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Zusammen mit der norwegischen Werft Fjellstrand hat Siemens die Technologie für die erste elektrisch angetriebene Autofähre der Welt entwickelt. Das Elektroschiff ist seit dem Frühjahr im Einsatz und zeigt,

wie emissionsfreie Mobilität auf dem Wasser funktioniert
Nach Jahren der Tüftelei und unzähligen Laborversuchen ist die Vision des Siemens-Ingenieurs Odd Moen endlich Realität geworden: eine Fähre[ds_preview], die flüsterleise und völlig emissionslos ihre Bahnen durch Norwegens Fjorde zieht, angetrieben von Elektromotoren – die weltweit erste und einzige ihrer Art. Bereits heute, so Moen, der sich bei Siemens Norwegen um den Vertrieb von Schiffslösungen kümmert, könne das Konzept sinnvoll eingesetzt werden. »Allein in Norwegen gibt es 50 Strecken, auf denen eine Batteriefähre wirtschaftlich fahren könnte«, glaubt er. »Und in fünf Jahren erwarten wir noch um einiges effizientere und günstigere Akkus.« Zudem seien gerade die Norweger Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen. Erst vor kurzem ist in Norwegen das erste elektrisch betriebene Fischerboot getauft worden – ebenfalls mit einem Antrieb von Siemens an Bord. Die nächsten Projekte für Autofähren sind schon für skandinavische Kunden geplant, aber auch aus Deutschland gibt es Interesse.

1999 haben die Experten erstmals versucht, ihre Idee zu verwirklichen. Doch damals, so Moen, war die Technik für den Markt wohl noch zu neu. Das hat sich mittlerweile geändert, zudem spielt die Umweltbilanz eine immer größere Rolle. Herausgekommen ist nun eine vollelektrische Fähre, die 34 Mal pro Tag über den Fjord »stromert«. Für die 6km lange Strecke zwischen Lavik und Oppedal nördlich von Bergen braucht die »Ampere« rund 20 Minuten. Angetrieben wird das Schiff von zwei Elektromotoren mit je 450 kW Leistung, die ihre Energie aus Lithium-Ionen-Akkus beziehen. Ein Energiemanagementsystem (EMS) ist mit Kurven für den Motorkraftstoffverbrauch bei verschiedenen Lastbedingungen programmiert.

Die Kapazität der Batterien von insgesamt 1.000 kWh ist für ein paar Trips über den Fjord ausreichend, bei weiteren Reisen wäre die Grenze aber schnell erreicht. Das Reichweitenproblem haben die Ingenieure mit einem einfachen Kniff gelöst. »Nach jeder Fahrt werden die Schiffsbatterien im Hafen wieder geladen«, erklärt Moen. Dafür sind zehn Minuten Zeit, während die Passagiere und Autos von Bord gehen. Das Stromnetz in der Region ist allerdings nur auf auf die Versorgung kleiner Dörfer ausgelegt. Siemens hat daher jeweils eine Li-Ionen-Batterie in den beiden Häfen installiert, die als Puffer dient. Während des Stopps versorgt der 260-kWh-Akku die Fähre mit Strom, danach lädt er sich wieder aus dem Ortsnetz auf. Die Ladestation ist in einem kleinen Gebäude von der Größe eines Kiosks untergebracht. Wenn die Fähre nachts im Hafen liegt, werden die Batterien direkt aus dem Netz aufgeladen. Diese Lösung sei unter den Voraussetzungen die einzige Möglichkeit gewesen, eine Batteriefähre zu realisieren, meint Moen.

Auch bei der Konstruktion der Fähre wurden neue Wege beschritten. Obwohl allein die Akkus 10t wiegen und das Schiff 360 Passagiere und 120 Autos tragen kann, ist es nur halb so schwer wie konventionelle Fähren, denn es wurde komplett aus Aluminium gefertigt. Zudem haben die Schiffsdesigner alle Bordsysteme einer Energie-Inventur unterworfen, um die größten Stromfresser zu identifizieren und mit einer neuen Generation effizienter Geräte zu ersetzen – angefangen von Leuchtdioden bis hin zu Wärmetauschern.

Nach sechs Monaten Fährbetrieb ist man bei Siemens sehr zufrieden mit der Performance des Systems. Anfangs seien starke Winde und Strömungen bei der Überfahrt nicht einkalkuliert gewesen, die den Verbrauch pro Strecke steigen ließen. Da mittlerweile auch das Andocken und Laden reibungslos funktioniere, werde die Batterie immer so weit geladen, dass sie für eine Überfahrt ausreiche – egal unter welchen Bedingungen. M

Aus: Pictures of the Future, Siemens Magazin für Forschung und Innovation, Mai 2015 (gekürzt), Autor: Florian Martini
Florian Martini