Print Friendly, PDF & Email

Die »AIDAprima« gilt als derzeit umwelt-freundlichster Luxusliner und damit als eines der weltweit modernsten Schiffe überhaupt. Zahlreiche technische Innovationen sollen die Emissionen und den Kraftstoff-verbrauch signifikant senken.
Mehr als vier Jahre nach der Bestellung und mit einer Verspätung von exakt einem Jahr ist die »AIDAprima« in Hamburg[ds_preview], ihrem künftigen Heimathafen, eingetroffen. Mehrmals hatte die Bauwerft, Mitsubishi Heavy Industries (MHI) in Nagasaki, die Ablieferung verschieben müssen, die bereits im vergangenen Jahr geplante Premierensaison musste sogar abgesagt werden. Die Werft hatte die Verzögerung damit erklärt, dass der Aufwand der Entwurf- und Konstruktionsarbeiten die Erwartungen deutlich überstiegen habe und signifikante Design-Anpassungen nötig geworden seien.

Dem Vernehmen nach hat Mitsubishi mit den zwei bestellten AIDA-Schiffen bislang einen Verlust von rund 740Mio. € verbuchen müssen – bei einem ursprünglichen Auftragswert von rund 900Mio. €. Für die Japaner dürfte sich der Wiedereinstieg in den Kreuzschifffahrtbau daher kaum ausgezahlt haben. Bei AIDA will man die Vergangenheit nun aber möglichst ruhen lassen. »Wir schauen nur noch nach vorn«, beteuert AIDA-Präsident Felix Einhorn.

Der Neubau der sogenannten »Hype­rion«-Klasse ist das mit Abstand größte Schiff in der AIDA-Flotte. 300m lang, zwischen den beiden Brückennocks 50m breit, 125.500BRZ groß. Auf die 18 Decks passen knapp 3.270 Passagiere plus 800 Besatzungsmitglieder. Zum Vergleich: Die bis 2013 auf der Meyer Werft gebauten sieben Panamax-Schiffe der »Sphinx«- und »Ikarus«-Serien sind 50m kürzer bei maximal 71.000BRZ und höchstens 2.500 Passagieren. Die »AIDAprima« gilt zudem, Stand heute, als eines der umweltfreundlichsten Schiffe auf den Weltmeeren. »Wir haben fast alle technischen Lösungen verbaut, die es derzeit am Markt gibt«, betont Eichhorn.

Optimierter Rumpf

Gemeinsam mit der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) und dem Konstruktionsbüro Partner Ship Design wurde der Schiffsrumpf nochmals optimiert. Auffälligste Veränderung ist das markante Vorschiff mit einem nur noch angedeuteten Wulstbug und dem geraden Steven ganz in der Tradition der klassischen Ocean-Liner. Grund sind geringere Geschwindigkeiten, die heute auch von den Kreuzfahrtreedereien gefahren werden. Bei 15 bis 17kn spielt der Reibungsanteil eine deutlich größere Rolle als der Wellenbrechungsanteil, der bei früher üblichen Geschwindigkeiten von 20 bis 22kn wichtig war. Also konnte auf einen relativ großen Wulstbug zugunsten schlanker Linien mit geringen Überhängen an Bug und Heck verzichtet werden, das Ergebnis ist eine deutlich strömungsgünstigere Unterwasser-Lateralfläche.

Ein Schleier aus Luftblasen

Wesentlicher Bestandteil der verbesserten Hydrodynamik ist das von Mitsubishi (MHI) entwickelte und patentierte MALS-System (Mitsubishi Air Lubrication System). Ein Asynchron-Motor mit 360 kW treibt ein Turbinengebläse an, das über einen Schalldämpfer Luft ansaugt, auf etwa 1 bar verdichtet und über Öffnungen im Doppelboden an der Rumpfunterseite ausstößt. Ein Querkanal mit sechs Leitungen befindet sich 18m hinter dem Bug, weitere zwölf Leitungen enden 80m hinter dem Steven. Das Schiff gleitet auf einem »Bläschenschleier«, aus einer turbulenten wird eine laminare Strömung. Da die Luftblasen quasi wie ein Luftkissen wirken, werden zudem Lärm und Vibrationen gedämpft, was dem Passagierkomfort dient.

Für das MALS verwendet MHI hochmoderne Analyseinstrumente für die Flüssigkeitssimulation zur Konfiguration der zahlreichen Luftaustrittsöffnungen, um eine maximale Reibungsverminderung bei optimiertem Luftmengenausstoß zu erhalten. Im Verbund mit dem senkrechten Bug, der optimierten Wasserlinie und der Silikonbeschichtung des Rumpfes führt dies zu zwei Effekten: Ohne eine vorherige Steigerung der Antriebsleistung fährt das Schiff mit MALS 0,7 bis 0,9kn schneller. Durch die geringeren Reibungsverluste sinkt zudem der Kraftstoffverbrauch um bislang gemessene 5%. Ein wirtschaftlicher Betrieb sei ab 10kn möglich, am effektivsten arbeitet das MALS-System den Angaben zufolge bei etwa 16kn.

Neues Antriebskonzept

Für alle bisherigen AIDA-Schiffe wurde ein diesel-elektrisches Antriebskonzept mit Wellenanlage, Fünf-Blatt-Festpropeller und Rudersteuerung gewählt. Auf der »AIDAprima« sind dagegen erstmals zwei Azimuth-Pods von ABB (Azipod XO) mit je 14 MW installiert. Auch hier geht es um Kostenreduzierung. Diese Technologie habe dank der besseren Strömungsverhältnisse eine um 3–4% höhere Effizienz. Außerdem verbessern die steuerbaren Gondeln deutlich die Manövrierbarkeit des 300m langen Schiffs im Hafen. »Aus voller Geschwindigkeit brauchen wir nur 1,5km Bremsstrecke«, sagt Kapitän Detlef Harms, das sei vergleichbar mit den wesentlich kleineren Vorgängerschiffen. Die Anfälligkeit von Pod-Antrieben, wie früher beispielweise auf der »Queen Mary 2« zu beobachten, gehöre der Vergangenheit an. Alle 14 Tage werden die beiden Gondeln kontrolliert, zudem ist der Betrieb kameraüberwacht.

ABB hat das gesamte elektrische System geliefert, einschließlich der Generatoren und Transformatoren für Antrieb, Motorraum und Stromverteilung, Frequenzumrichter, Motoren für die Bugstrahlruder, die zugehörige Ausrüstung für die Energietechniksysteme sowie die Azipod XO-Gondeln. Wert der Anlagen pro Schiff: rund 30Mio. $.

Erster Gasmotor von MaK

Erstmalig wurde mit dem von MaK neu entwickelten Motor M46DF (10.800 kW) ein Dual-Fuel-Motor als eine von vier Hauptmaschinen verbaut, der während der Fahrt mit Schweröl oder Marinediesel, während der Hafenliegezeiten aber auch mit Gas betrieben werden kann. Getankt wird dafür LNG (Liquified Natural Gas), das bei Bedarf über eine bordeigene Anlage in den gasförmigen Zustand umgewandelt wird. Die Versorgung erfolgt über mobile Tankwagen (Lkw). Gerade erst haben AIDA und Shell eine Vereinbarung zur künftigen Versorgung in den Häfen des Fahrtgebiets Nordeuropa geschlossen.

Rund eine Stunde Vorlauf benötigt die Umstellung von Diesel- auf Gasbetrieb. Der rund 25m2 große Raum ist durch eine Schleuse gesichert, alle Installationen sind explosionsgeschützt. Zuvor müssen die Leitungen dreimal mit Stickstoff gespült werden und das LNG (-163 °C) erwärmt werden.

»Der Motor hat bereits mehr als 100 Betriebsstunden problemlos im Gasbetrieb gearbeitet«, sagt Eckbert Schuster, Chefingenieur auf der »AIDAprima«. Künftig soll der Gasmotor allein den Energiebedarf für den Hotelbetrieb im Hafen liefern. Bei den bisherigen Anläufen kam er allerdings noch nicht zum Einsatz. »Wir werden sukzessive in den Anlaufhäfen alle nötigen Vorkehrungen treffen«, kündigte AIDA-Präsident Eichhorn an. Er sei überzeugt, dass dies ein klares Signal an die Häfen und LNG-Produzenten sei, in die notwendige Infrastruktur zu investieren.

Bei dem M46DF handelt sich um eine Weiterentwicklung der bewährten Baureihe M43 von Caterpillar/MaK, die mit einem zweiten Kraftstoffstrang und Einspritz- sowie Zündtechnik ausgestattet wurde. Drei herkömmliche Dieselmotoren der Reihe M43 wurden als Hauptmaschinen mit jeweils 12.000 kW installiert. Dazu kommen drei Bugstrahlruder. Die Generatorleistung liegt bei insgesamt 43.200 kW.

Für Landstrom gerüstet

Zudem verfügt das Schiff über zwei Anschlüsse für Landstrom, sofern dieser in den Häfen zur Verfügung gestellt wird. Eine Stromversorgung über die LNG-Powerbarge von Becker Marine Systems wie bei der »AIDAsol« ist dagegen nicht möglich. Die »Hummel« liefert den Strom mit einer Spannung von 11 kV und einer Frequenz von 60 Hz an, der Anschluss auf der »AIDAprima« ist dagegen auf 10 kV/50 Hz und damit auf einen möglichen Stromanschluss am Hamburger Terminal Steinwerder ausgerichtet.

Wärme wird zurückgewonnen

Die an Bord erzeugte Energie wird in erheblichem Umfang über ein »Waste Heat Recovery System« zurückgewonnen. Absorptionskältemaschinen wandeln die Abwärme der Motoren in Kälte für die Klimaanlagen um. Auch der Energiebedarf für die Heizung oder die Wäscherei werde dadurch reduziert, heißt es. Energieersparnis: etwa 8%.

Alle Elektromotoren, etwa in den Türen und Aufzügen, speisen überschüssige Energie zurück ins Bordnetz. Frischwasser muss das Kreuzfahrtschiff fast gar nicht mehr aufnehmen. Eine bordeigene Anlage wandelt bis zu 100m3 Meerwasser pro Stunde in Trinkwasser um.

Die Gesamt-Energieersparnis »gegenüber Schiffen vergleichbarer Größe« beziffert AIDA auf 20%. Der Kraftstoffverbrauch sinkt von bislang 3 l auf nur noch 2,7 l je Passagier und 100km. »Wir sehen uns auch künftig als Vorreiter im Umweltschutz«, sagt Präsident Felix Eichhorn. Danach hat die Reederei in den vergangenen vier Jahren mehr als 100Mio. € allein in klimaschonende Technologien auf ihren Schiffen investiert.

Abgasnachbehandlung

Von Umweltschützern wie dem Nabu immer wieder aufs Korn genommen, hat AIDA in das weltweit erste dreistufige System zur Abgasnachbehandlung (Katalysatoren, Filter und Scrubber) auf einem Passagierschiff investiert. Die »AIDAprima« sei mit allen derzeit technisch verfügbaren Technologien für eine emissionsarme Energieerzeugung an Bord ausgestattet. Stickoxide werden in einem Katalysator gebunden, Ruß- und Brennstoffrückstände in einem Filter aufgefangen. Die Schwefeloxide werden ohne Zusatz von Chemikalien in einem Abgaswäscher (Scrubber) entfernt. Eine der vielen Kameras an Bord ist auch auf den Schornstein gerichtet.

Mit dieser bislang einzigartigen Kombination würden die Emissionen von Rußpartikeln, Stickoxiden sowie Schwefeloxiden auf der »AIDAprima« um 90 bis 99% reduziert. Der Ausstoß von CO2 werde um 20% gesenkt, heißt es bei der Reederei.

Nächste Generation von Meyer

Im kommenden Jahr soll das Schwesterschiff »AIDAperla« folgen. Mit der folgenden Schiffsgeneration, die 2019/2020 in Dienst gestellt wird, geht AIDA noch einen Schritt weiter. Die nächsten zwei Schiffe sollen nach dem Konzept »Green Cruising« zu 100% mit Gas betrieben werden. Nach dem für beide Seiten eher unglücklichen Abstecher nach Japan wurde jetzt wieder bei der Meyer Werft in Papenburg bestellt – die kommenden Neubauten werden mit 180.000BRZ noch größer als die »AIDAprima«.


Krischan Förster