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Kursverluste und Niedrigzins setzen Haftpflichtversicherern zu. Die Mehrzahl der P&I Clubs können Kapitalpolster aber dank Überschuss im Kerngeschäft weiter ausdehnen.
In Summe haben die großen P&I Clubs der International Group 2015 deutlich schlechter als im Vorjahr abgeschnitten. Schuld daran[ds_preview] sind vor allem negative Renditen im Kapitalanlagegeschäft, das ihnen 2014 noch ordentliche Gewinne beschert hatte. Angesichts des scharfen Gegenwinds an den Börsen kam es also umso mehr auf eine gute Performance im Underwriting an.

Dank einer insgesamt gedämpften Schadensentwicklung konnten in der Tat alle großen »Mutuals«, die bis dato ihre Finanzkennzahlen vorgelegt haben (bis auf American und Japan), mit einem technischen Gewinn abschließen. Die kombinierte Schadenkostenquote (Schäden + Betriebskosten im Verhältnis zu Nettoprämien-Aufkommen) lag entsprechend in allen Fällen unter 100%.

Allerdings reichte es nicht bei allen dazu aus, um die Investment-Verluste auszugleichen. So weisen Britannia, der Shipowners’ Club sowie der Swedish Club unterm Strich beträchtliche Fehlbeträge aus, die zu Lasten der freien Reserven gehen. Der UK P&I Club, der mit Britannia über eine Fusion verhandelt, erzielte in etwa ein ausgeglichenes Ergebnis. Ordentliche Überschüsse – wenn auch nicht ganz auf Vorjahresniveau – konnten Branchenführer Gard, Steamship Mutual, Standard Club und Skuld ihren Mitgliedern präsentieren. Drei Anbietern gelang sogar das Kunststück, die Verschlechterung des Kapitalanlageergebnisses durch Verbesserung der Schadensquote mehr als zu kompensieren. North P&I, West of England und London P&I brachten es fertig, ihr Nettoergebnis gegenüber dem Vorjahr zu steigern.

Obwohl die Vereine die Schadensentwicklung recht unterschiedlich beurteilen, lassen die Kennzahlen nur den Schluss zu, dass die Haftpflichtschäden für den Großteil der Weltflotte im vergangenen Jahr gesunken sind. Für die elf Clubs, die ihre Ergebnisse berichtet haben, liegt die kombinierte Schadenkostenquote für das Jahr 2015/2016 (per 20. Februar) im Durchschnitt bei knapp 87%. Für das Vorjahr (2014/15) wiesen dieselben neun Clubs noch eine Durchschnittsquote von 97% aus.

Aus den bislang verfügbaren Daten lässt sich folgern, dass es im vergangenen Jahr einen zahlenmäßigen Rückgang im Bereich der geringeren bis mittelschweren Schäden gab, die von den Clubs individuell reguliert werden. Denn bei den schweren Schäden mit einem Umfang von über 9Mio. $, die in der International Group gepoolt werden, zeigte der Trend eher noch nach oben.

Laut Britannia meldeten die Clubs dem International Group Pool für das Zeichnungsjahr 2015/16 in etwa genauso viele Großschäden wie im Jahr davor, wobei die Schadenssumme sogar deutlich gestiegen sein soll. Zwei Vorfälle schlugen besonders schwer ins Kontor: Der Untergang des US-RoRo-Frachters »El Faro« samt voller Besatzung im US-Golf im Herbst vergangenen Jahres sowie die Kollision des Tankers »Alpine Eternity« mit einer iranischen Bohrplattform im Frühjahr 2015. Details zur Pool-Performance dürfte der in Kürze erscheinende Jahresbericht der International Group of P&I Clubs liefern.

North mit Spitzenergebnis

Das gute Abschneiden des North P&I Clubs mit einer Steigerung der freien Reserven um 90Mio. $ auf 428Mio. $ und einer Verbesserung der kombinierten Schadenkostenquote von über 100 auf 73,3% führt Co-Geschäftsführer Paul Jennings auch auf eine schärfere Risikoanalyse und Zeichnungspolitik zurück. Nach einem stürmischen Wachstum in den vergangenen Jahren sei der Club zuletzt deutlich selektiver vorgegangen, was sich auch in einem Rückgang der versicherten Tonnage bei der jüngsten Prolongation (20. März) manifestierte. »Wir haben unsere Risikomodellierung in den vergangenen vier bis fünf Jahren stetig entwickelt und können unsere Mitglieder folglich sehr viel genauer beurteilen«, erklärte Jennings gegenüber der HANSA. »Das lief darauf hinaus, dass wir bestimmte Geschäfte nicht verlängert haben, wenn wir sie als riskant einstuften und sich die betroffenen Mitglieder nicht kooperativ zeigten.« Immerhin rangiert North mit 131Mio. BRZ versicherter Reeder-Tonnage immer noch auf Platz drei der Clubs. Dass die insgesamt geringere Schadensentwicklung ihren Teil zur Ergebnisverbesserung beitrug, steht für Jennings außer Frage. Angesichts des Überangebots an Schiffsraum in den meisten Segmenten waren die Kapazitäten bei vielen Reedereien relativ entspannt. »Wir kennen dieses Muster aus früheren Zyklen«, so Jennings. »Wenn der Verkehr nachlässt, sinken auch die Schäden. Die Schiffe werden nicht mehr so stark beansprucht, und viele stellen auf Slow Steaming um.«

Manch ein Mitglied von North wird nach der Aufstockung der freien Reserven um über ein Viertel sicher darauf hoffen, dass der Club die Mitglieder am Erfolg beteiligt und ihnen einen Teil der Prämie erlässt. Für solcherlei Zugeständnisse sieht Jennings derzeit aber keinen Spielraum. Die Kapitalbasis des Clubs sei nach der jüngsten Stärkung wohl auf einem angemessenen Niveau – wie es benötigt werde, um unerwartete Einbrüche etwa aufgrund eines Börsencrashs überstehen zu können.

Dem relativ kleinen London P&I Club gelang es aufgrund eines stark verbesserten technischen Ergebnisses den Vorjahresverlust von 3Mio. $ in einen Gewinn von 3Mio.$ zu verwandeln, womit die freien Reserven wieder auf den Stand von Anfang 2014 (160,7Mio. $) gebracht werden konnten. Das Management hebt in einem Rundschreiben den deutlichen Rückgang im Bereich schwerer Schäden bis 9Mio. $ hervor. Der West of England P&I Club, der mit gut 70Mio. BRZ versicherter Tonnage im Mittelfeld der IG Clubs rangiert, konnte seine Reserven dank eines Überschuss von 33Mio. $ um 13,5% auf 276,7Mio. $ ausbauen. So wie North und London konnte auch West of England sein Vorjahresergebnis (27,5Mio. $) toppen. Die kombinierte Schadenkostenquote verbesserte sich merklich auf 83,6%. Dabei hätte West of England – wahrscheinlich als einziger Player – auch ohne technischen Gewinn ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Denn der Club weist einen positiven Kapitalertrag von 2,8Mio. $ aus, was aus der Aufwertung seines Londoner Bürogebäudes resultiert. Ohne die Immobilie wären die Kapitalanlagen aber um 1% gesunken. Gewohnt solide präsentiert sich der Branchenführer Gard mit Hauptsitz in Norwegen, der seinen Überschuss (auf Estimated Total Call Basis – ohne Einbeziehung von Prämienrabatten) trotz heftiger Kapitalanlageverluste in Höhe von 53Mio. $ relativ stabil halten konnte. Das Ergebnis nach Steuern verschlechterte sich nur leicht von 87Mio. auf 85Mio. $ – dank einer verringerten kombinierten Quote von 83%. Bei den freien Reserven legt Gard, der bereits zum achten Mal in zehn Jahren die Nachschussprämie abgesenkt hat, von 969Mio. $ auf 1,02Mrd. $ zu. Für die Mitglieder des Steamship Mutual stehen die Chancen unterdessen nicht schlecht, dass das Management nächstes Jahr zum dritten Mal in Folge auf eine Prämienanhebung verzichtet. Der Club gehörte auch 2015/16 zu den Bestperformern und stellte einen Überschuss von 64,1Mio. $ zu den freien Reserven, die damit auf 440Mio. $ steigen. Der norwegische Club Skuld schloss das Jahr mit einem Überschuss von 13Mio. $ ab (2014: 13,5Mio. $), wobei die Kapitalanlageverluste durch die technische Verbesserung weitgehend aufgefangen wurden. Die kombinierte Schadenkostenquote unter Miteinbeziehung zusätzlicher Geschäftsfelder wie Seekasko und Offshore Energy erreichte laut Management mit 95% den niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Für den Standard Club verblieb ein Gewinn 10Mio $ nach 12Mio.$ im Vorjahr, wodurch die freien Reserven auf 390Mio. $ anwuchsen. Die kombinierte Schadenkostenquote fiel mit 95% zwar nicht berauschend aus, setzte aber den positiven Trend der vergangenen Jahre fort.

Reserven bei einigen Clubs gesunken

Neutral verlief das Jahr für den zweitgrößten Anbieter, den UK P&I Club. Trotz des Einbruchs der Kapitalerträge von über 54Mio. auf -9Mio. $ holte die Managementfirma Thomas Miller für den Club noch einen kleinen Überschuss von 1,7Mio.$ (2014/15: 25,4Mio. $) raus. Aufgrund von Wertberichtigungen auf Finanzinstrumente gingen die freien Reserven aber marginal auf 547Mio. $ zurück.

Zwei positive Entwicklungen hätten sich auf der technischen Seite ausgewirkt, führte Chairman Alan Olivier aus: ein zahlenmäßiger Rückgang der Schäden über alle und ein Rückgang insbesondere bei den Großschäden. Olivier schickte aber eine Warnung hinterher: »Es gibt keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Bei der durchschnittliche Schadenshöhe beobachten wir eine Inflation von 4% pro Jahr, somit kann schon eine leichte Zunahme der Schäden gepaart mit einer Handvoll schwerer Schäden zu einem schlechten Jahr führen.«

Einen empfindlichen Anstieg der Schadensquoten zusätzlich zu den Investment-Verlusten verzeichneten die beiden kleineren Clubs, der Shipowners’ (von 94,6% auf 98,2%) sowie der Swedish Club (von 86% auf 99%). Ersterer wies in der Folge einen Fehlbetrag von fast 21Mio. $ aus, letzterer ein noch vergleichsweise moderates Minus von 3Mio. $.

Den schwersten Rückschlag musste der dienstälteste P&I Club Britannia einstecken: die Reserven einschließlich der Rücklagen des eigenen Rückversicherers Boudicca schmolzen um satte 33Mio. $ auf rund 513Mio. $ ab. Ein positives Versicherungsergebnis von 46,8Mio. $ (inkl. Boudicca) bei einer von 71,5% auf 78,4% erhöhten kombinierten Schadenkostenquote konnte den Einbruch bei den Investments nicht annähernd kompensieren. Der Aufsichtsratsvorsitzende Nigel Palmer trat zugleich Befürchtungen entgegen, dass Britannia nun unter Druck stehe, seine Kapitalbasis zu stärken und seinen Mitgliedern bei der nächsten Prolongation massivere Beitragserhöhungen zu verordnen. Trotz des Rückgangs der Reserven seien die finanzielle Lage »robust« und das A-Rating des Clubs unerschüttert. Das Kapitalpolster liege immer noch über Plan.


Michael Hollmann