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Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) setzt ihre Flottenmodernisierung fort. Bei der Kiellegung des jüngsten Neubaus wurde mit einer Tradition gebrochen.

Der Neubau entsteht derzeit im Betriebsteil Bardenfleth der Fassmer Werft. Entgegen der bisher gepflegten Tradition, erst bei der Taufe den[ds_preview] Namen einer Rettungseinheit zu veröffentlichen, gab die DGzRS schon zu diesem Zeitpunkt den vorgesehenen Namen »Berlin« bekannt.

»Wir wünschen uns eine möglichst breite Unterstützung der Bevölkerung insbesondere aus Berlin, um den Neubau zu finanzieren«, begründet Michael Schroiff, stellvertretender DGzRS-Vorsitzer diesen Schritt. Für 2016 sei daher auch eine Spendenaktion in der Hauptstadt geplant, wo mehr als 13.000 Spender die Seenotretter regelmäßig unterstützen und rund 400 Sammelschiffchen ihren »Liegeplatz« haben.

Der Neubau ist die zweite Einheit einer völlig neu entwickelten Klasse von Seenotrettungskreuzern. Das Typschiff hatten die Seenotretter zu ihrem 150-jährigen Bestehen Ende Mai auf den Namen »Ernst Meier-Hedde« getauft und als Ersatz für den seit 1985 im Einsatz stehenden Seenotrettungskreuzer »Vormann Leiss« auf Amrum stationiert (HANSA 07/2015). Ein dritter Seenotrettungskreuzer dieser Klasse soll Mitte 2017 seinen Dienst aufnehmen.

Die Schiffe haben bei 120t Verdrängung eine Länge von 27,90m, eine Breite von 6,20m und einen Tiefgang von lediglich 1,95m. Der Antrieb erfolgt durch zwei Dieselmotoren vom Typ MTU 16V 2000 M72, die jeweils eine Leistung von 1.440 kW auf die Welle bringen. Zusammen beschleunigen sie das Zweischraubenschiff auf 24kn.

Die Besonderheit dieser MTU-Motoren ist die Fähigkeit, auch bei großen Krängungswinkeln weiterzulaufen. Das macht das sogenannte »Rough Kit« möglich. Dazu gehören eine vertiefte Ölwanne mit Dämpfungsschotten, eine geänderte Kurbelraumentlüftung sowie eine angepasste Motorsteuerung. Darüber hinaus sind die Seenotrettungskreuzer mit dem MTU-Automationssystem »Blue Vision New Generation« ausgestattet. Es überwacht und steuert sicher den Antrieb bei extremer See mit großen Schräglagen. Darüber hinaus gewährleistet eine 75-kW-Bugstrahlanlage gutes Manövrierverhalten.

Eine Spezialität der Klasse ist der zentrale Behandlungsraum mit umfassender Ausrüstung zur medizinischen Erstversorgung. Die Feuerlöschpumpe mit ferngelenktem Monitor zur Bekämpfung von Bränden hat eine Förderleistung 220m3/h und eine Wurfweite von 80m. Die geschlossene Brücke ist mit modernster Navigations- und Fernmeldetechnik ausgestattet und gewährleistet eine hervorragende Rundumsicht. Ein 7t-Schlepphaken, pneumatisches Leinenwurfgerät, umfangreiches Bergegerät sowie zwei Lenzpumpen mit einer Leistung von jeweils 48m3/h ergänzen die Ausrüstung.

In der für Seenotrettungskreuzer typischen Heckwanne wird ein 8,20m langes Tochterboot mitgeführt. Ein 170 kW starker Dieselmotor vom Typ Steyr SE 236 E40 ermöglicht eine Geschwindigkeit von 19kn.

Kreuzer und Tochterboot werden im bewährten Netzspantensystem vollständig aus Aluminium gefertigt. Die Einheiten sind für Extremsituationen konstruiert und als sogenannte Selbstaufrichter ausgelegt. Sollten sie kentern, richten sie sich selbständig wieder auf.

Die neuen Seenotrettungskreuzer der 28-m-Klasse sind als leistungsfähiger Nachfolgetyp für in den 1980er Jahren in Dienst gestellte Einheiten vorgesehen. Im Einsatz werden sie von einer vierköpfigen Besatzung gefahren. Wie alle Rettungseinheiten der DGzRS erfolgt die Finanzierung ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen und Spenden.

Die Bundeshauptstadt übernimmt auch wieder die Patenschaft. Bereits Anfang Oktober hatte der Regierende Bürgermeister eine Gedenkmedaille überreicht. Sie wurde nun bei der Kiellegung in das schon in einem fortgeschrittenen Bauzustand befindliche Spantengerüst am Hauptspant nahe des Maschinenraum-Frontschotts eingeschweißt, wird so in Zukunft das Schiff ständig begleiten und bei jedem Einsatz mitfahren. Einer alten Tradition folgend, verheißt sie den Schiffbauern, vor allem aber auch der Schiffsführung und der Besatzung Sicherheit, Glück und Gesundheit.

Die neue »Berlin« wird Anfang 2017 ihre Namensvorgängerin auf der Station Laboe ablösen. Sie ist die dritte Trägerin dieses Namens in der DGzRS-Rettungsflotte. Bereits von 1876 bis 1897 war auf der Station Wilhelmshaven ein Ruderrettungsboot »Berlin« im Einsatz.

Hans Karr