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So »schnell« kann aus einem Problemfall ein Vorzeigeprojekt werden: Nach langer Odyssee hat Scandlines die erste neue Hybrid-Fähre getauft. Dabei sollen sie eigentlich »nur« eine Zwischenstation sein.
Das Wichtigste vorweg: Die 169,5m lange und 25,4m breite »Berlin« mit Kapazitäten für 460 Pkw oder 96 Lkw sowie 1.300[ds_preview] Passagiere ist (fast) fertig und soll in Kürze ihren Dienst zwischen Rostock und dem dänischen Gedser aufnehmen. Auch ihre Schwester »Copenhagen« soll nach aktuellen Planungen nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Bei der Taufzeremonie im deutschen Ostseehafen war den Beteiligten die Erleichterung darüber direkt anzusehen, dass sich das Neubau-Projekt seinem Ende nähert. »Endlich sind wir am Ziel. Es war ein zeitweise holpriger Weg. All das ist nicht spurlos an uns vorübergegangen, aber dieser Tag wird nun in die Geschichte von Scandlines eingehen«, sagte CEO Søren Poulsgaard Jensen. Nach Meinung von Rostocks Hafenchef Gernot Tesch war es »auch für den Hafen ein bedeutender Tag.« Selbst Dietmar Oeliger als Vertreter des Naturschutzverbands NABU, nach eigener Aussage stets kritisch und oft ungeduldig, sprach von einem »Tag zum Feiern«.

Nun stand die weltweit erste RoPax-Fähre dieser Art mit ihrem kombinierten Hybrid-Antrieb inklusive Diesel- und Batterietechnologie kurz vor der Indienststellung. Letzte Details fehlten zum Tauftermin zwar noch, etwa einige Genehmigungen beziehungsweise letzte der über 200 Tests oder Anpassungen von Hafenrampen. Nach den jahrelangen Querelen, hinlänglich bekannt und oft beschrieben, wirken diese Punkte allerdings überschaubar.

140Mio. € lässt sich die ehemals deutsch-dänische Reederei – heute eine hundertprozentige Tochter des britischen Investors 3i – allein den aufwendigen Umbau kosten, und zwar pro Schiff. Zusammen mit den knapp 32Mio. €, die dem Vernehmen nach für den Ankauf der Fähren aus der Insolvenzmasse der ehemaligen P+S-Werften gezahlt wurden, umfasst das gesamte Projekt damit rund 322Mio. €. Das sind rund 140Mio. € mehr als das ursprünglich vereinbarte Vertragsvolumen von 184Mio. €. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Zur Bewertung gehört auch, dass die Fähren nach der Werftpleite umfangreich überarbeitet wurden, inklusive eines umweltschonenden Hybridantriebs – der zudem von der Europäischen Union gefördert wurde.

Seit mittlerweile rund sechs Jahren beschäftigt das Projekt die Verantwortlichen. 2010 hatte Scandlines den Auftrag an die ehemalige P+S-Gruppe vergeben, geplant war eine Übergabe im Mai 2012. Es folgten Zahlungsschwierigkeiten und Konstruktionsprobleme bei der Werft in Stralsund. Die Reederei nahm die halbfertigen Schiffe nach der Werftinsolvenz schließlich nicht ab. »Wir haben leider viel zu spät gesehen, dass die Schiffe viel zu schwer waren«, sagt CEO Jensen. Der Auftrag wurde 2012 storniert. Verhandlungen mit STX in Finnland und »einer Werft in Hamburg« führten zu keinem Ergebnis. Anfang 2014 kaufte Scandlines die Fähren dann doch noch aus der P+S-Insolvenzmasse. Die »Berlin« wurde daraufhin zu Blohm + Voss nach Hamburg gebracht, wo mögliche Kosten für einen umfassenden Umbau kalkuliert und die entsprechenden Arbeiten geplant wurden. Der Auftrag zur Fertigstellung ging an die dänische Fayard-Werft in Munkebo, wo Experten von Blohm + Voss hinzugezogen wurden. »Guter Rat war teuer«, so Jensen weiter mit Verweis auf die zusätzlichen Kosten. Bei Fayard wurde letztlich das Gewicht um 1.100t – unter anderem durch die Herausnahme von Decks – und der Tiefgang auf 5,5m reduziert sowie der Antrieb auf Hybrid-Technologie umgerüstet und ein closed-loop Scrubber eingebaut. Doch damit war die Problemserie noch immer nicht beendet. Weil es während der Bauphase einen Wasserschaden gab, kam es zu erneuten Verzögerungen.

Mittlerweile gelten die »Berlin« und die »Copenhagen« als Stützpfeiler der grünen Strategie der Reederei. Einer der Kernpunkte ist das »Zero Emission Ship«, das möglicherweise auch Wasserstoff und Solarenergie nutzen könnte.

Auf der sogenannten Vogelfluglinie zwischen Puttgarden und Rødby wurden bereits vier Fähren auf eine Hybrid-Lösung mit Batterien umgerüstet. In einer weiteren Übergangsphase (»Plug-in hybrid«) sollen künftig weitere Dieselmotoren ersetzt werden und Landstrom die benötigte Zusatzenergie liefern, um die Bordbatterien während des Aufenthalts im Hafen aufzuladen. »Wir hoffen, in ein paar Jahren die Plug-in-Lösung realisieren zu können. Damit wäre in den ersten und letzten 20 Minuten einer Überfahrt ein Betrieb allein mit Batterieantrieb möglich«, sagt Sprecherin Anette Ustrup Svendsen. Ein letzter Schritt beinhaltet schließlich die Umstellung auf einen kompletten Batterieantrieb, möglicherweise mit Brennstoffzellen als »back-up«.

Noch ist man aber nicht so weit, unter anderem in finanzieller Hinsicht. Rund 60Mio. € werden für eine Realisierung des »Zero Emission Ship« einkalkuliert. Auch will man auf Weiterentwicklungen in der Batterietechnik warten. Zudem sorgt der geplante Fehmarnbelt-Tunnel und dessen Fertigstellung für Unsicherheit in der Flottenplanung der Reederei. »Wir wollen das Zero-Emission-Schiff, aber wir benötigen dafür auch Unterstützung, von der Politik sowie aus den Bereichen Technik und Finanzierung«, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Steve Ridgway.

Das jetzt in der »Berlin« und ihrer Schwester eingebaute Hybrid-Antriebssystem kombiniert traditionellen Dieselantrieb – Typ MaK 9M32CCR – mit elektrischem Batteriebetrieb. Am effektivsten arbeiten die Generatoren bei einer Auslastung von 85 bis 90%. »Durch die Kombination der Dieselgeneratoren mit Batteriepaketen kann die optimale Auslastung der Motoren permanent gewährleistet werden. So werden Teilauslastungen und Leerlauf vermieden, was schlussendlich auch der Umwelt zugutekommt«, so die Sprecherin weiter. In der Praxis funktioniere das System so, dass die Fähre während der Hafenliegezeit bei optimaler Maschinenauslastung überschüssige Energie produziert, die an Bord im sogenannten ESS (Energy Storage System) von Siemens gespeichert werden kann und anschließend bei Bedarf zur Verfügung steht. Wenn mehr Energie benötigt wird, als der Dieselgenerator liefern kann, wird Energie aus dem ESS gezapft – bei geringerem Bedarf wird das ESS wieder mit Energie aufgefüllt. Auf See gleicht das ESS die Differenz – ob Defizit oder Überschuss – zwischen der erforderlichen und der durch den Dieselgenerator gelieferten Kraft aus.

In welchem Umfang Emissionen von Kohlenstoffdioxid eingespart werden können, wissen die Verantwortlichen aber noch nicht. Das werde sich erst nach den ersten Fahrten im Detail zeigen, heißt es.

Michael Meyer