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Die Rickmers Gruppe will innerhalb von höchstens 24 Monaten neue Kapitalquellen erschließen. Dafür werden bei dem Traditionsunternehmen derzeit verschiedene Optionen geprüft.
Man sei nun schon seit einigen Jahren dabei, das Unternehmen so aufzustellen, dass es den Anforderungen des internationalen Kapitalmarktes entspricht[ds_preview], sagt Rickmers-CEO Ignace Van Meenen. Governance, Compliance, Transparenz lauten die Begriffe, die in diesem Zusammenhang fallen. Wachstum und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit sind das Ziel. »Wir sind auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel.« Fünf Jahre dauere dieser Transformationsprozess bereits, »und wir bewegen uns Schritt für Schritt voran«, sagt Van Meenen.

Das Unternehmen hatte im Jahr 2013 erstmals eine Anleihe über zuletzt 275 Mio. € im Prime Standard der Frankfurter Börse platziert. 2014 folgte durch die Tochterfirma Rickmers Maritime Trust in Singapur, an der Rickmers 34,2 % hält, eine Medium Term Note (Schuldverschreibung) mit einem Ausgabevolumen von 100 Mio. SGD. Schließlich konnte die Rickmers Gruppe im vergangenen Jahr die Verhandlungen über die Neuordnung laufender Bankendarlehen im Gesamtwert von 1,28 Mrd. € erfolgreich abschließen. Im Juni 2015 wurde die Holding in eine Aktiengesellschaft umgewandelt . Eine Art Masterplan, zusammengefasst auf lediglich einer A 4-Seite, gibt die Marschrichtung der Neuausrichtung vor. Einziger offener Punkt bis Ende 2017 ist demnach »die Stärkung der Kapitalbasis« für den weiteren Ausbau der Flotte.

»Wir prüfen systematisch und unter Einschaltung entsprechender Investmentbanken verschiedene Optionen«, so CFO Mark-Ken Erdmann. Vorstellbar seien ein Börsengang oder auch der Einstieg von Investoren in das Unternehmen. Kein unbekanntes Terrain für die Gruppe. Die Singapur-Tochter Rickmers Maritime ist bereits seit Jahren an der Börse gelistet. Im Joint Venture mit dem US-Investor Apollo ist die Gruppe an insgesamt zwölf Schiffen beteiligt, zudem übernimmt sie für Oaktree Capital Management das Management von acht Neubauten.

Es gehe in jedem Fall um eine Re-Kapitalisierung der gesamten Gruppe, die aus rund 100 vollkonsolidierten Gesellschaften bestehe, und somit um eine Stärkung des Eigenkapitals. Einzellösungen wie eine Master Limited Partnership (MLP), eine Art Super-KG oder auch Asset-Plattform für Teile der Flotte, kommen aktuell nicht in Frage. Kontinuierlich werde dieser Plan abgearbeitet, betont Erdmann. »Die optimalen Voraussetzungen dafür sehe ich angesichts der volatilen und eingetrübten Märkte derzeit nicht, es kann nur darum gehen, vorbereitet zu sein und den für uns geeigneten Moment abzupassen.«

Rickmers hatte wie viele andere deutsche Reedereien vom Boom des KG-Marktes gelebt und profitiert. Von den einst 63 Anleger-finanzierten Schiffen waren zum Jahreswechsel 2015/16 allerdings nur noch elf übrig, bis 2019 könnte deren Zahl auf nur noch zwei schrumpfen. Die Gesamtflotte ist im vergangenen Jahr von 110 auf inzwischen 130 Einheiten angewachsen, weil neben den eigenen Einheiten verstärkt Schiffe von Dritten ins Management (Bereederung) genommen werden konnten. 55 waren es im Jahr 2015 gegenüber 30 im Jahr zuvor. Mit 52 eigenen Schiffen in der Rickmers Gruppe (inklusive Rickmers Maritime) sowie zwölf Einheiten in dem Joint Venture mit Apollo gehört das Unternehmen zu den weltweit größten Tramp-Reedern – wie Seaspan (Kanada), Costamare (Griechenland) oder auch Claus-Peter Offen und Peter Döhle in Hamburg.

Doch gerade am jüngsten Neubau-Boom waren Deutsche, immer noch weltweit führend bei Containertonnage, kaum beteiligt. Van Meenen weist aus dem Fenster der am Elbufer gelegenen Firmenzentrale, hinüber zum Containerterminal Burchardkai. »Da liegen die alte und die neue Welt dicht beieinander«, sagt er. Kleinere Containerschiffe im Vordergrund, wie sie früher für etwa 30 Mio. $ gern und oft von Banken und KG-Anlegern finanziert wurden. Dahinter die neuen Mega-Carrier mit deutlich mehr als 10.000 TEU. Die führenden Linienreedereien haben zuletzt ganze Serien von VLCV auf asiatischen Werften bestellt, das Investitionsvolumen liegt jeweils bei 500 Mio. $ bis 1 Mrd. $. »Diese Finanzkraft muss man erst einmal aufbringen«, sagt Van Meenen. Mit Familienkapital allein sei dies nicht mehr zu stemmen.

Nur an einem einzigen Tender der jüngeren Vergangenheit waren gleich mehrere Hamburger Reedereien beteiligt, als die japanische MOL sechs ULCV mit 20.000 TEU bestellen wollte. Rickmers war gemeinsam mit einem Private-Equity-Investor angetreten, dazu kam ein Verbund von Döhle mit Bernhard Schulte und der Reederei Nord, geboten hatten auch Seaspan, Costamare und Shoei Kisen Kaisha. Das Rennen für zwei der Schiffe machten die Japaner, »wir waren wohl zu teuer«, sagt Van Meenen. Und vielleicht sei die Ausschreibung für das Unternehmen auch zu früh gekommen, da der Ausbau der Kapitaldecke noch nicht abgeschlossen sei.

Auch Rickmers spürt die Auswirkungen der Schifffahrtskrise durch dramatisch gesunkene Charterraten mit aller Wucht. Die Bilanz nach dem 3. Quartal 2015 wies zwar eine Umsatzsteigerung auf knapp 440 Mio. € von 410 Mio. € im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres (ein Plus von 7,4 %) und ein auf 198,5 Mio. € (3. Quartal 2014: 156 Mio. €) verbessertes operatives Ergebnis (EBITDA) aus. Das Konzern-Nettoergebnis von 9,2 Mio. € wurde jedoch mehr als aufgezehrt durch erhebliche Wertberichtigungen von insgesamt 103 Mio. €, vor allem für Schiffe mit kurzfristig auslaufenden Charterverträgen der börsennotierten Singapur-Tochter Rickmers Maritime. Es blieb ein Konzernfehlbetrag von 94,2 Mio. €.

Insgesamt summieren sich die bilanziell erfassten Wertberichtigungen seit 2012/2013 auf rund 300 Mio. €. »Schmerzlich, aber aufgrund der seitens der IFRS relativ eng gesetzten Normen unvermeidlich«, wie Erdmann betont. Dieser Betrag entspreche rund 10 % der Gesamtbilanzsumme in Höhe von 2,9 Mrd. € (30. Juni 2015). Hinzu kämen planmäßige Abschreibungen in Höhe von etwa 4 % pro Jahr (über 27 Jahre). Zum Stichtag 30. Juni 2015 weist Rickmers Schiffsdarlehen in Höhe von insgesamt 1,46 Mrd. € aus, derzeit laufen Verhandlungen über die Verlängerung von Bankdarlehen in Höhe von umgerechnet 485,5 Mio. € bis in die Jahre 2020/2021 hinein.

Dem gegenüber standen ein Schiffsanlagevermögen von 2,7 Mrd. €, eine Eigenkapitalausstattung von rund 675 Mio. € sowie ein Chartervolumen von rund 1,5 Mrd. $. Letzteres basiert zu annähernd 70% auf Verträgen mit den Marktführern im Containerliniengeschäft (unter anderem Maersk, CMA CGM, MOL) die vor allem für die eigenen, großen Einheiten zum Teil langfristig bis in die Jahre 2020/2021 geschlossen sind. Der Spotmarkt-Anteil liege bei rund 18 % der Chartererlöse.

Die Rickmers-Gruppe soll auch in herausfordernden, volatilen Märkten wachsen. Das strategisches Ziel lautet, bis zu 80 % der Einnahmen aus langfristigen Charterverträgen zu generieren. Dafür soll die eigene Flotte vom Eco-Feeder bis zum Großcontainerschiff, auch über Drittgeschäft, weiter ausgebaut werden.

»Voraussetzung hierfür ist und bleibt eine ausreichende Stärkung der Eigenkapitalbasis«, so Erdmann. In Abgrenzung zu wichtigen Wettbewerbern wie Seaspan legt man bei Rickmers zudem Wert darauf, die Kompetenz für die technische Bereederung der Schiffe im Hause zu halten und den Kunden einen umfassenden Service anzubieten. Aber auch »anorganisches« Wachstum sei nicht ausgeschlossen, zum Beispiel durch Zusammenschlüsse im laufenden Konsolidierungsprozess.


Krischan Förster