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Die deutsche Forschungsflotte ist gut aufgestellt und weltweit

im Einsatz. Die »Maria S. Merian« absolvierte jüngst ihre 50. Fahrt –

mit einer Jubiläumsexpedition bei Windstärke 9


Die Winde ist vereist. Monatelang haben sich die Ozeanographen auf den Einsatz ihrer Mikrostruktursonde vorbereitet, doch jetzt lässt sich die[ds_preview] orangefarbene Kevlarleine, an deren Ende das sensible Messgerät hängt, weder vor noch zurück bewegen. Ratlose Blicke achtern auf der »Maria S. Merian«. Der Bootsmann hat die simple, aber rettende Idee: die Winde mit warmen Wasser auftauen.

Manchmal sind es gerade diese kleinen, einfachen Ideen, die während der Arbeit an Bord den Erfolg einer Expedition ausmachen, auch auf einem Hightech-Schiff wie der »Maria S. Merian«, eine der leistungsstärksten Forschungsplattformen auf See.

Es ist die 50. Fahrt des Eisrandforschungsschiffes – eine Jubiläumsfahrt mit einem straffen Arbeitsprogramm: Nach Expeditionsstart bei eisigem Schneetreiben in Bremerhaven führt die Fahrtroute von der Nordsee durch den Skagerrak in das Kattegat. An 31 Stationen setzen die Meeresforscher vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) auch noch bei Windstärke 9 und eisigen Minusgraden ihre Messgeräte aus und arbeiten dabei Hand in Hand mit der Schiffs­crew. 23 Tage gemeinsam auf See.

Am elften Tag der Expedition die »Quadratur des Kreises«: Höchste Konzentration auf der Brücke. Wir fahren innerhalb eines Kreises von 1,2sm ein Quadrat ab und setzen an jeder Ecke ein Messgerät punktgenau auf dem Meeresboden ab. Der wachhabende Offizier navigiert das Schiff sicher an die von der Wissenschaft vorgegebenen Positionen. Kapitän Ralf Schmidt überwacht das Aussetzen der wissenschaftlichen Geräte. Schmidt machte seine Ausbildung auf Schwergutschiffen, ist seit 2010 Stammkapitän der »Merian«. Was hat ihn nach dem Wechsel in die Forschungsschifffahrt am meisten überrascht? »Vor allem das Schiff selbst. Die ›Maria S. Merian‹ ist ein exzellentes Schiff, mit dem man Aufgaben durchführen kann, die man mit keinem anderen Schiff bewältigen könnte, also mit keinem anderen herkömmlichen Schiff«, so Schmidt. Die Aufgaben in der Forschungsschifffahrt seien vielfältig und spannend. Ein hohes Maß an Flexibilität und Teamfähigkeit sei gefragt, vor allem auch viel Geduld.

Was der Kapitän damit meint, wird klar, nachdem alle Geräte positioniert sind. Mit nur 0,7kn fahren wir immer wieder schön langsam in die Mitte unseres Aktionskreises. Schneller darf es in diesem Fall nicht sein, weil das Messgerät am Heck des Schiffes dank aufgetauter Winde kontinuierlich an der Kevlarleine zum Meeresboden abgesenkt und wieder an die Oberfläche gehievt wird. In Zentrum des Kreises stoppt das Schiff, der Hangar wird geöffnet und über den Schiebebalken kommt der Kranzwasserschöpfer mit der CTD-Sonde für weitere Messungen zum Einsatz. Dann wieder quer durch den Kreis zum äußeren Rand und erneut zurück in die Mitte. Das geht zwei Tage so und wiederholt sich an den folgenden Stationen. Nur Wetter und Seegang bieten Abwechslung. Die graue, winterliche Ostsee hüllt sich mal in dichte Nebelschwaden, mal in eisigen Sturm. Hin und wieder müssen Fischerboote per Funk aufgefordert werden, Abstand zu den Messgeräten zu halten. Hin und wieder muss die Decksmannschaft auf dem Arbeitsdeck Schnee schippen. Wir sammeln weiter Daten und Proben, weil wir wissen wollen, wie der Winter am Meeresboden aussieht. »Was im Winter in der Grenzschicht zwischen Sediment und Wasser passiert, ist tatsächlich bisher weitgehend unbekannt. Die Proben und Daten, die wir auf dieser Fahrt sammeln, sind daher besonders wertvoll. Ihre Auswertung wird maßgeblich zu unserem Verständnis der Stoffflüsse in der Nord- und Ostsee beitragen«, so Fahrtleiter und IOW-Direktor Prof. Dr. Ulrich Bath­mann. Nach über 20 Expeditionen, überwiegend mit dem Forschungseisbrecher »Polarstern« in der Antarktis, ist er zum ersten Mal mit der »Maria S. Merian« auf See und begeistert: »Die Leistungsfähigkeit dieses Schiffes beeindruckt mich.«

Koordiniert werden die Expeditionen von der Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe an der Universität Hamburg. Bereedert wird das Schiff von der Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG. Sie hat im Jahr 2004 die Abteilung Forschungsschifffahrt gegründet und betreut die Forschungsschiffe »Maria S. Merian«, »Meteor«, »Sonne«, »Elisabeth Mann Borgese«, »Poseidon«, »Alkor« und »Heincke« mit ausschließlich deutschen Besatzungen.

250 Seeleute hat Briese auf den Forschungsschiffen im Einsatz, jeder ein Experte auf seinem Gebiet, denn in der Meeresforschung sind Spezialisten gefragt. »Forschungsschifffahrt ist eine große Herausforderung. Jede Expedition wird von den Wissenschaftlern Jahre im Voraus geplant. Da muss schiffsseitig natürlich alles auf den Punkt genau funktionieren«, sagt Kapitän Klaus Küper, Chef der Abteilung Forschungsschifffahrt bei Briese.

Die Reederei kann stolz sein auf ihre Crews. Sie erfüllen den Wissenschaftlern nicht nur fast jeden Wunsch, sondern geben jedem an Bord immer auch ein kleines Gefühl von Heimat. Neben hervorragender Organisation, reibungsloser Arbeitsabläufe und intelligenter Besatzungskonzepte scheint die Forschungsschifffahrt für Briese aber noch ein wenig mehr zu sein. »Die Wissenschaftler haben uns mit ihrer Begeisterung regelrecht angesteckt«, so Küper. Wer das für einen Werbespruch hält, irrt. Freundschaftliches Miteinander und die Begeisterung, gemeinsam die Ozeane zu erkunden, können nicht per Arbeitsvertrag geregelt werden, sondern werden auf den Forschungsschiffen ganz selbstverständlich gelebt. Entsprechend legt die Reederei großen Wert auf die Ausbildung des seemännischen Nachwuchses, die 2015 durch die Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt mit dem Prädikat »Exzellent« ausgezeichnet wurde.


Stephanie von Neuhoff