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Die schweren Havarien der »Modern Express« und der »TS Taipeh« haben gezeigt, dass bei schwierigen Bedingungen ein koordiniertes Vorgehen für die Bergung extrem wichtig ist. Darin liegt allerdings oft ein großes Problem


Bei der Bergung eines Havaristen ist mitunter eine Vielzahl von Akteuren betroffen: z.B. Schiffs- und Ladungseigner, Versicherungen und Behörden. Nicht[ds_preview] selten agieren die Beteiligten dabei unter großer Zeitnot, weil ein Totalverlust von Schiff und Ladung droht. Die unterschiedlichen Interessen zu koordinieren und so millionenschwere Werte zu retten, ist die schwierige Aufgabe des Special Casualty Representative (SCR). »Ein vernünftiger SCR ist das Bindeglied zwischen den Betroffenen und dem Berger. Er sollte nicht nur Kosten und Performance im Blick haben, sondern auch eine eigene Meinung haben und diese auch vertreten, wenn sie unter Umständen nicht jedem passt«, sagt Dennis Brand, ­Geschäftsführer von brand Marine Consultants und selbst SCR.

Die weltweite Branche der SCRs ist relativ klein. Es gibt eine Liste mit knapp über 50 Personen. Steht ein Bergungsprojekt an, wählt ein Ausschuss bei Lloyd’s London einen SCR aus. »Es ist sehr schwierig, an solche Jobs zu kommen. In Durchschnitt bekommt man einmal pro Jahr den Zuschlag«, so Brand.

Die SCR sind gefragt als Experten, die alle Beteiligten fachlich überzeugen können. Eine eigene Weisungsbefugnis haben sie allerdings nicht. Um einen Auftrag zu erhalten, muss man Ausbildung und Erfahrung nachweisen. Viele kommen aus der Besichtigerbranche, andere sind Kapitäne oder Schiffbauingenieure, aber nicht alle haben einen Bergungshintergrund.

Ist ein SCR ausgewählt, agiert er losgelöst von allen Parteien. Bei der Kommunikation muss er immer alle Beteiligten einbeziehen, selbst wenn er nur auf die Anfrage eines einzelnen antwortet. Häufig müssen laut Brand zuallererst Missverständnisse ausgeräumt werden, die nur entstanden sind, weil die Betroffenen den Berger nicht richtig verstehen: »Jeder versucht, seine Interessen zu schützen, leider verlieren dabei anfangs manche die Lösung aus dem Blick.« Er sei dann so etwas wie ein Mediator.

Zu den Hauptstreitpunkten gehören dabei unter anderem Auswirkungen auf die Umwelt. »Der politische Einfluss wird immer größer, es wird zunehmend auf ökologische Belange geachtet«, sagt Brand. Nicht selten müssen zunächst Gespräche mit Behörden oder Umweltschutzorganisationen geführt werden, um die schlimmsten Bedenken, etwa vor einer großen Ölverschmutzung, auszuräumen. Auch über die Kosten einer Bergung wird oft diskutiert. »Die Leute wollen es immer schnell, gut und billig. Dann muss man ihnen erklären, dass sich immer nur zwei der drei Vorstellungen gleichzeitig realisieren lassen.«

Problematisch wird es außerdem, wenn beispielsweise die betroffenen Behörden nur wenig oder gar keine Erfahrung mit derartigen Situationen haben. In Deutschland wurde nach der folgenschweren Havarie der »Pallas« 1998 das Havariekommando aufgebaut. Läuft ein Schiff aber etwa vor der Küste eines Landes auf Grund, in dem es solche Strukturen nicht gibt – »das passiert häufig«, so Brand – entsteht reichlich Erklärungsbedarf. »Wenn dann die andere Seite ebenfalls unerfahren ist, kann man sich manchmal den Mund fusselig reden.« Der SCR dient dann auch als Puffer, damit der Bergungskapitän nicht mit einer Vielzahl von Fragen aus zum Teil 10.000km Entfernung konfrontiert wird, die ihn von seiner Arbeit abhalten. Das Misstrauen sei manchmal sehr groß. Man brauche mehr gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. »Aber ich glaube, dass dies so schnell nicht eintreten wird«, meint Brand.

Manchmal hilft es schon, einen vernünftigen Bergungsplan gut zu erläutern. Unbequeme Wahrheiten dürfen nach Ansicht des Hamburger SCR nicht ausgeklammert werden, sondern sind frühzeitig zu erwähnen. »Man muss den Beteiligten sagen, was ihnen bevorsteht, dass es ihnen sicher zu teuer wird und das sie sich bestimmt beschweren werden. Aber auf diese Art gibt man ihnen eine Perspektive. Ich nenne das ›Managing Expectations‹.« Das funktioniere aber nur, wenn man ein entsprechendes Ansehen als Experte habe.


MM