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Die maritime Wirtschaft zeigt sich überwiegend zufrieden mit dem Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 – wenn die Projekte denn tatsächlich so umgesetzt werden wie vorgesehen


Mehrfach war die Veröffentlichung des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) verschoben worden, Mitte März hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Referentenentwurf vorgelegt: Auf[ds_preview] knapp 200 Seiten beschreibt er, wie die Bundesregierung bis 2030 Engpässe in der Infrastruktur beseitigen, Kapazitäten schaffen und mehr Mobilität ermöglichen will. Mehr als 2.000 Projektvorschläge waren zwischen Ende 2012 und Anfang 2014 zur Bewertung angemeldet worden, rund 1.000 haben es in den Entwurf geschafft. Das vorgesehene Finanzvolumen liegt mit 264,5Mrd. € um 91Mrd. € höher als im derzeit gültigen BVWP 2003. 37,8Mrd. € der Gesamtsumme sind als »Schleppe« definiert und sollen zur Fertigfinanzierung von Vorhaben dienen, die erst in einer späten Phase begonnen und nach 2030 zu Ende finanziert werden. Es handele sich um »das stärkste Investitionsprogramm für die Infrastruktur, das es je gab«, sagte Dobrindt bei der Präsentation des Werkes in Berlin.

Doch was bedeutet der Plan für die maritime Wirtschaft? In Zahlen betrachtet stellt sich die Verteilung so dar: Vom Gesamtvolumen des BVWP 2030, in das auch die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen einkalkuliert sind, sollen 49,4% auf den Verkehrsträger Straße entfallen, 41,3% auf die Schiene und 9,3% auf die Wasserstraße. Bezogen nur auf die vorgesehenen Aus- und Neubauprojekte, für die bis 2030 insgesamt 63,6Mrd. € bereitgestellt werden sollen, verschieben sich die Anteile der Investitionen zugunsten der Straße (55,4% oder durchschnittlich 2,3Mrd. € p.a.). Für die Schiene bleiben noch 40,3% (im Schnitt 1,7Mrd. € p.a.), für die Wasserstraße 4,3% (im Schnitt 0,2Mrd. € p.a.).

Allein für den Substanzerhalt der bestehenden Verkehrsnetze werden bis 2030 nach den Berechnungen des Verkehrsministeriums 141,6Mrd. € benötigt: Der neue BVWP setzt damit deutlich auf das Prinzip »Erhalt vor Aus- und Neubau«. Die Aus- und Neubaumaßnahmen sollen überwiegend »großräumig wirksam« sein und »eine wesentlich kapazitätssteigernde bzw. qualitätsverbessernde Wirkung entfalten«. Für die maritime Branche wichtige Projekte wie die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe sowie von Unter- und Außenweser, die Vertiefung von Nord-Ostsee-Kanal und Außenems sowie die Anpassung der Seezufahrten zu den Häfen Rostock und Wismar sind mit hoher oder besonders hoher Dringlichkeit eingestuft. Auch der für die Hinterlandanbindung bedeutsame Ausbau von Bahnstrecken in Norddeutschland findet sich als »Alpha-Variante E« (anstelle der zuerst geplanten Y-Trasse) in der Kategorie »vordringlicher Bedarf« wieder.

Viele der aktuellen Projekte tauchen schon im BVWP 2003 auf: Als das Verkehrsministerium 2014 das Grundkonzept des neuen BVWP veröffentlichte, waren mehr als die Hälfte der im BVWP 2003 aufgeführten Vorhaben noch nicht oder nicht vollständig realisiert. Das noch offene Finanzvolumen war damals aus diversen Gründen mit rund 86Mrd. € noch fast genauso hoch wie der ursprüngliche Ansatz des vordringlichen Bedarfs von 90,5Mrd. €. Aus diesen Erfahrungen hat man offenbar Lehren gezogen – zumindest ist man sich der Problematik bewusst, wie aus dem Vorwort Dobrindts zum BVWP 2030 hervorgeht. Eine der wesentlichen Innovationen sei es, dass die Bundesregierung dem Plan »eine realistische Finanzierungsperspektive« gebe, schreibt er dort. Wie realistisch das Ganze am Ende tatsächlich ist, wird schon jetzt öffentlich diskutiert und muss sich in den kommenden Jahren in der Praxis zeigen.

Vertreter der maritimen Wirtschaft bewerten das Werk in seiner jetzigen Form überwiegend positiv. »Wir sind grundsätzlich zufrieden, weil der neue BVWP die Seeanbindung der Häfen und das entsprechende Finanzvolumen sichert«, meint Nicolai Woelki, Geschäftsführer des Deutschen Nautischen Vereins (DNV). »Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die anvisierten Projekte auch umsetzen kann und die dafür benötigten personellen Kapazitäten zur Verfügung gestellt bekommt.«

Ähnlich lautet die Einschätzung von Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS): »Für uns geht es vor allem darum, die seewärtigen Zufahrten und die Hinterlandanbindungen zu verbessern und zukunftsgerecht auszurichten und aus unserer Sicht leistet der Plan das im Wesentlichen.« Bei einzelnen Projekten sehe der Verband allerdings noch Fragezeichen, so zum Beispiel bei der »Alpha-Variante E«. Sie könne allenfalls der kurzfristigen Entlastung des Schienenverkehrs im Hafenhinterland dienen, greife mittelfristig aber zu kurz und stelle nicht die Kapazitäten bereit, die Norddeutschland angesichts der prognostizierten Zunahme des Güterverkehrs benötige. Insgesamt erwarte die Hafenwirtschaft, dass die angekündigten Vorhaben auch zügig geplant und umgesetzt würden – und dass der Personalmangel in der Verwaltung behoben werde. »Es muss allen klar sein, dass es nicht darum geht, den Häfen etwas Gutes zu tun, sondern der Wirtschaftsstandort Deutschland hängt davon ab, dass die Anbindung unserer Seehäfen funktioniert«, so Hosseus.

Um die Grundlage für ein umweltverträgliches Verkehrssystem zu schaffen, wolle die Bundesregierung die Mittelverteilung soweit wirtschaftlich vertretbar und umsetzbar zugunsten von Wasserstraße und Schiene verschieben, heißt es im Entwurf. Dessen ungeachtet hält der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) die für die Wasserstraßen eingeplanten Mittel in einer ersten Stellungnahme für etwas knapp bemessen. Hier müsse die Politik in den kommenden Monaten entscheiden, ob die Zuteilungsquote nicht »zu Gunsten der besonders ökologischen Binnenschifffahrt verschoben werden müsste«, meint BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen.

Der Wirtschaftsverband Weser kritisiert, dass die Elbvertiefung als zugesagter Neubeginn schon in der Kategorie laufende und fest disponierte Projekte aufgeführt wird, während die Anpassung der Weser nur als vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung (gleichbedeutend mit besonders hoher Dringlichkeit) eingeordnet ist: Dies sei eine Benachteiligung der Häfen an der Weser und widerspreche der Gleichbehandlung der seewärtigen Zufahrten zu den Häfen an beiden Flüssen.

Eine Benachteiligung der Weser-Standorte könne er nicht erkennen, meint dagegen Frank Dreeke, BLG-Vorstandsvorsitzender und Leiter des Lenkungskreises Häfen und Schifffahrt beim Deutschen Verkehrsforum. »Für beide Flussanpassungen gilt für mich die Zusage, dass unmittelbar nach Vorliegen der notwendigen Planungsbeschlüsse mit der Umsetzung begonnen wird.« Der Entwurf des BVWP setze aus seiner Sicht die richtigen Schwerpunkte, indem er dem Erhalt des bestehenden Verkehrsnetzes Vorrang einräume und die Beseitigung von Engpässen in den Vordergrund stelle. »Diese generelle Zielrichtung wird auch von der Hafenwirtschaft unterstützt und als Grundlage für die weiteren Planungen grundsätzlich positiv gesehen«, so Dreeke. Die für die maritime Wirtschaft wesentlichen Projekte seien berücksichtigt, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten. Der Plan enthalte ein Bekenntnis zur Stärkung der Häfen als Verkehrsknotenpunkte und der Intermodalität. »Entscheidend für eine endgültige Bewertung wird jedoch die tatsächliche Umsetzung sein«, sagt Dreeke.

Die Kritik der Industrie- und Handelskammern im Rheinland sowie der Deutsch-Niederländischen und der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer, dass der Bund sich zu stark auf die norddeutschen Seehäfen und deren Hinterlandanbindungen konzentriere und die ZARA-Häfen mit einer nicht korrekten Seeverkehrsprognose benachteilige, teilt Dreeke nicht. Der Entwurf enthalte für die Rheinschiene sowie für die deutschen Seehäfen und deren Hinterland wichtige Projekte und trage sowohl der Ahrensburger Liste der Küstenländer als auch der Düsseldorfer Liste der Binnenhäfen Rechnung. »Zudem erachte ich es auch nicht als Aufgabe der deutschen Verkehrswegeplanung, die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen und niederländischen Häfen zu verbessern«, macht er deutlich. Bei den kommenden politischen Abstimmungen und Beratungen ist aus seiner Sicht darauf zu achten, dass die Projektliste nicht weiter anwachse. »Wenn zu viele neue Projekte hinzukommen, stimmt die bislang realistisch erscheinende finanzielle Grundlage des BVWP nicht mehr.«

Das Verkehrsministerium will den Entwurf nach Abschluss der sechswöchigen Öffentlichkeitsbeteiligung (bis 2. Mai) überarbeiten. Diese Fassung geht dann im Sommer ins Bundeskabinett, das zeitgleich auch über die Ausbaugesetze entscheidet, die auf dem BVWP aufbauen. Anschließend folgt das parlamentarische Verfahren zu den Ausbaugesetzen und ihren Bedarfsplänen, die bis Anfang 2017 beschlossen werden sollen.


Anne-Katrin Wehrmann