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Im Heavylift-Markt will mit BigRoll ein neuer Akteur Fuß fassen. Das vor zwei Jahren gegründete Joint Venture von BigLift und RollDock soll jedoch nicht Kräfte für die Bestandsflotte bündeln, sondern einen neu entwickelten Schiffs-typ einsetzen. Der erste Frachter steht vor der Ablieferung.
Lahmende ökonomische Entwicklungen in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern, durch den Ölpreiseinbruch gestoppte Investitionen der Offshore-Öl &-Gas-Industrie, schärferer Wettbewerb[ds_preview] durch neue Marktakteure: Der Nischenmarkt der Super-Heavylift-Schifffahrt hat wie viele andere Segmente derzeit einige Probleme zu bewältigen. Unter anderem die geschrumpfte Nachfrage nach Transporten überdimensionierter Offshore-Module oder ganzer Plattformen macht der Branche zu schaffen.

Zu den wichtigsten Akteuren zählen beispielsweise Dockwise aus den Niederlanden oder ZPMC/Red Box aus China. Die zum Boskalis-Konzern gehörende Reederei Dockwise hat eine diversifizierte Halbtaucher-Flotte (»semi submersibles«) mit der 275m langen, 70m breiten sowie 117.000t tragenden »Dockwise Vanguard« als Flaggschiff – und nach eigenen Angaben seit der Übernahme durch Boskalis zwei sehr gute Jahre hinter sich. ZPMC betreibt laut offiziellen Zahlen 22 Heavylift-Frachter mit bis zu 100.000tdw, inklusive einiger Halbtaucher-Einheiten. Das Reedereigeschäft profitiert von Aufträgen aus dem Mutterkonzern, der unter anderem große Containerkrane baut und weltweit vertreibt.

Doch der Wettbewerb ist in Bewegung. So trat Mitte 2013 mit BigRoll ein neuer Anbieter auf den Markt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine komplett neue Reederei. Vielmehr stehen hinter dem Projekt zwei bekannte Unternehmen: BigLift Shipping und RollDock, ebenfalls aus den für ihre Expertise in diesem Bereich bekannten Niederlanden. Man wolle der Entwicklung einen Schritt voraus sein und den Unterschied ausmachen, hieß es bei der Bekanntgabe des Joint Ventures.

Wenige Monate nach dem offiziellen Start begannen die Verantwortlichen, ihre Pläne für BigRoll umzusetzen. Bei der chinesischen Werft COSCO Dalian wurden zunächst zwei, ein gutes Jahr später zwei weitere Spezialschiffneubauten in Auftrag gegeben. Mit der »BigRoll Barentsz« steht der erste Frachter der sogenannten MC-Klasse kurz vor der Ablieferung und soll nach aktuellen Planungen im März 2016 seine erste Charter antreten.

Die Konstruktionsarbeiten waren darauf ausgelegt, ein »einzigartiges Design« zu bekommen, sagt Manager Johan Boer. Im Ergebnis sei ein Module-Carrier entwickelt worden, der sehr stabil im Wasser liege und sich durch einige technische Details abhebe – allerdings ohne eigene Ladekrane.

Die von Lloyd’s Register klassifizierten 173m langen Schiffe sind 42m breit, lediglich 6,5m tiefgehend und haben eine Tragfähigkeit von 20.675t. Ein wichtiger Aspekt ist zum einen das vergleichsweise breite und 125m lange, komplett freie Deck mit einer Fläche von 5.250m2. Es hat eine maximale Lastkraft von 20t/m2. »Die Bauweise der »BigRoll Barentsz« und ihrer Schwestern ermöglicht Lade- und Löschvorgänge sowohl im Lift-on/Lift-off-Verfahren als auch im RoRo-Modus«, erläutert Boer.

Den JV-Partnern BigLift und RollDock war diese Konstruktion besonders wichtig, um ihr eigenes Portfolio zu ergänzen. Überhaupt ist BigRoll stark darauf ausgerichtet, zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen und weniger – wie in vielen anderen Fällen von Joint Ventures – Kräfte für die bestehenden Flotten zu bündeln. Aus 1 und 1 wird somit nicht 2, sondern 3. Das Design birgt möglicherweise jedoch ein Risiko, sagt ein Marktkenner. So könne die fehlende eigene Krankapazität zu Ineffizienzen führen, wenn landseitiges Equipment extra bereitgestellt werden müsse oder – wie in manchen noch nicht voll entwickelten Regionen nicht unüblich – gar keine Krane vorhanden beziehungsweise zu klein seien.

BigLift betreibt derzeit 15 Heavylift- und RoRo-Schiffe mit bis zu 1.800t Krankapazität und 18.400tdw. Für RollDock fahren vier RoRo-Halbtaucher-Einheiten mit bis zu 9.000tdw und 700t Hebelast, zwei davon bei FSG in Deutschland gebaut.

RollDock hat sich vor allem mit Float-in/Float-out-Geschäft einen Namen gemacht, bei BigLift liegt die Expertise eher im LoLo-Segment. »Durch das Joint Venture können wir den Kunden beider Anbieter nun mit größeren und anderen Schiffen einen echten Mehrwert bieten, weil wir in einen neuen Markt expandieren und gebündelte Kompetenzen einbringen«, sagt der Manager. Soll heißen: Neue Ladungsarten und Kontrakte und damit im Idealfall auch mehr Kunden. Zumindest sind mehr Services aus einer Hand möglich. Falls für bestimmte Ladungs- beziehungsweise Transportaufträge verschiedene Schiffstypen nötig sind oder einer der Partner mit seinem eigenen Portfolio nicht anbieten kann, ist im Zweifel ein Rückgriff auf verschiedene Schiffstypen möglich. So können Synergien gehoben und administrativer Aufwand reduziert werden. Boer beschreibt das so: »Man muss heutzutage kreative Transportlösungen anbieten.« Die nicht abtauchbaren Module Carrier können am Heck und an der Seite im RoRo-Verfahren oder rutschend beladen und gelöscht werden.

Neben den Ausmaßen des freien Decks sieht Boer weitere Vorteile des Designs. Durch die PSMR-Notierung (Propulsion and Steering Machinery Redundancy) und die schlanke Rumpfform könne man gleichmäßige Geschwindigkeiten und kurze Transitzeiten gewährleisten. Das diesel-elektrisch angetriebene Schiff kann den Angaben zufolge konstant 12,5kn fahren und gleichzeitig die Stabilität wahren – wodurch nicht zuletzt weniger Beschleunigungskräfte auf die Ladung wirken. »Das ist ein wichtiges Argument in Kundengesprächen«, so Boer. Es gibt zwar eine hohe Ballastwasser-Kapazität für kompliziertere Lade- und Löschvorgänge. Durch die technischen Spezifikationen müsse aber vergleichsweise wenig Ballastwasser gepumpt werden, was eine nicht unwesentliche Zeitersparnis zur Folge habe.

Boer ist sich sicher, dass es einen Markt für BigRoll gibt – gerade in abgelegeneren Regionen, die neu erschlossen werden müssen. Ob das in diesen Zeiten wirklich aufgeht, muss sich allerdings erst noch zeigen. Die schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht wegzudiskutieren. Auch für die Heavylift-Branche kommt es darauf an, wann die Märkte wieder anziehen. Ein positives Signal kam kürzlich von der Welthandels- und Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (UNCTAD). Sie prognostizierte für die sogenannten »Greenfield Foreign Direct Investment« (ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsgebieten) nach einem Rückgang im Jahr 2014 nun ein Wachstum für 2015.

Die davon betroffene Energieindustrie ist ein immens wichtiger Markt für Heavy­lift-Operateure. Auch die MC-Klasse ist unter anderem dafür ausgelegt, sei es nun für den Transport großer Module oder ganzer Plattformen, die zu Installationsschiffen transportiert werden. Die maximale Ladungsgröße ist gemeinsam mit der stabilen Lage auf See das wichtigste Argument, mit dem man auf dem Markt punkten will.

Im Bereich kleinerer Ladungen gibt es eine Vielzahl von Anbietern, die mit einer großen Gesamtflotte von Mehrzweck- oder kleineren Heavylift-Frachtern um die geschrumpften Volumina kämpfen. Die Branche leidet unter Tonnage-Überkapazitäten und muss sich zudem mit Wechselwirkungen aus der Bulker-Branche herumschlagen, weil Massengutfrachter wegen stark eingebrochener Raten immer öfter kleinere MPP- oder Heavylift-Ladungen absorbieren.

Für die ersten beiden BigLift-Neubauten »BigRoll Barentsz« and »BigRoll Bering« konnte eine mehrjährige Charter gefunden werden. Yamgaz, ein Konsortium von Technip, JGC Corporation und Chiyoda Corporation, wird die Schiffe für Transporte zum neuen Offshore-LNG-Projekt »Yamal« in der nordrussischen Arktis beschäftigen. Dort ist auch ZPMC im Rahmen eines Joint Ventures mit Red Box involviert. Die Partner setzen vier Heavylifter ein, die mit einer Decksfläche von 161,9m x 43m und 25t/m2 ebenfalls auf ein großes Deck setzen.

Mit der finnisch-schwedischen Notierung »1A Ice Class« können sie bei Temperaturen bis minus 39 °C operieren und auch die Nordostpassage befahren. Der Auftrag hatte Auswirkungen auf den Bau der Schiffe. Deren Design ist zwar prinzipiell auf den Betrieb eines dynamischen Positionierungssystems DP2 ausgelegt. Die ersten beiden Neubauten sind damit jedoch noch nicht ausgerüstet, »weil es im Yamal-Projekt nicht notwendig ist«. Eine Nachrüstung sei aber relativ unproblematisch möglich.

Prinzipiell ist der Markt aber nicht auf Offshore-Plattformen beschränkt. Bei ­BigRoll hat man außerdem Transporte von Kraftwerksmodulen, Containerumschlagkranen oder Segmenten für die Schiffbau-Industrie im Auge.

Nach Angaben von Boer gibt es für die baugleichen Schwestern »BigRoll Baffin« und »BigRoll Beaufort« noch keine Charter. Dafür ist der Markt derzeit wohl auch zu schwach. Von Vorteil könnte daher sein, dass die Spezialfrachter erst frühestens im zweiten Halbjahr 2016 und im Frühjahr 2017 ihren Dienst aufnehmen sollen. So lässt sich auf eine zumindest einigermaßen ertragreiche Verbesserung der Lage hoffen.

Bei BigRoll schaut man trotz der Schwierigkeiten optimistisch in die Zukunft. »Wir sind ein Newcomer und haben hart dafür gearbeitet, uns einen Namen zu machen sowie das Vertrauen von Offshore-Kunden zu erlangen. Mittlerweile führen wir viele Gespräche«, so Boer. Läuft es so, wie es sich das BigRoll-Team vorstellt, ist ein Wachstum des Joint Ventures durchaus möglich. Weitere Neubau-Pläne gebe es zwar »noch nicht«, heißt es. Aber: »Wir sind ein innovatives niederländisches Unternehmen und haben Pläne«, kommentiert Boer.

Michael Meyer