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Die globalen Fahrzeugverschiffungen wuchsen 2015 kaum. Für 2016

rechnen Experten mit etwas höherer Aktivität auf den Überseerouten. Wachstumstreiber dürften die alten Kernmärkte USA und Westeuropa bleiben.
Seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 ist in der Schifffahrt nichts mehr wie es einmal war. Nicht nur[ds_preview] im Containersektor müssen die Reeder seither mit enttäuschenden Wachstumsraten leben. Auch bei den Autoverladungen laufen die Geschäfte keineswegs mehr so auf Hochtouren wie früher.

Die ungleichmäßige Entwicklung in den Schwellenländern und den Industriestaaten nimmt den Car Carriern derzeit den Wind aus den Segeln. Während sich die Nachfrage in Südamerika, Russland und Teilen Asiens vergangenes Jahr im Rückwärtsgang befand, konnten die traditionellen Kernmärkte Nordamerika und Westeuropa wieder mit ordentlichen Volumensteigerungen auftrumpfen. Aber nicht jedes neuzugelassene Fahrzeug wird importiert, gar noch über weite Distanzen aus Übersee. Und so dürften die weltweiten Fahrzeugverschiffungen 2015 nur um 1% auf rund 26,7 Mio. Einheiten zugenommen haben, schätzt der Londoner Schiffsmakler Clarksons Platou in seiner Studie »Car Carrier Trade & Transport 2015«.

Neben Rückgängen auf Routen zu strauchelnden Märkten wie Südamerika und Russland litten die Reeder auch unter sinkenden Mengen aus Europa und Nordamerika für den chinesischen Markt, der durch gedämpfte Expansion und Substitution von Importen durch heimische Produktion geprägt war. Immerhin soll sich die Lage den Erwartungen zufolge dieses Jahr etwas verbessern.

Basierend auf den aktuellen Wirtschaftsprognosen und Schätzungen für Neuzulassungen und Produktion rund um die Welt geht Clarksons für 2016 von einem Zuwachs der Autoverladungen um 3% aus. Etwa genauso hoch schätzen auch die Analysten der norwegischen Bank DNB das Potenzial ein. Die Branche hofft darauf, dass sich die Lieferungen für China aufgrund staatlicher Kaufanreize für die Verbraucher dieses Jahr stabilisieren. Vor allem aber zeigt der Trend in den westlichen Industriestaaten noch steiler aufwärts. Steigende Absatzmengen in den USA und Europa dürften dafür sorgen, dass das globale Wachstum bei Neuwagenverkäufen gegenüber 2015 von 1,5% auf 2,7% anziehen werde, prophezeit die US-Marktforschungsfirma IHS.

Mehr Importfahrzeuge für Europa

Einen überraschend starken Jahresauftakt verzeichneten die Händler in Westeuropa mit einer Steigerung der verkauften Stückzahl um fast 10% auf über 2Mio. Fahrzeuge in den ersten zwei Monaten. »Die Zuwächse in Westeuropa wurden vergangenes Jahr eher aus lokaler Produktion bedient. Dieses Jahr scheinen sich aber die Mengen aus Japan heraus für Europa stärker zu entwickeln«, unterstreicht Trond Sjursen, Head of Commercial bei dem norwegischen Carrier Höegh Autoliners.

Das Unternehmen stellt dieses Jahr zwei neue große Postpanamax-Autofrachter mit Kapazität für je 8.500 Fahrzeuge in Dienst, die wahrscheinlich zunächst im Verkehr von Fernost nach Europa und ostgehend zurück über das Mittelmeer, Mittelost und Australien eingesetzt werden. »2016 wird bestimmt kein Boomjahr, aber wir meinen, dass wir genug Ladung haben, um diese neuen Schiffe zu füllen«, so Sjursen.

Abseits der Hauptfahrtgebiete ex Fernost nach Europa und den USA hielten sich Chancen und Risiken etwa die Waage. Gute Möglichkeiten für die Reeder biete unter anderem der mexikanische Markt. Das gute Binnenwachstum verbunden mit den Liefer- und Produktionsstrategien der Autohersteller ziehe einen stark wachsenden Importbedarf nach sich, unterstreicht Sjursen. So führten General Motors und Volkswagen verstärkt Fahrzeuge aus indischer Produktion nach Mexiko ein, um die niedrigpreisigen Segmente zu bedienen. Binnen fünf Jahren habe Höegh seine Mengen auf der Indien-Mexiko-Route von null auf über 120.000 Einheiten ausbauen können.

Weitere Schwerpunkte der Geschäftsentwicklung dieses Jahr seien die Karibik und Zentralamerika mit der Übernahme der intra-amerikanischen SC Line sowie innerasiatische Shortsea-Verkehre. Völlig eingebrochen seien dagegen die Verkehre nach Afrika, dessen Volkswirtschaften von der Rohstoff-Baisse schwer getroffen wurden. Auch im Nahen und Mittleren Osten sieht Höegh trotz allgemeiner Iran-Euphorie dunkle Wolken am Horizont aufziehen, weil mit dem Einsturz des Ölpreises die Petrodollars nicht mehr so üppig in die Länder fließen.

Bei dem schwedisch-norwegischen Joint Venture Wallenius Wilhelmsen Logistics (WWL) stehen vor allem die Ost-West-Verkehre zwischen Europa und Nordamerika (westgehend) sowie Asien und Europa (westgehend) im Fokus. Auf diesen Hauptrouten hätten sich die Mengen sehr gut entwickelt, »dieser Trend setzt sich dieses Jahr fort«, sagt Ari Marjamaa, Vice President Global Market Intelligence bei WWL. Ihren Liniendienst von Nordeuropa zur US-Westküste hat die Reederei kürzlich aufgestockt und bietet nun jede Woche statt nur alle zwei Wochen eine Abfahrt an. Wenn alles nach Plan geht, werden nach Abschluss der Panamakanal-Erweiterung die größten Schiffe der WWL-Flotte (Hero-Class) in den Dienst eingeführt.

Mitsui O.S.K. Lines (MOL) erwartet ebenfalls ein stabiles Jahr für die Autoverkehre. »Die uns für 2016 vorliegenden Planzahlen lassen erwarten, dass sich keine großen Veränderungen ergeben«, sagt Rudolf Luttmann, Europachef des Bulk-Geschäftsbereichs, zu dem auch die Car-Carrier-Aktivitäten gehören. Auch für MOL werde Mexiko ein Schwerpunkt für neue Services sein. Zudem verspricht sich die Reederei einiges von ihrem neuen Liniendienst ab Koper (Slowenien) nach China, der es europäischen Herstellern ermöglicht, den chinesischen Markt deutlich schneller als über nordeuropäische Häfen wie Bremerhaven oder Seebrügge zu beliefern. »Die um fünf bis sieben Tage verkürzten Transitzeiten erlauben erhebliche Optimierungen in der Logistikkette und eine schnellere Reaktion auf Marktveränderungen. Hier haben wir ein Premium-Produkt, welches gut nachgefragt wird«, zeigt sich Luttmann zufrieden.

Verlagerungen wirken sich auf Mengen aus

Probleme bereiten den Carriern die stark gestiegenen Mengenschwankungen in Folge der globalisierten Produktionsstrategien. Mit ihrem immer dichteren Netz von Fabriken rund um die Welt können die Autohersteller flexibel entscheiden, von wo aus sie einzelne Märkte bedienen. »Die Fertigungslinien werden häufiger umgestellt, das führt zu größeren Fluktuationen im Überseeverkehr. Entsprechend schwieriger ist es für die Carrier, ihre Kapazitäten zu planen«, erklärt ein norwegischer Schiffsmakler, der sich auf Autofrachter spezialisiert. Gleichzeitig haben die Hersteller durch den Aufbau neuer Standorte in Übersee die Möglichkeit, Märkte lokal zu versorgen, die sie früher aus den Stammwerken ihrer Heimatländer beliefern mussten.

Die Lokalisierung der Produktion bildet eine gegenläufige Entwicklung, die das Wachstum der Überseeverkehre zumindest bremsen kann. Führt die Lokalisierung vielleicht dazu, dass sich das Wachstum der Fahrzeugverschiffungen in der Zukunft auf kurze, intraregionale Strecken beschränken wird? Die Markforscher von Clarksons halten ein solches Szenario nicht für völlig abwegig.

Allein auf den Übersee-Export von Fahrzeugen will sich keiner der großen Reeder in Zukunft mehr verlassen. Inzwischen tummeln sich alle von ihnen verstärkt auch im Segment der High & Heavy-Ladung (Baumaschinen, Erntemaschinen, Projektgut etc.), um ein zweites Standbein zu haben. Die neuen Pure Car & Truck Carrier (PCTC), in die sie investieren, verfügen deshalb über höhere Rampenkapazitäten, größere Öffnungen und mehr verstellbare Decks als Schiffe früherer Generationen.

78 Schiffe soll das weltweite Orderbuch der Auto-Carrier umfassen, was in Ladekapazität gemessen gut 12% der existierenden Flotte entspricht. Im Vergleich zur Massengut- oder Containerschifffahrt ist der Zubau an Kapazität somit moderat. Alles andere wäre auch Wahnsinn, denn die Frachtraten im Geschäft mit den Autokonzernen lassen keine Sprünge zu. »Wir haben inzwischen ein Niveau erreicht, das auf einem absolut optimierten Ablauf basiert und keinen Raum für Abweichungen, Störungen oder Wartezeiten zulässt«, formuliert es MOL-Manager Luttmann. »Auch gibt es keinen Spielraum für Kostenerhöhungen in den Häfen, wenn diese nicht gleichzeitig durch Optimierungen und Einsparungen aufgefangen werden.«

2015 wuchsen die Flottenkapazitäten der Auto-Carrier aufgrund von Neubauablieferungen um knapp 3% und damit erheblich schneller als das Ladungsaufkommen bei Fertigfahrzeugen. Das wirkt sich negativ auf die Frachtraten aus. Vielleicht wendet sich das Blatt ab diesem Jahr, wenn das Ladungswachstum wirklich auf 3% anzieht. Bei den Auto-Carrier-Kapazitäten rechnet Clarksons mit einer geringeren Zunahme von 2,1%.


Michael Hollmann