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Der Offshore-Öl- und Gasmarkt hat sich vom Fels in der Brandung zum Sorgen­kind entwickelt. Eigner von Service-Schiffen leiden unter katastro­phalen Charterraten. Die deutsche Reederei Opielok will die Krise mit Flexibilität überwinden und sucht sich einen neuen Markt.
Der Markt der Plattformversorger (PSV) galt im Vergleich zu den großen, zum Teil extrem kriselnden Container- und Bulker-Segmenten lange[ds_preview] als sicherer Hafen. Im Zuge der Erschließung ganzer Seegebiete für die Ölförderung – etwa in Brasilien, Westafrika, Nordeuropa oder Australien – war der Bedarf an Service-Tonnage sehr hoch. Diese Zeiten sind jedoch vorbei.

Der Kampf um Marktanteile zwischen den ölfördernden Staaten der OPEC, allen voran Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie den USA, Kanada und Russland, hat zu einem Einbruch des Ölpreises geführt. Infolgedessen rentieren sich viele aufwendige Förderprojekte nicht mehr. Sie werden gestoppt, Investitionen verschoben. Die Nachfrage nach Tonnage ist entsprechend extrem gesunken. Einst so große Märkte wie Norwegen oder Brasilien, wo eine schwere politische Krise die Entwicklung zusätzlich zum Erliegen gebracht hat, sind stark geschrumpft. Die großen Ölkonzerne haben ihre Offshore-Ausgaben 2015 um rund 15% reduziert. Die PSV-Eigner haben das Nachsehen.

Allein in der Nordsee wurden mittlerweile über 120 Schiffe aufgelegt. Durchschnittliche Charterraten sind von vormals 29.500$ auf 18.500$ pro Tag gesunken. Die Preise variieren nach Regionen, ähnlich wie die Betriebskosten. Sie liegen für ein mittelgroßes PSV in Brasilien bei 18.000$, in Australien bei 20.000$ oder in Afrika bei 8.000$.

Vor allem Brasilien ist ein großes Problem, der Markt ist komplett eingebrochen, der Staat durch die politische Krise gelähmt. Die vielen dort eingesetzten europäischen PSVs überschwemmen nun andere Märkte wie vor Mexiko oder Afrika.

Marktführer Tidewater etwa warnte bereits, dass es dringend nötig sei, die Zahl der aktiven Plattformen wieder zu erhöhen. Eine Verschrottungswelle würde keine Wirkung mehr haben, hieß es bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz im September. Tidewater selbst musste schlechte Zahlen melden. So brachen die Einnahmen der PSV-Flotte von 772.000$ auf 562.000$ ein. Vom 10-Mio.-$-Vorjahresgewinn rutschte man mit 59Mio. $ in die roten Zahlen. Andere europäische Reedereien sollen bereits Insolvenzwarnungen an Anleger verschickt haben. Zum Teil fehlt bereits die Liquidität für größere Überführungsreisen, heißt es von Beteiligten.

Wann es zu einer Erholung kommt, ist unklar. »Die schwierige Frage ist, was in der Zwischenzeit zu tun ist«, schreiben die Analysten von Wikborg Rein in ihrem jüngsten Marktbericht. Das Beratungsunternehmen AlixPartners warnte unlängst, dass einigen PSV-Eignern der Bankrott droht, weil für die vielen Neubau-Order – zu Hochpreisen finanziert – große Kreditverpflichtungen auf die Bilanzen drücken. In diesem Jahr soll die Flotte wie 2015 um 18% wachsen. Über 410 Neubauten stehen im Orderbuch.

Wie auf allen Märkten gibt es auch in der Offshore-Branche verschiedene Strategien, um der Probleme Herr zu werden. Die Möglichkeiten reichen von der Übernahme anderer Wettbewerber zur Stärkung der Marktanteile oder dem Rückzug aus dem Geschäft über Kooperationen bis zur Quersubventionierung problematischer Geschäfte mittels ertragreicherer Segmente.

Eine Reederei, die diesen Weg von der Entwicklung getrieben geht, ist das Hamburger Unternehmen Opielok Offshore Carriers (OOC), das ebenfalls unter dem Ratenverfall leidet. Die Flotte umfasst unter anderem fünf PSVs und wird weltweit eingesetzt.

Weil die Raten immer mehr nach unten verhandelt werden, hat OOC zuletzt jedoch zwei seiner Schiffe aufgelegt. Eine Besserung erwartet Reeder Christopher Opielok kurzfristig nicht: »Das wird eine lange Durstrecke, die uns bis 2018 wirklich herausfordern wird. Spätestens dann brauchen wir aber eine signifikante Erholung, sonst wird es noch schwieriger.«

Er hat seiner Reederei gezwungenermaßen eine umfangreiche Flexibilität verordnet, um die Krise auf den Schifffahrtsmärkten zu meistern. Sein Ziel ist es, mit möglichst starker Eigenkapitaldecke und einer flexiblen Exit-Strategie von den gegebenen Umständen zu profitieren.

Seit der Gründung als Reederei Opielok im Jahr 1998 hat er den Betrieb stark gewandelt. Aus der KüMo- und Containerfeeder-Fahrt kommend, stellte er sein Unternehmen im Laufe der Jahre immer wieder neu auf, um neue Märkte zu erschließen. Früh wagte er den Ausstieg. Zwischen 2005 und 2007, noch vor der großen Krise durch die Lehman-Pleite, verkaufte Opielok sukzessive die gesamte Flotte »zu guten Preisen« und stieg schließlich in den PSV-Markt ein. Den zwischenzeitlich eingeschlagenen Weg in die Bulkerschifffahrt verließ er gezwungenermaßen relativ schnell wieder, nachdem klar wurde, das dieses Segment in extreme Schieflage geraten war. Bis zu drei Schiffe umfasste die Bulker-Flotte. Als der Markt zusammenbrach, war der Verkauf der Frachter nicht mehr zu verhindern, die Anleger gingen fast leer aus. Im Laufe der Zeit baute OOC eine Flotte von fünf in Norwegen, Indien und Thailand gefertigten Schiffen zwischen 3.000 und 3.200tdw auf. Mit dem charakteristischen Tiger-Emblem am Bug war man unter anderem in Australien, Afrika und in der Nordsee vertreten.

Es gab zwar von Zeit zu Zeit kleinere Ratenabschwünge, insgesamt lief das Geschäft aber zufriedenstellend. Dann kam allerdings der große Einbruch am Markt, dem sich nun auch OOC nicht entziehen kann. Ein Grund sind die Tonnageüberkapazitäten. »Die Flotte ist total überbaut. Wir können davon ausgehen, das die Hälfte der PSVs keine Beschäftigung haben, und wenn, dann nur gelegentlich. Das ist wirklich dramatisch und steht in keinem Verhältnis zu Bulkern und Containerschiffen«, so Opielok. Seine eigene Flotte sei nur zu 65% ausgelastet.

Unter Experten herrscht keine klare Meinung zu einer möglichen Erholung. Fast alles hängt von den politischen Entscheidungen der Förderländer und dem daraus resultierenden Ölpreis ab.

Opielok will diese Zeit mit einer strategischen Wandlungsfähigkeit überbrücken. Er sieht die Krise durchaus pragmatisch. »In den vergangenen fünf bis sechs Jahren gab es viele gute Zeiten. Und ein klassischer Zyklus für Schiffsinvestments sind jene fünf bis sechs Jahre.« Daher strebe er auch nicht an, die Schiffe noch sehr lange zu behalten. Einer Veräußerung steht derzeit jedoch der Markt entgegen. »Wir wollen verkaufen, sobald wir die Anleger vernünftig befriedigen können. Aber das wird in den nächsten drei Jahren sehr schwierig. Wir denken bei unseren Investitionen immer kurzfristig. Sobald unser Anlageziel erreicht wird, verkaufen wir. Bei den PSV hat es leider bislang nicht geklappt.«

Eine Marktkonsolidierung, wie sie in der Containerschifffahrt immer wieder diskutiert wird, hat es in der Offshore-Branche bislang nicht gegeben. Fusionen oder Übernahmen standen noch nicht im Fokus der Beteiligten. »Bisher war dies nicht notwendig. Aber die angespannte Situation diverser Reedereien wird dazu führen, dass es notwendig ist«, ist Opielok überzeugt. Banken würden bereits enormen Druck ausüben und könnten schon bald auf eine Zusammenlegung drängen. »Nur wer eine dicke Kapital­decke hat, wird sich da raushalten können«, meint der OOC-Chef.

Spätestens ab 2018 könnte es seiner Meinung nach wieder aufwärts gehen. »Viele Neubauten werden storniert, viele bestehende Schiffe verschrottet. Ebenso liegt eine beträchtliche Flotte auf. Das wird bei einer Erholung eine Zeitlang dauern, die Fahr- und Einsatzbereitschaft wieder herzustellen, auch weil viele Seeleute dem Markt den Rücken kehren.« Wenn es soweit komme, würde die Lage für diejenigen schlagartig besser werden, die sich bereit hielten. »Wir hoffen, dass wir so lange durchhalten.«

Um dem Rateneinbruch im PSV-Segment auszugleichen, setzt er daher abermals auf einen neuen Markt, in den er mit zunächst zwei Neubauten einsteigt: die Beförderung von Technikern und Servicepersonal zu Offshore-Windparks mit Crew-Transfer-Schiffen (CTV). Mit der »OOC Nerz« war vor Jahresfrist die erste Einheit abgeliefert worden. Es ist ein Neubau der 26-m-Klasse, der nicht nur von Opielok einiges Wachstumspotential prognostiziert wird.

Laut dem Makler GRS (Global Renewable Shipbrokers) ist der CTV-Markt von einer hohen Volatilität der Charterraten gekennzeichnet. Bei Einheiten mit 24m bis 32m Länge gebe es allerdings Engpässe. Das sei mit der stetig wachsenden Entfernung von Windparks zur Küste zu begründen. Im größeren Segment könne für die nächste Zeit ein stärkeres Ratenwachstum erwartet werden, heißt es in einer für die HANSA erstellten Marktanalyse.

Opielok ist ebenfalls zuversichtlich, dass es eine entsprechende Nachfrage gibt und diese auch nachhaltig sein wird. »Die Flotte ist völlig veraltet. Ich erwarte eine große Konsolidierungswelle. Unser Vorteil ist, dass wir einen hohen Safety-Standard anbieten können, den es so in der Branche noch nicht gibt.« Wichtig sei das vor allem im Winter. »Die 26-m-Klasse wird die erste sein, die im Winter bei höherem Seegang mit bis zu 1,9m noch arbeiten kann. Sie hat mehr Kabinen und mehr Komfort und nicht zuletzt einen geringeren Verbrauch pro Kopf.« Opielok geht davon aus, dass der Trend auch im Sommer anhalten wird, weil die kleineren CTVs im Vergleich nicht so ökonomisch zu betreiben sind.

Einen weiteren Vorteil sieht er in der Nationalität. Bislang ist der Markt seinen Angaben zufolge von englischen Anbietern dominiert, auch in deutschen Gewässern. Mittlerweile finde aber ein Umdenken bei den Energiekonzernen als Betreiber der Windparks statt. »Wir haben gehört, dass lokale Besatzungen und lokales Management bevorzugt und speziell nachgefragt werden«, so der Reeder.

Als Großreeder für CTVs will der Hamburger in Zukunft jedoch keinesfalls auftreten. Sein CTV-Engagement sei »spezifisches Mittel«, um die Probleme bei den PSVs aufzufangen. »Wir wollen ein kleiner Betrieb bleiben. Es ist keine Absicht, hier noch zu wachsen.« Im Gegenteil wolle er »irgendwann« den Offshore-Markt wieder abstoßen und erneut in das KüMo-Segment einsteigen.

Der Plan ist, sich auch in Zukunft den Gegebenheiten in der Schifffahrt anzupassen und je nach Potenzial zu investieren. Von der Devise, nicht zu groß zu werden, will er allerdings auch dann nicht abrücken. »Interessant wird es bei fünf bis sechs Schiffen, in denen der Reeder eine große Eigenkapitaldecke hat«, so Opielok. Die Möglichkeiten seien vorhanden. Ein schwedischer Charterer, ein ehemaliger Kunde, trete beispielsweise immer mal wieder an ihn heran und frage, ob er nicht wieder in ein Schiff für die Holzfahrt investieren wolle.


Michael Meyer