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Der Kostensenkungsdruck für Schiffsgesellschaften birgt Chancen für globale Bereederungsfirmen. Einige Top-Anbieter melden Flottenzuwächse, während sich das Fusionskarussell weiter dreht, berichtet Michael Hollmann

In der globalen Bereederungsbranche gab es in den vergangenen zwölf Monaten viel Bewegung: Zuerst schlossen sich die in Hongkong ansässigen[ds_preview] Anglo-Eastern Group und Univan Ship Management zur Anglo-Eastern Univan Group zusammen. Dann übernahm die britische V. Group den ebenfalls britischen Dienstleister Bibby Ship Management und schwang sich damit wieder zur Nummer 1 der Branche empor. Und in Deutschland wird derzeit mit Spannung der Ausgang der Prüfungsphase (Due Dilligence) für die Zusammenlegung der Bereederungsaktivitäten der Rickmers Group (Rickmers Maritime Services) und der E.R. Capital Holding (E.R. Schiffart) erwartet. Die neue Firma würde rund 220 Schiffe betreuen. Ziel sei es, »die Kräfte in einem von starkem Wettbewerb gekennzeichneten Markt zu bündeln«, den Ausbau des Bereederungsgeschäfts voranzubringen und die Leistungsfähigkeit der Angebote zu steigern, erklärten Rickmers und E.R. Capital Mitte April. Bis Redaktionsschluss konnten die Unternehmen noch keine Einigung melden. Mit seiner gemeinsam gemanagten Flotte würde der Firmenverbund der Rickmers-Brüder Schätzungen zufolge auf Platz 8 der Bereederungsunternehmen weltweit vorrücken. Allein auf das Containerschiffssegment bezogen würde die Firma wohl in den Top 3 mitspielen. Dabei werden die im Rahmen eines Mergers erzielbaren Skaleneffeke wie Synergien und Kostensenkungspotenziale gerade für so mittelgroße Unternehmen wie die Rickmers Reederei und E.R. Schiffahrt als recht hoch erachtet.

Für die größten Anbieter wie V. Group und Anglo-Eastern Univan sind hingegen wohl kaum noch Einkaufs- oder Produktivitätsvorteile nur durch Zusammenschlüsse möglich. Viele kleinere Schiffsmanager müssen aber nachziehen, wenn sie den Forderungen der Kundschaft nach weiteren Absenkungen der Schiffsbetriebskosten entsprechen und ihre Flotten weiter ausbauen wollen. Die extrem angespannte Finanzlage vieler Schiffseigner wird von den Dienstleistern einerseits mit Sorge verfolgt, andererseits dürfte sie den »Third Party Managern« immer mehr Türen im Neugeschäft öffnen. Denn für kleine und mittlere Bereederer mit eigener Tonnage wird die Luft zunehmend dünner, sofern sie die durchschnittlichen Kosten und Performance-Standards aufgrund zu geringer Größe nicht erreichen können. Jedoch besteht unter Insidern auch kein Zweifel daran, dass viele kleine Reedereien mit sehr schlanken Strukturen und großem persönlichen Einsatz bei der technischen Bereederung den »Großen« der Branche durchaus das Wasser reichen können.

»Wie in anderen Servicebranchen werden auch in der Bereederung die größeren Anbieter wachsen und gedeihen«, ist Simon Doughty, Chief Executive Officer der Wallem Group mit Sitz in Hongkong, überzeugt. »Es gibt immer mehr Möglichkeiten im Markt, weil sehr viele Neubauten abgeliefert werden und mehr Schiffseigner ein Outsourcing in Betracht ziehen.« Die Aussichten für organisches Wachstum ohne Fusionen oder Übernahmen seien für große Anbieter wie Wallem ausgezeichnet. Das Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, die gemanagte Flotte pro Jahr um 30 bis 40 Einheiten zu erweitern – auch im aktuellen per 30. September endenden Geschäftsjahr. Bis Ende September rechnet Doughty mit einem Anstieg der Wallem-Flotte auf 400 bis 415 Schiffe.

Die weitere Konsolidierung der Ship-Management-Branche dürfte vor allem mittelgroße Bereederungsfirmen betreffen, meint Doughty – weniger die kleinen Familienreedereien mit einem zwar kleinen aber exklusiven Bestand an eigenen Schiffen. Wie andere große Wettbewerber gewinnt Wallem neue Kunden häufig auf Basis flexibler, erfolgsabhängiger Vergütungsregelungen. »Nach dem Motto: Hier ist eine Grundpauschale von 150.000$ pro Jahr. Und wenn die Offhire-Zeiten niedrig und die Betriebskostenziele übertroffen werden, gibt es 10.000 oder 20.000$ zusätzlich«, so Doughty. Umgekehrt müsse der Dienstleister auf Bezahlung verzichten, wenn die in KPIs verfehlt werden. »Man hat mehr die eigene Haut mit im Spiel als früher.« So wünschten es sich vor allem die Private-Equity-Firmen, die häufig auf Third-Party-Manager für die Betreuung ihrer akquirierten Schiffe angewiesen sind. Ein zentraler Bestandteil von Wallems Wachstumsstrategie ist der Stützpunkt des Unternehmens in Hamburg mit derzeit 31 betreuten Schiffen, der anfangs als Joint Venture mit H. Vogemann und inzwischen in Eigenregie betrieben wird. Anders als man annehmen würde ist das Geschäft in Hamburg nicht auf Containerschiffe, sondern auf Tanker ausgerichtet. Auf 60 bis 80 Schiffe soll der Auftragsbestand in den kommenden Jahren ausgeweitet werden, »dann nehmen wir die nächsten neuen Büros in Angriff, vielleicht in Zypern oder Athen«, erklärt Doughty.

Unterdessen ist der weltgrößte Bereederungsdienstleister V.Group/V.Ships noch mit der Integration seiner jüngsten Akquisition im März dieses Jahres beschäftigt. Bis Ende 2017 soll Bibby Ship Management prozesstechnisch voll in die Gruppe eingegliedert sein, sagt V.Group-Chef Clive Richardson. Bei der Übernahme standen weniger Skaleneffekte als vielmehr der Vorstoß in ein ganz neues Kundensegment im Vordergrund. »Wir sind damit aus dem Stand auf Platz 2 nach OSM im vollen technischen Management von Offshore-Fahrzeugen vorgestoßen. Jetzt sind wir in der Lage, bei allen Ausschreibungen in diesem Bereich führend mitzubieten«, erläuterte Richardson. Insgesamt betreut die Gruppe heute eigenen Angaben zufolge 900 Schiffe – davon circa 630 voll in technischem Management, die übrigen nur im Crewing. Die Strategie der V.Group bleibe darauf ausgerichtet, das Bereederungsgeschäft durch weitere »maritime Services« von Schiffsdesign über Unterwasserinspektionen bis Reparaturen zu ergänzen. Über 40% der Gruppenumsätze würden heute bereits mit zusätzlichen Dienstleistungen erwirtschaftet. »Aber es geht uns bei den Dienstleistungen immer darum, uns im Kerngeschäft als Schiffsmanager noch stärker aufzustellen«, unterstreicht Richardson. Medienberichte, wonach V.Group von seinen Private-Equity-Investoren jetzt selbst zum Verkauf gestellt wird, weist der CEO vehement zurück. »Die Investoren spielen natürlich immer einmal Ausstiegsszenarien durch, aber ist im Moment definitiv kein Verkaufsprozess in Gang.« Stattdessen werde das Unternehmen weiter eigene Akquisitionsprojekte prüfen – was sowohl Bereederungsfirmen als auch andere Marine-Services-Unternehmen betrifft. Neue organische Wachstumsmöglichkeiten durch Outsourcing sieht Richardson unter anderem bei Reedereien in Griechenland sowie im skandinavischen Raum und auch in China.

Die Bereederungsorganisation der Hamburger Schulte Group, Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM), die mit insgesamt 600 Schiffen (350 volles technisches Management, 250 Crewing) als drittgrößter Anbieter weltweit zählt, sieht für sich neue Möglichkeiten vor allem im Containerschiffs- sowie im Offshoresegment. Die Beauftragung für die Bereederung mehrerer Containerschiffe durch Maersk ist für CEO Norbert Aschmann nur ein Auftakt. »Wir sind, was das Outsourcing der großen Linien angeht, wohl erst am Anfang«, erklärte er. »Der eine oder andere könnte sich in Zukunft fragen, ob der Betrieb von Schiffen sein Kerngeschäft sein muss oder ob er sich nicht besser auf die Logistik rund herum konzentriert.« Damit ist BSM der einzige von einem halben Dutzend großen Bereederern, mit denen die HANSA sprach, der den Containerschiffssektor explizit als Wachstumssegment für sich hervorhebt. Nach mehreren Geschäftsabschlüssen für Offshore-Schiffsprojekte gründete BSM zudem im vergangenen Jahr die Tochtergesellschaft BS Offshore, um dieses Marktsegment gezielt zu erschließen. Neben Service-Schiffen für Offshore-Windparks und Accomodation-Units sollen auch Managementaufträge für Schiffe im Öl- und Gasgeschäft akquiriert werden. Aufgrund der schwierigen Marktlage entstünde »Druck im Offshore-Bereich, die man vorher nicht kannte«, sagt Aschmann. »Das betrachten wir als Einstiegschance in diesem Sektor.« Firmenübernahmen seien ebenfalls möglich. »Wir beschäftigen uns gedanklich auch damit. Wenn wir einen Player finden würden in einem Marktsegment, das wir noch nicht so weit erschlossen haben, wie wir es gern hätten, dann kann das für uns interessant werden.«

In der Zukunft gehe es für BSM darum, sich noch stärker mit umfassenden Lösungskonzepten für Schiffsprojekte vom Entwurf über die Bereederung bis hin zum Recycling am Markt zu etablieren.

Kunden könnten dann Großverlader wie zum Beispiel Kraftwerke sein, die alternative Brennstoffe einsetzen wollen und sich überlegen müssen, wie sie Transport und Logistik dafür organisieren. Einen interessanten Auftrag erhielt BSM von dem australischen Bergbaukonzern Fortescue Metal Group. Dabei ging es um die Optimierung der Entwürfe für eine Serie neuer Bulker für den geplanten Einsatz auf der Australien-China-Route und die Übernahme der Neubauaufsicht für die Schiffe.

Die zu Schoeller Holdings gehörende Bereederungsorganisation Columbia Shipmanagement konzentriert sich mit ihren jüngsten Investitionen vor allem auf China und den Kreuzfahrtsektor. Kürzlich eröffnete das Unternehmen eine Niederlassung in Shanghai, einerseits um von dort aus technisches Management für chinesische Eigner zu betreiben und andererseits um verstärkt chinesisches Personal für die internationale Schifffahrt anzuheuern. In Hamburg verstärkte Columbia seine Dienstleistungsangebot für Kreuzfahrtreedereien. »Unsere weiteren Investitionen werden sich weitgehend auf Crew Development und auf Informationstechnologie konzentrieren – zwei Bereiche, die wir als absolut kritisch für ein wettbewerbsfähiges Angebot halten«, so Demetris Chrysostomou, Marketing Director bei Columbia.

Trotz Konsolidierungstendenzen erwächst den großen internationalen Bereederern aber auch neue Konkurrenz aus dem »Mittelfeld« heraus. Die weltweit aktive Crewing-Agentur Marlow Navigation dehnt ihre Präsenz zunehmend auf den technischen Bereich aus und soll Gerüchten zufolge als Investor an der Übernahme der Reederei Buss in Leer Ende vergangenen Jahres beteiligt sein. Auf seiner Webseite berichtet Marlow, dass die Flotte unter vollem technischen Management durch zusätzliche Aufträge an den Standorten Zypern und Niederlande auf 79 Einheiten angewachsen sei.

Auch der einst größte deutsche Containerschiffs-Bereederer NSB strebt seit einigen Jahren mit Nachdruck den Einstieg in das Third Party Management an. Doch steht die Firma mit aktuell 63 Schiffen im technischen Management nach wie vor mit einer viel kleineren Flotte da als zu den Boomzeiten der KG-Schiffsfinanzierung. Eigenen Angaben zufolge wurde NSB 2015 von einer nicht näher benannten Investorengruppe mit Bauaufsicht und Bereederung für drei große Produktentanker beauftragt. In der Branche wird gemutmaßt, dass es sich dabei um drei 74.000-Tonner handelt, die von der Conti Holding auf der chinesischen Werft Jiangsu Hantong bestellt wurden. Als Durchbruch im Third Party-Bereich wäre das Projekt wohl nicht zu werten, da Conti selbst zum Gesellschafterkreis von NSB zählt. Sehr erfolgreich beurteilt NSB-Chief Operating Officer Tim Ponath die Geschäftsentwicklung im Bereich der »Marine Solutions« mit Produkten um die Bereederung herum. Für die Geschäftssparte konnte laut Ponath seit Gründung ein Kundenstamm von 450 Schiffen aufgebaut werden. Außerdem sei es NSB in Folge des im Markt viel beachteten Widening-Projekts für Panamax-Containerschiffe gelungen, das technische Consulting stärker auszubauen. »Den verbreiterten Schiffen ist zum richtigen Zeitpunkt eine Marktperspektive und mittelfristige Charter geboten worden, die die heutigen Raten um mindestens das Dreifache übersteigen«, unterstreicht Ponath. Trotz des verhaltenen Auftakts im Third-Party-Business glaubt der Geschäftsführer daran, den Vorsprung der großen Bereederungsdienstleister ein Stückweit aufholen zu können. »Bezogen auf die Leistung bieten wir mindestens das Gleiche, und dies zu den gleichen Konditionen«, meint er. Problem sei, dass der Name NSB im Third-Party-Geschäft noch recht unbekannt sei. »Daran arbeiten wir mit intensiven Vertriebsaktivitäten.«

Michael Hollmann