Print Friendly, PDF & Email

Noch vor der Sommerpause will die Bundesregierung das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschieden. Die Offshore-Windbranche könnte so im Anlaufen wieder gestoppt werden
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2014 hat es vorgegeben: Ab 2017 soll die Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien[ds_preview] nicht mehr mittels staatlich festgelegter Einspeisevergütungen erfolgen. Die Fördersätze sollen in einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren ermittelt werden. Die Bundesregierung erhofft sich neben einer Reduzierung der Kosten auch einen planvolleren Ausbau sowie eine bessere Marktintegration der erneuerbaren Energien. Das neue Fördermodell konzentriert sich auf die Technologien, die laut Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die »Volumenträger der Energiewende« sind – die Windenergie an Land, auf See und die Sonnenergie. Seit Mitte April liegen nun die Referentenentwürfe des EEG 2016 und des als Artikel 2 integrierten »Windenergie-auf-See-Gesetzes« (WindSeeG) vor. Einige Forderungen der Branche sind darin berücksichtigt, gleich mehrere als wesentlich erachtete Punkte dagegen nicht.

»Insgesamt ist das ein großer Rückschritt für die Offshore-Windenergie«, bilanziert Andreas Wellbrock, neuer Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB. »Nach jetzigem Stand würde das bedeuten, dass noch nicht einmal mehr zwei Windparks pro Jahr gebaut werden könnten, und das ist schon dramatisch.« Die Bundesregierung konterkariere damit ihre eigenen Ziele, denn Kostensenkungen könne es nur dann geben, wenn große Mengen produziert würden und es eine ausreichende Zahl von Anbietern auf dem Markt gebe.

Übergangsphase bis 2024

Vor dem Hintergrund der langen Vorlaufzeiten für die Planung und Genehmigung von Offshore-Windparks soll es nach dem WindSeeG zwischen 2021 und 2024 eine Übergangsphase geben, für die im kommenden Jahr bei zwei Auktionen jeweils 1.460 MW ausgeschrieben werden sollen. Den Zuschlag erhalten diejenigen Bieter, die das günstigste Gebot abgeben, wobei ein Höchstwert von 0,12€/kWh nicht überschritten werden darf. Zugelassen sind Projekte, die bereits vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) genehmigt sind oder sich in einem fortgeschrittenen Planungsstadium befinden.

Windparks, die bis zum 31. Dezember 2020 in Betrieb gehen, werden ohnehin noch nach dem EEG 2014 vergütet. Das BMWi geht davon aus, dass das Ausbauziel von 6.500 MW bis 2020 überschritten wird und Ende 2020 eine installierte Leistung von 7.700 MW erreicht sein wird. Ursprünglich hatte es die Überlegung gegeben, für die folgenden zwei Jahre überhaupt keine Projekte auszuschreiben, um diesen »Überhang« wieder abzubauen. Angesichts lauter Proteste aus der Branche, verabschiedete sich das Ministerium wieder von diesen Überlegungen. Damit das Ausbauziel von 15.000 MW bis 2030 nicht überschritten wird, sollen nun allerdings für 2025 bis 2030 durchschnittlich nur noch 730 MW pro Jahr ausgeschrieben werden, also noch weniger als die ursprünglich angekündigten 800 MW.

Nach den Berechnungen des BMWi werden voraussichtlich Projekte mit einer geschätzten Gesamtleistung von 6.000 bis 7.000 MW an den ersten beiden Auktionen teilnahmeberechtigt sein. Wer in der Übergangsphase nicht zum Zug kommt, soll bei späteren Ausschreibungsrunden bevorzugt behandelt werden. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass manche Projekte komplett auf der Strecke bleiben könnten, obwohl nach Branchenangaben jeweils zweistellige Millionenbeträge in deren Entwicklung investiert wurden. Entschädigungszahlen sind laut aktuellem Gesetzesentwurf nicht vorgesehen, juristischen Auseinandersetzungen wahrscheinlich.

Neue Aufgaben für das BSH

Für Meereswindparks, die ab dem 1. Januar 2025 in Betrieb gehen, soll dann das so genannte zentrale Modell nach dänischem Vorbild gelten. Dabei konkurrieren Bieter um die Errichtung eines Windparks auf einer staatlich voruntersuchten Fläche. Wer einen Zuschlag erhält, darf dort Windkraftanlagen errichten und hat Anspruch auf die Marktprämie sowie Nutzung der Anbindungskapazitäten. Erstmals 2020 und dann jährlich zum 1. September schreibt die Bundesnetzagentur ein Volumen von 600 bis 900 MW aus, das im Durchschnitt die erwähnten 730 MW nicht überschreiten darf.

Auf das BSH wird durch den Systemwechsel eine Menge Arbeit zukommen. Die Behörde bleibt nicht nur für die Genehmigungsverfahren zuständig, sondern bekommt auch die Voruntersuchung geeigneter Flächen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) übertragen und erstellt vorab einen Flächenentwicklungsplan, der einen räumlich geordneten und flächensparsamen Ausbau sowie eine effiziente Nutzung der Anbindung gewährleisten soll. Das BMWi hat dafür einen Personalmehrbedarf von insgesamt 36 Stellen errechnet, der zu Personalkosten von knapp 2Mio. € pro Jahr führen wird. Hinzu kommen Sach- und Verwaltungskosten von mehr als 17Mio. € jährlich.

Insgesamt hat die Offshore-Windbranche große Vorbehalte gegen die vorliegenden Gesetzesentwürfe, wie die zwischen Mitte und Ende April im BMWi eingegangenen Stellungnahmen aus der Länder- und Verbändeanhörung belegen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört der dänische Energiekonzern Dong Energy, Weltmarktführer beim Bau und Betrieb von Meereswindparks. Dong-Deutschlandchefin Trine Borum Bojsen meint: »Bei aller Kritik muss eines gesagt werden: Als Branche haben wir damit über die kommenden zehn Jahre Planungssicherheit. Wir wissen nun, wie es weitergehen wird.« Auch sie betont allerdings, dass die jährlichen Ausbauziele deutlich angehoben werden müssten, wenn der Offshore-Standort Deutschland nicht gefährdet werden solle.

Höheres Ausbauvolumen nötig

Bereits Ende Januar hatten die Regierungschefs der norddeutschen Länder gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband Nordmetall, der IG Metall Küste und Vertretern der Windkraftindustrie in ihrem »Wismarer Appell« gefordert, dass auch nach 2020 der Bau von mindestens zwei, besser drei Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee gesichert werden müsse, um Brüche im Markt zu verhindern und die industrielle Basis zu sichern. Hierzu sei ein Ausschreibungsvolumen von mindestens 900 MW pro Jahr erforderlich. Diese Forderung zieht sich wie ein roter Faden durch die Stellungnahmen zum WindSeeG. Weitere Kritikpunkte: Die laut aktuellem Entwurf vorgesehenen Sicherheiten von 200€/kW installierter Leistung in der Übergangsphase und sogar 350€/kW im zentralen Modell seien zu hoch und im internationalen Vergleich unangemessen. Die geplante entschädigungslose Übertragung bereits entwickelter Flächen an den Staat würde zu erheblichen Schäden führen und hätte negative Auswirkungen auf das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zudem solle die zweite Ausschreibungsrunde für die Übergangsphase besser 2019 und nicht schon Ende 2017 durchgeführt werden. »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, beide Auktionen in einem Jahr zu machen«, meint WAB-Chef Wellbrock. »Damit würde man keine Weiterentwicklungen in der Technologie zulassen und Kostensenkungen durch Innovationen für diese Projekte unmöglich machen.«

Wellbrock und viele andere Branchenvertreter setzen darauf, dass das WindSeeG in der jetzigen Form noch nicht das letzte Wort ist. »Wir hoffen, dass in den aktuellen Beratungen noch positive Änderungen für die Offshore-Branche vorgenommen werden«, betont Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie. Dazu gehöre es auch, dass das Gesetz durch Regelungen zur 12-sm-Zone insbesondere der Ostsee ergänzt werde. »Wir haben mit Überraschung zur Kenntnis genommen, dass im zentralen Modell hier keine weitere Flächenentwicklung vorgesehen ist und Projekte dort insgesamt nicht berücksichtigt sein sollen. Es bedarf daher für das Küstenmeer in der Ostsee dringend eines Äquivalents zum Flächenentwicklungsplan für die AWZ.« Die zuletzt positive Entwicklung der Offshore-Windenergie in Deutschland müsse auch nach 2020 weitergehen. Bundesregierung und Bundestag seien nun gefordert, bei der Ausgestaltung des künftigen Ausschreibungssystems »eine kontinuierliche Entwicklung bei einem ausreichenden Marktvolumen« sicherzustellen.
Anne-Katrin Wehrmann