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Die Belastungen für die Seekaskoversicherer sind

2015 deutlich angestiegen – vor allem wegen

vermehrter Totalverluste. Und auch auf der Haftungsseite

hält der Aufwärtstrend bei den Schadenskosten an.


Es wäre zu schön gewesen, wenn 2014 den Beginn einer »neuen Normalität« für die Seeversicherer markiert hätte. Dank eines Rückgangs[ds_preview] schwerer Schiffsschäden war es das erste Jahr seit Mitte der 90er Jahre, in dem der globale Seekaskomarkt einen Überschuss erwirtschaftete, wie die International Union of Marine Insurance (IUMI) berichtete. Die Freude dürfte nur kurz gewährt haben. Denn laut der aktuellen Schadensstatistik des nordischen Seeversicherungsverbands Cefor – den Nordic Marine Insurance Statistics (NoMIS) – verzeichnete die Seekaskoassekuranz in den nordischen Ländern 2015 eine erneute Trendumkehr. Der Gesamtmarkt rutschte aufgrund eines Anstiegs schwerer Schäden bei gleichzeitig rückläufigem Prämienaufkommen tief in die roten Zahlen. Die per 31.12.2015 gemeldeten Schäden in Höhe von zusammen 845Mio. $ übertrafen die Einnahmen von 655Mio. $ im Seekaskosegment bei weitem. Im Vorjahr hatten die Cefor-Mitglieder noch 778Mio. $ an Bruttoprämie in dem Segment vereinnahmt, während sich die Schäden zu Jahresende 2014 auf nur 659Mio. $ summiert hatten.

Für die Gesellschaften hagelte es im vergangenen Jahr 13 Schäden von je über 10Mio. $, wovon sieben als Totalverlust oder konstruktiver Totalverlust einzustufen seien, so Cefor-Geschäftsführerin Helle Hammer. 2014 hatte es keinen einzigen Vorfall dieser Größenordnung gegeben. »Wir hatten vorhergesagt, dass es nicht bei einem so geringen Niveau schwerer Schäden bleiben wird, und leider haben wir Recht behalten.« Ein weiterer Indikator für das erhöhte Großschadenrisiko: Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Einzelschaden in Höhe von mehr als 50% des versicherten Schiffswerts kommt, verdoppelte sich von 0,1% auf 0,2% (gemessen an der Zahl der Objekte). Dabei gilt der nordische Markt aufgrund seiner Größe und Vernetzung als Barometer für den Zustand der Branche weltweit. Die Cefor-Mitglieder versichern rund ein Viertel der weltweiten Flotte führend oder als Folgeversicherer und vereinigen ein Zehntel des weltweiten Prämienaufkommens für Seekasko auf sich.

Die Zunahme bei den dicken Krachern ließ die durchschnittliche Schadenhöhe im Seekaskobereich laut NoMIS von knapp 57.000 auf fast 74.000$ hochschießen. Zudem nahm die Schadenfrequenz – also das Verhältnis von Schadenanzahl zu Versicherungsverträgen im Bestand – von unter 25% auf über 26% zu. Sie liegt damit zwar noch weit unter dem Spitzenwert von 35% aus dem letzten »Boomjahr« 2008, als die Schiffe bis zum Ausbruch der Weltfinanzkrise stramm ausgelastet und entsprechend beansprucht waren. Doch der Wiederanstieg lässt bei den Versicherern angesichts des umgekehrten Trends bei den Prämieneinnahmen verständlicherweise die Alarmglocken läuten.

Auffallende Trends bei der Schadensentwicklung waren der erneut gestiegene Anteil von Bränden und Explosionen auf fast 23% der Gesamtkosten (gegenüber 13,5% in den Jahren 2010-14) und der gesunkene Anteil von Grundberührungen sowie von Maschinenschäden.

Der Wiederanstieg größerer Totalverluste 2015 ist auch im jüngsten Safety & Shipping Review des deutschen Versicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) dokumentiert. Demnach gingen 2015 vier große Handelsschiffe mit je über 30.000 BRZ verloren. 2014 war das größte Schiff, das sank, mit nur rund 18.000 BRZ vermessen. Quer über alle Größenklassen sei die Zahl der Schiffsverluste 2015 zwar erneut gesunken – von 88 auf 85 – doch warnen die AGCS-Experten vor einer allgemeinen Zunahme der Unfallgefahr aufgrund des wirtschaftlichen Drucks. Die angespannte finanzielle Lage in den Reedereikontoren habe zur Folge, dass notwendige Investitionen an Bord auf die lange Bank geschoben würden. »Viele Sparten wie Fracht, Container und Offshore sind bereits gefährdet, und jede weitere Verschlechterung der Sicherheitsstandards gäbe Anlass zur Sorge«, so der AGCS-Leiter für Marine Risk Consulting, Rahul Khanna.

Steigende Schadenskosten sind aber nicht nur ein Problem für Seekaskoversicherer – die Haftpflichtversicherer im P&I-Sektor beklagen denselben Trend. In seiner kürzlich veröffentlichten P&I Claims Analysis hat der Swedish Club den Verlauf über die Jahre 2005 bis 2014 genau ausgewertet. Danach stiegen die durchschnittlichen Ladungsschäden um rund 40% auf über 100.000$ an, während sich die Schadenhäufigkeit (nur im Ladungssegment) mehr als verdoppelte. Bei den Personenschäden zeigt die Entwicklung dem Swedish Club in dieselbe Richtung. Die größte Schadenszunahme verzeichnete der Club im Segment der Bulk Carrier, während Tanker vermutlich aufgrund der strengen Anforderungen seitens der Charterer in punkto Schadensrisiko am besten abschnitten.


Michael Hollmann