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Ende 2016 will die EU erstmals eine Liste der von ihr zugelassenen Verschrottungsbetriebe vorlegen. Damit wird es langsam ernst beim Thema Schiffsrecycling.
Die Hong Kong International Convention for the Safe and Environmentally Sound Recycling of Ships (HKC) liegt zwar noch in weiter[ds_preview] Ferne – bisher haben nur vier von 15 nötigen Staaten unterzeichnet. Allerdings gibt es bereits eine Regelung auf europäischer Ebene, EU Ship Recycling Regulation (SRR), die für Schiffe unter der Flagge eines EU-Mitgliedsstaates gilt und sich im Großen und Ganzen nach der HKC richtet. So sollen in Zukunft Schiffe aus EU-Staaten nur noch in bestimmten, von der EU zertifizierten und regelmäßig geprüften Betrieben abgewrackt werden. Vor der Verschrottung wird außerdem ein schiffsspezifischer Ship Recycling Plan verlangt, der zum sicheren und kontrollierten Abwracken beitragen soll.

Signal oder Hindernis?

Kritiker der EU-Verordnung sehen die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für europäische Reeder. In der internationalen Branche sind regionale Bestimmungen heikel, wie sich im Fall der Ballast Wasser Management Convention (BWMC) gerade zeigt. Zwar hatte bei einem Treffen im Februar die EU-Transportkommissarin Violeta Bulc gegenüber IMO-Generalsekretär Kitack Lim versichert, die EU stehe voll hinter der IMO und dem Prinzip der Regulierung auf internationaler Ebene. In der Praxis preschen die Europäer jedoch erst einmal vor. Zusätzlich zur SSR hat das Europäischen Parlaments außerdem beschlossen der HKC voranzubringen. Damit kann der EU-Rat nun offiziell die Mitgliedstaaten zur zügigen Umsetzung des internationalen Abkommens auffordern. Welche Auswirkungen das in der Realität haben wird, bleibt zunächst offen, es könnte, wenn es Erfolg hat, aber ein Signal für andere Länder außerhalb der Union sein.

Einen gewissen weltweiten Einfluss entfaltet die EU-Regelung bereits, denn die Schadstofflisten und Zertifikate müssen in fünf Jahren für alle Schiffe vorliegen, die weiterhin die wichtigen Märkte Europas ansteuern sollen. Mittlerweile haben vier indische Werften durch die japanische Klassifikationsgesellschaft ClassNK ein »Statement of Compliance« erhalten, das betätigt, dass sie nach technischen Gesichtspunkten die Auflagen der HKC erfüllen. Die Existenz konformer Werften könnte ausschlaggebend sein für die Bereitschaft der IMO-Mitglieder, die Convention zu ratifizieren – letztlich aber ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Bei neu gebauten Schiffen müssen von Anfang an in einer Schadstoffliste (IHM, Inventory of Hazardous Materials) alle in Schiff und Ausrüstung verbauten Gefahrstoffe aufgeführt sein. Diese Liste, die auch die HKC verlangt, muss während der gesamten Lebensdauer des Schiffes aktuell gehalten und von autorisierten Stellen abgenommen werden. Welche Stoffe betroffen sind, orientiert sich mit kleinen Ergänzungen an den entsprechenden Leitlinien der IMO. Einige Stoffe sind bei Neubauten ganz verboten, dazu zählen asbesthaltige oder ozonschädigende Verbindungen.

Auch für Schiffe unter Nicht-EU-Flagge, die Häfen in der Europäischen Union anlaufen, gibt es gewisse Auflagen. So müssen diese ebenfalls ein stets aktuelles und zertifiziertes Inventory of Hazardous Materials (IHM) an Bord haben. Befinden sich laut SSR verbotene Stoffe an Bord, sollen Anlaufverbote oder Auflagen gelten. Für bestehende EU- und Nicht-EU-Schiffe ist dafür noch Zeit bis Ende 2020. Im Falle einer Verschrottung vor 2020 – und bei Vorliegen einer Liste der EU-zertifizierten Werften – muss das IHM schon vorher nachgewiesen werden. Ebenfalls ab 2021 müssen Schiffe aus Drittstaaten die Schadstoffliste mitführen.

Spätestens am 31. Dezember 2016 soll diese erstmals vorliegen. Derzeit arbeitet die Europäische Kommission noch an der Zusammenstellung der entsprechenden Leitlinien für die technischen Anforderungen an Verschrottungsbetriebe, die europäische Schiffe recyceln möchten. Die Bestimmungen, die das Abwracken betreffen, treten spätestens am 31. Dezember 2018 in Kraft, frühestens sechs Monate, nachdem die Recyclingkapazität der von der EU akzeptierten Abwrackbetriebe mindestens 2,5Mio.t Leergewicht (LDT) pro Jahr beträgt. Je nachdem, wie die erste Liste aussieht, könnte das schon Mitte 2017 der Fall sein.

ClassNK mahnt, sich nicht auf den relativ langen Zeiträumen bis zum Inkrafttreten der verschiedenen Abkommen auszuruhen. Wenn internationale Bestimmungen erst einmal gälten, werde auch die Nachfrage nach Experten, die zur IHM-Erstellung und Zertifizierung gebraucht würden, stark steigen – es geht immerhin um zehntausende Schiffe. Die Klassifikationsgesellschaften bieten schon jetzt Services zur Erstellung der Inventarlisten bei bestehenden Schiffen an.

Während die BWMC zwölf Monate nach Erreichen der Tonnageschwelle in Kraft tritt, vermutlich 2017, haben Reeder für die Erfüllung der HKC-Auflagen mehr Zeit. Der Zeitraum bis zum Inkrafttreten beträgt hier 24 Monate. Laut Stamatis Fradelos, Principal Engineer Environmental Performance bei der Klassifizierungsgesellschaft American Bureau of Shipping (ABS), wird es wohl noch viele Jahre dauern, bis die HKC in Kraft tritt. »Fünf bis sechs Jahre, vielleicht auch noch länger«, wagt er eine Prognose. »Insbesondere kommt es auch auf die Scrapping-Staaten China, Bangladesh, China und Pakistan an.«

Die Hong Kong Convention zielt unter anderem auf den Schutz der Gesundheit von Arbeitern, den Schutz der Umwelt. In den klassischen Recyclingländern wie Indien oder Bangladesch werden Schiffe nicht im Dock verschrottet, sondern auf den Strand gesetzt und dort zerlegt. Es ist so nicht zu kontrollieren, welche Stoffe und Materialien in den Boden, ins Meer oder in die Luft gelangen.

Neben Arbeits- und Umweltschutz geht es laut ABS-Mann Fradelos auch darum, schon bei der Konstruktion von Schiffen deren Verschrottung zu bedenken und von vornherein auf den Einsatz gefährlicher Materialien zu verzichten. So ziele das Abkommen auch auf die Verwendung leicht wiederzuverwertender Materialien ab. Die HKC wird neben den Auflagen für Verschrottungsbetriebe auch Neuerungen für Schiffseigner wie das IHM mit sich bringen.

15 Staaten müssen das Abkommen unterzeichnen. Diese wiederum müssen mindestens 40% der weltweiten Tonnage sowie 3% Recyclingkapazität repräsentieren. Letztere bemisst sich an der Verschrottungsleistung der letzten zehn Jahre, bezogen auf 40% der Tonnage weltweit. Bis jetzt haben vier Staaten das Abkommen unterzeichnet, 15 werden insgesamt benötigt. Die Unterzeichner sind Norwegen, Frankreich, Belgien und die Demokratische Republik Kongo. Stamatis Fradelos gibt sich zuversichtlich: »Panama ist gerade dabei der IMO Ballastwasser Convention beizutreten und wird auch die Hong Kong Convention ratifizieren. Dann wären wir schon bei über 20% der Tonnage.«
Felix Selzer