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In der Nordsee sind derzeit fünf Windparks im Bau. Wie es angesichts der neuen Ausbauziele und des Ausschreibungssystems ab 2021 weitergeht, ist ungewiss

Die gute Nachricht vorweg: Bei der installierten Offshore-Windleistung hat Deutschland im vergangenen Jahr Dänemark (Ausbaustand Ende 2015: 1.271 MW[ds_preview]) klar überholt und liegt jetzt in der weltweiten Offshore-Statistik mit derzeit rund 3.500 MW auf Platz zwei. Der Abstand zum Weltmarktführer Großbritannien (Stand Ende 2015: 5.061 MW) ist binnen zwölf Monaten deutlich geschrumpft und betrug zum Jahreswechsel 2015/2016 nur noch knapp 1.800 MW (nach 3.500 MW im Jahr zuvor). Allerdings ist der rasante Zuwachs des Jahres 2015, als in der deutschen Nord- und Ostsee 546 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 2.282,4 MW erstmals ans Netz gingen, im Wesentlichen auf Nachholeffekte bei der Netzanbindung zurückzuführen. Angesichts der vor zwei Jahren von der Bundesregierung beschlossenen massiven Senkung der politischen Ausbauziele von ursprünglich 25 GW auf nur noch 15 GW im Jahr 2030 und vor dem Hintergrund der anstehenden erneuten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (s. weiterer Artikel in dieser Ausgabe) ist schon jetzt klar, dass sich derartige Rekordjahre spätestens mit Wirksamwerden des neuen Ausschreibungssystems ab 2021 nicht wiederholen werden.

Der Schwerpunkt des deutschen Offshore-Ausbaus lag von Anfang an in der Nordsee, wo in den vergangenen Jahren insgesamt zwölf Windparks in Betrieb gegangen sind. Die beiden Windparks, die bisher in der Ostsee Strom ins Netz einspeisen, kommen – bezogen auf ihre Kapazität – auf einen Anteil von rund 10% an der installierten Gesamtleistung (s. HANSA 04/2016). In der Nordsee sind aktuell fünf Projekte im Bau, voraussichtlich fünf oder sechs weitere könnten nach jetzigem Stand bis zum Auslaufen der heute gültigen Einspeisevergütung noch hinzukommen.

Noch im Verlauf dieses Sommers soll rund 40km nördlich von Juist »Gode Wind 1« (330 MW) von Dong Energy fertig werden. Um möglichst viele Synergien nutzen zu können, hat der dänische Energiekonzern das Projekt zusammen mit dem Nachbarpark »Gode Wind 2« (252 MW) umgesetzt, der bereits komplett errichtet ist und im Februar die Stromproduktion aufgenommen hat. Die Installation hatte im April 2015 begonnen. Ein Zeichen dafür, dass sich die Arbeitsabläufe auf See mittlerweile eingespielt haben und sich Windparks heute schneller bauen lassen als noch vor ein paar Jahren. Dong Energy ist mit mehr als 3 GW installierter Leistung weltweit Nummer eins beim Ausbau der Offshore-Windenergie und übernimmt nun mit den beiden Gode-Wind-Projekten auch in Deutschland die Spitzenposition. Zusammen mit dem im Oktober offiziell eingeweihten Nordsee-Windpark »Borkum Riffgrund 1« kommt das Unternehmen hierzulande auf 894 MW. Für das Folgeprojekt »Borkum Riffgrund 2«, dem eine Netzkapazität von 450 MW zugesprochen wurde, soll bis Ende 2016 die finale Investitionsentscheidung getroffen werden.

Im 90km westlich von Sylt gelegenen Baufeld von »Sandbank« sind die Arbeiten an der Innerparkverkabelung in vollem Gange. Vattenfall (Anteil 51%) und Stadtwerke München (49%) errichten hier zum zweiten Mal nach »DanTysk« gemeinsam einen Windpark in der deutschen Nordsee, der wie sein Vorgänger eine Kapazität von 288 MW haben wird. Die Installation der 72

Monopile-Fundamente ist Mitte Februar abgeschlossen worden, Anfang Mai ist die 2.400t schwere Umspannplattform auf die Reise zur Baustelle gegangen. 2017 soll »Sandbank« in Betrieb gehen.

Das Gleiche gilt für »Nordsee One« (332 MW), einen rund 40km nördlich von Juist gelegenen Windpark. RWE hält an dem Projekt noch 15% der Anteile, nachdem der Konzern vor knapp zwei Jahren 85% an die kanadische Northland Power verkauft hatte. Mitte April wurde nach rund vier Monaten die Installation der 54 bis zu 70m langen und 900t schweren Monopiles abgeschlossen – »sechs Wochen vor dem Zeitplan«, wie es heißt. Im Juni soll die Installation der Seekabel starten, bevor im Sommer das Umspannwerk errichtet wird und es Anfang 2017 mit der Installation der Turbinen losgeht.

Der Bremer Projektentwickler und Windparkbetreiber wpd, der voriges Jahr im August sein erstes Offshore-Projekt »Butendiek« (288 MW) in Betrieb genommen hat, installiert seit Anfang Mai die Fundamente für »Nordergründe«. Der 111-MW-Park entsteht nicht in der ausschließlichen Wirtschaftszone wie die vorgenannten Projekte, sondern innerhalb der 12-sm-Zone etwa 34km westlich von Cuxhaven. Nach wpd-Angaben ist dies der erste Meeres-Windpark überhaupt, dessen Gewerke ausschließlich von in Deutschland ansässigen und in der Nordwest-Region produzierenden Unternehmen geliefert und installiert werden: Die Turbinen kommen von Senvion (Bremerhaven), die Fundamente von Ambau (Cuxhaven), die Umspannstation von BVT (Bremen/Bremerhaven). Die Norddeutschen Seekabelwerke (Nordenham) übernehmen die parkinterne Verkabelung, und Bilfinger Marine & Offshore Systems (Hamburg) ist für die Installation zuständig. Ende 2016 soll »Nordergründe« in Betrieb gehen.

Gedrosselter Ausbau ab 2020

Kürzlich begonnen haben die Installationsarbeiten im 115km vor der ostfriesischen Küste liegenden Baufeld von »Veja Mate«. Ursprünglich vom mittlerweile insolventen Offshore-Pionier Bard als Folgeprojekt von »Bard Offshore 1« geplant, wurde der 402-MW-Windpark 2014 vom britischen Investor Highland Group Holdings übernommen. Seine Fertigstellung ist für Ende 2017 geplant. Voraussichtlich im kommenden Jahr soll es mit dem Bau des früher als »MEG 1« bekannten Windparks »Merkur Offshore« (400MW, DEME und Windreich) losgehen. Zeitnahe finale Investitionsentscheidungen sind zudem noch für die Projekte »Hohe See« (494 MW, EnBW), »Trianel Windpark Borkum 2« (200 MW, Trianel und EWE), »Deutsche Bucht« (210 MW, Highland Group Holdings) und, wie oben bereits erwähnt, »Borkum Riffgrund 2« (450 MW, Dong Energy) zu erwarten. Alle genannten Unternehmen planen, ihre Windparks noch vor dem Auslaufen der fixen Einspeisevergütung Ende 2020 in Betrieb zu nehmen.

Wie es anschließend weitergeht, wird davon abhängen, in welcher Form das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das zu dessen Umsetzung im Offshore-Bereich neu entwickelte Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) am Ende in Kraft treten. Bleibt es bei dem, was in den vorliegenden Referentenentwürfen steht, werden für die Zeit von 2021 bis 2030 durchschnittlich nicht mehr als 730 MW jährlich zur Ausschreibung kommen – das wären bei den mittlerweile nicht unüblichen Windpark-Größen von 400 MW und mehr keine zwei Projekte pro Jahr für Nord- und Ostsee zusammen.

Dirk Briese, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Windresearch, sieht daher nach dem derzeitigen Hoch schwierige Zeiten auf die Branche zukommen. »Das Niveau, auf dem der weitere Ausbau erfolgt, führt zu weiteren Konzentrationsprozessen, die durch Übernahmen und Insolvenzen gekennzeichnet sein werden«, befürchtet der Fachmann. Die Akteursvielfalt werde hierbei weitgehend verloren gehen. »Die Offshore-Windbranche hat schon einige Krisen überstehen müssen, jetzt steht sie dem endgültigen Fadenriss gegenüber.« Die vorgesehenen Ausbaumengen würden bis spätestens 2023 zu Überkapazitäten führen, meint Briese. Das betreffe alle Bereiche von den Turbinenherstellern über die Häfen bis hin zu den Errichterschiffen. »Diese Entwicklung ist der Branche bekannt – sie wird derzeit aber unterschätzt.«
Anne-Katrin Wehrmann