mittlerweile insolventen Werftgruppe P+S hat. Die Neubauten waren zu schwer, es gab Mängel bezüglich Stabilität und Tiefgang. Daher wurde der Auftrag storniert, die Schiffe später schließlich doch – allerdings stark verbilligt – abgekauft und schließlich bei der Fayard-Werft nach einem umfangreichen Umbau fertiggestellt.

»Copenhagen« und »Berlin« sind wichtige Bausteine der Scandlines-Strategie. Sie dürften jedoch auf absehbare Zeit die vorerst letzten Neubauten der Reederei sein.

In den vergangenen Jahren hatte Scand-lines seine Flotte stark reduziert, wofür laut Nicolaisen die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise der gewichtigste Grund war. »Wir waren wie sehr viele andere auch davon betroffen und haben unter anderem mit dem Verkauf von Routen und Schiffen reagiert.« Umfasste die Flotte vor rund zehn Jahren bis zu 20 Schiffe, sind es mittlerweile noch sechs auf zwei Routen.

Nicht nur an der Flotte gab es Veränderungen – auch die Besitzverhältnisse blieben nicht wie sie waren. So stieg 2013 mit Allianz Capital Partners (ACP) einer der zwei Haupteigner aus und verkaufte seine Anteile an den bisherigen Co-Eigentümer, den britischen Finanzinvestor 3i.

Scandlines hat sich eine »Zero Emission«-Strategie auf die Fahnen geschrieben. Der Eigner steht hinter den Plänen: »Wir erfahren große Unterstützung, noch ist allerdings keine Investitionsentscheidung gefallen.« Einer der Kernpunkte ist das »Zero Emission Ship«, das möglicherweise auch Wasserstoff und Solarenergie nutzen könnte.

In einer Übergangsphase (»Plug-in hybrid«) sollen in Schiffen zunächst weitere Dieselmotoren ersetzt werden, Landstrom soll die benötigte Zusatzenergie liefern. Hier gibt es laut Scandlines aber noch einige infrastrukturelle Unwägbarkeiten, besonders in Deutschland. Während der 15-minütigen Hafenaufenthalte müssten theoretisch 4 MWh geladen werden. In einem letzten Schritt will die Reederei schließlich auf einen kompletten Batterieantrieb umstellen, möglicherweise mit Brennstoffzellen als »Back-up«. Die Scandlines-Verantwortlichen zögern allerdings noch mit der Umsetzung ihrer Pläne. Dies hat mehrere Ursachen, wie Nicolaisen ausführt. Zum einen ist man im finanziellen Bereich noch nicht so weit. Immerhin müssen rund 60Mio. € für eine Realisierung des »Zero Emission Ship« einkalkuliert werden. Zum anderen will man trotz der sehr guten Erfahrungen mit den Siemens-Komponenten sich und der Batterietechnik noch Zeit geben. Sie sei noch ausbaufähig. »In ein paar Jahren werden die Anlagen um 20% leistungsstärker und gleichzeitig 30% günstiger sein«, meint Nicolaisen. Daher habe man momentan keine allzu große Eile. Nicht zuletzt spielt der geplante Fehmarnbelt-Tunnel eine Rolle in den Planungen. Je früher er eröffnet wird, desto weniger würde sich ein Investment für Scandlines rentieren. Mindestens zehn Jahre müssten die Schiffe fahren, damit sich die Umstellung auf Batterieantrieb rechnet. Wie viele Experten erwartet auch die Reederei, dass der Tunnel einige Ladung von den Fährlinien abziehen wird. »Sollte es wie von den Verantwortlichen erhofft schon 2021 so weit sein, lohnt es sich für uns nicht. Wahrscheinlicher ist meiner Meinung nach eine Eröffnung irgendwann ab 2024«, so Nicolaisen. Das sei ein Vorteil für die Reederei.

Optimistisch stimmt ihn auch die Entwicklung des Ölpreises. Steigt er von seinem derzeitigen Tief wieder auf ein höheres Niveau, wie es manche angesichts der weltweiten Öl-Knappheit mittelfristig erwarten, sei die Schifffahrt eine günstige Alternative auf dieser Route. Nicht zuletzt sieht man in der Regulierung zu Ruhezeiten für Lkw-Fahrer ein Argument für die Überfahrt mit Fähren: »Sie müssen 45 Minuten Pause machen – deswegen haben wir die Route Puttgarden-Rødby auf genau diese Dauer ausgelegt.« Bei einer Fahrt durch den Tunnel falle diese Ruhezeit weg und müsse irgendwo an Land nachgeholt werden.

Die Faktoren könnten zu einer positiven Entwicklung der Hybridtechnologie führen. Ziemlich sicher ist sich Nicolaisen, dass für keine Neubauten geordert werden. Vielmehr wolle man die bestehende Flotte umrüsten – auch wenn dies aufwendige Werftaufenthalte verursachen würde. »Für Neubauten ist es nicht die Zeit«, sagt der Reedereivertreter. Für die Batterie-Technologie in der Schifffahrt hingegen sehr wohl.


Michael Meyer