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Die Konsolidierung in der Containerschifffahrt birgt für einige Häfen das Risiko geringerer Anlaufzahlen. Kleinere Standorte direkt frequentierten Regionen wie Göteborg könnten jedoch profitieren
Die Bilanzen der großen Containerhäfen bilden spiegelbildlich die Höhen und Tiefen der globalen Transportvolumen ab. An den Umschlagmengen des letzten[ds_preview] Jahres lässt sich die Schwächephase großer Märkte wie China und Europa ablesen. Unter den Häfen der europäischen Nordrange haben vor allem Hamburg und Bremerhaven gelitten. Aber auch Europas umschlagstärkster Standort Rotterdam konnte keinen großen Sprung machen. Das zweitplatzierte Antwerpen meldete eine vergleichsweise gute Entwicklung von 9,0 auf 9,6Mio. TEU. Für das laufende Jahr ist angesichts der globalen Rahmenbedingungen nur verhaltener Optimismus angebracht.

Eine weitere Belastung könnte aus der Schifffahrt selbst kommen – in Form der Linien-Konsolidierung, die Fahrt aufgenommen hat. Zwar dürften die geplanten Fusionen von CMA CGM mit APL, COSCO und CSCL und möglicherweise auch Hanjin mit Hyundai Merchant Marine (HMM) frühestens zum Jahresende effektiv werden. Für die Zeit danach jedoch ist ein Szenario, dass die fusionierten Reedereien und Allianzen ihre Dienste noch stärker rationalisieren.

Die eigentlichen Transport-Volumina für den Welthandel wird das einerseits nicht zwingend verändern, die Wirtschaft kümmert sich weniger um die Struktur ihrer Dienstleister. Andererseits werden die neu formierten Carrier und Allianzen die Stahlboxen verstärkt auf die Flotte verteilen, sprich die Schiffe effektiver auslasten und so kostspielige Fahrten vermeiden. Entsprechend könnte die Anzahl der Anläufe in den Häfen sinken und mit ihnen die daraus entstehenden Einnahmen, etwa aus Hafen- und Liegegeldern.

Dass die Reeder das Auflegen von Schiffen nicht wirklich scheuen, haben die vergangenen Monate deutlich gezeigt. So verfünffachte (!) sich die summierte Kapazität der beschäftigungslosen Frachter laut dem Branchendienst Alphaliner im vergangenen Jahr auf 1,36Mio. TEU. Der Trend zu immer mehr übergroßen Schiffen setzt sich unabhängig von infrastrukturellen Herausforderungen fort und verschärft die Situation in den Häfen zusätzlich. 2016 bis 2018 kommen nach Alphaliner-Berechnungen 121 Schiffe mit Kapazitäten zwischen 13.300 und 21.000TEU in Fahrt – Stand heute.

Andere Perspektive

Aus einer anderen Perspektive betrachtet bietet die Linienkonsolidierung allerdings durchaus auch Chancen für die Häfen, zumindest für eine spezifische Gruppe. Zu ihr sind Standorte zu zählen, die nicht ohnehin schon von einer größeren Linien-Anzahl mit vielen direkten Übersee-Diensten bedient werden. In Nordeuropa sind dies beispielsweise Gdansk (siehe S. 76/77) in Polen oder Göteborg in Schweden. Größere Reederei- oder Allianzgebilde führen für sie möglicherweise zu mehr jener Direktanläufe, weil sich dies für die Carrier mit ihren dann summierten Ladungsaufkommen eher lohnt.

In Göteborg ist man daher relativ positiv gestimmt: »Aus der Entwicklung erwachsen einige Vorteile für uns. Wir könnten eine Zunahme der Anläufe großer Schiffe sehen«, sagt Claes Sundmark, Vizepräsident und verantwortlich für das Containergeschäft in Göteborg. Neben Öl und Ölprodukten sowie unter anderem durch Fahrzeugverschiffungen von Volvo verursachte RoRo-Ladungen ist der Containerumschlag eine tragende Säule für den Hafen.

60% des schwedischen Containerverkehrs laufen über Göteborg, 51% entfallen auf den Export, der wiederum stark von Holz und Holzprodukten geprägt ist. Die Verantwortlichen zählen 15 Linien mit rund 20 Anläufen pro Woche, darunter von den Top-3-Reedereien ­Maersk, MSC und CMA CGM. Das Terminal wird von APM Terminals betrieben. Nach krisenbedingt leichten Schwierigkeiten ab 2012 und einem schwächeren ersten Halbjahr zog der Umschlag ab dem dritten Quartal 2015 wieder an. Einer der Gründe dafür war ein zusätzlicher Fernost-Direktanlauf der G6-Allianz. »Bis dahin hatten wir neben einem Nordamerika-Direktdienst von ACL und – in mehrwöchigen Abständen – einer Indien-Verbindung von SCI einen Direktdienst nach Asien durch die 2M-Allianz von ­Maersk und MSC. Die Triple-E-Schiffe laufen Göteborg bereits seit ihrer Indienststellung regelmäßig an«, so Sundmark.

Er erhofft sich weiteres Wachstum. Laut APMT sind zusätzliche Umschlagmengen kein Problem, man geht von einer Kapazitätsgrenze von 2Mio.TEU aus. Das Hafen-Management hat sich zum Ziel gesetzt, vor allem die Anzahl der Direktverbindungen zu erhöhen – alleine schon, weil die Großkunden Volvo, IKEA und das Bekleidungsunternehmen H&M dies bevorzugen: »Wir wollen einen weiteren US-Dienst sowie je einen nach Südamerika und in den Mittleren Osten. Nach Fernost könnten wir insgesamt drei Dienste stemmen.« Die wichtigsten Handelspartner sind China sowie andere Länder in Nordost- und Südostasien. Diese Gruppe machen 50% der Volumina aus. Es folgen Nordamerika sowie mit etwas Abstand einige Mittelmeeranrainer.

Als allzu große Konkurrenz zu den etablierten Überseehäfen an der Nord­range will man sich jedoch nicht sehen, man brauche auch Hamburg und Rotterdam als Partner. »Wir benötigen ein gutes Feeder-Netzwerk, weil wir nicht alle kleineren Häfen bedienen können, für die unsere Ladungen bestimmt sind«, erläutert Sundmark.

Auch den Wettbewerb mit Gdansk sieht er relativ positiv. Der polnische Hafen wird ebenfalls von der 2M-Allianz angelaufen: »Die Carrier haben also offenbar ausreichend Ladungsmengen. Das ist gut für uns, weil ansonsten der Göteborg-Anlauf alle entsprechenden Kosten für die Ostseereise kompensieren müsste.« Auf der anderen Seite stehe man natürlich um Transshipment-Ladungen nach Russland, Finnland oder ins Baltikum in Konkurrenz. Weil Göteborg aber derzeit keine Ladung für Russland hat, ist der Standort – anders als etwa Gdansk oder auch Hamburg – nicht von den Schwierigkeiten betroffen, die mit den Wirtschaftssanktionen zusammenhängen.

Einen Vorteil im Hafenwettbewerb sieht Sundmark in den nautischen Bedingungen mit kurzer und tideunabhängiger Revierfahrt. Wenn er auf Werbetour bei Reedereien ist, führt er darüber hinaus die Schienenlogistik im Hinterlandverkehr und die Containerisierung im Hafen als Argument für Göteborg an. In den vergangenen Jahren wurde in Lager- und Beladungsstätten sowie die Gleisanbindung investiert. Die Zahl der per Zug verladenen Container stieg seit dem Jahr 2000 von 125.000 auf 406.000TEU. Schenker hat erst kürzlich eine große Logistikfläche übernommen. Container können so vor Ort ent- und relativ schnell wieder beladen werden, etwa mit Gütern der Holzindustrie aus Nordschweden. »So reduziert sich die Zeit, in der ein Container in Schweden verbleibt, was für unsere Kunden wichtig ist.«

Durch die Ausbauprojekte der Vergangenheit und die weiteren Pläne steht der Hafen nun allerdings vor einer neuen Herausforderung: Es fehlt an Ladung, um die Kapazitäten auszulasten. Man ist ein wenig »over-invested«, meint Sundmark. Bevor man weitere Expansionen angehe, wofür ausreichend Platz zur Verfügung stünde, müsse man nun neue Volumen generieren – der Grund für die jüngste Besuchsrunde zu den Linienreedereien.

An zusätzlichen Stellschrauben soll gedreht werden. Die 65% Marktanteile innerhalb Schwedens sollen erhöht werden. Im Vergleich zu Stockholm beispielsweise habe man den Vorteil, dass man nicht nur einen Konsum- sondern auch einen Produktionsmarkt im Hinterland habe.

Außerdem sieht er in einer weiteren Containerisierung von Holzprodukten ein großes Potenzial. 1,5Mio. TEU seien möglich. Nicht zuletzt will Sundmark mit seinem Team das Transshipment-Volumen steigern, beispielsweise mit norwegischen Im- und Exortladungen. Der Status des Hafens als große Lagerstätte soll dabei helfen.

»Es gibt einiges zu tun«, sagt Sundmark. Letztlich habe man es aber nicht allein in der Hand, da man wie jeder Standort vom Welthandel abhängig sei


Michael Meyer