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Mit großer Sorge sieht die Arbeitsgemeinschaft aller deutschen Nautischen Vereine an der Ostsee die zunehmenden Gefahren durch den steigenden Verkehr. Das Risiko von Havarien und Kollisionen in den engen Gewässern wird dadurch immer wahrscheinlicher

Verschärft wird die Situation durch den geplanten Tunnelbau im Fehmarn Belt zwischen Deutschland und Dänemark, der durch den intensiven Baustellenverkehr[ds_preview] nicht nur ein Verkehrshindernis, sondern auch ein zusätzliches temporäres Gefahrenpotenzial bietet.

Die Ostsee gehört zu den verkehrsreichsten Seegebieten der Welt, navigatorisch durch Meerengen, Flachwasser, Eisgang und Nebel in den Herbst- und Wintermonaten zugleich ein schwieriges Gewässer, ökologisch außerordentlich sensibel, zeitweise sehr sauerstoffarm und damit leicht verwundbar. Ein besonderes Risiko für die Ostsee sind daher Havarien mit dem Austritt von großen Ölmengen. Denn die Fähigkeit, Öl abzubauen, ist in diesem Meer besonders gering ausgeprägt. Ein schwerer Ölunfall würde die Ostsee nicht nur über Jahre, sondern über Generationen hinweg verseuchen. Das sagen Meereswissenschaftler unisono.

Verschiedene Studien und Prognosen sagen für die Ostsee einhellig eine nahezu Verdoppelung des Schiffsverkehres voraus. Zur Zeit verkehren allein im Fehmarn Belt etwa 45.000 Schiffe pro Jahr. Bis zum Jahr 2030 werden es nach allen Prognosen 80.000 bis 90.000 sein. Auch wenn im Augenblick das Wirtschaftsembargo gegen Russland zu einer Delle im Warenaustausch mit Putins Republik und damit geringeren Schiffsbewegungen in der Ostsee geführt hat, ist das nur eine Momentaufnahme.

Zugleich nimmt die Größe der Schiffe ständig zu. Inzwischen verkehren auf der Ostsee Containerfrachter mit Kapazitäten bis 20.000TEU – rund 400m lang, fast 60m breit und mit einem Tiefgang von etwa 16m. Gerade die jüngste Strandung der »CSCL Indian Ocean« auf der Elbe hat nicht nur gezeigt, wie schwer es ist, ein derartiges Schiff wieder flott zu machen. Vielmehr sorgen sich Bergungsexperten, dass ein schwerer Unfall mit derartigen Schiffen nicht mehr zu beherrschen ist. Darüber hinaus haben inzwischen auch sehr große Kreuzfahrtschiffe die Ostsee als Tourismusziel entdeckt.

Die Zahl der Tanker wird sich ebenfalls drastisch erhöhen, da Russland plant, die Hälfte seines Ölexports über die Ostsee abzuwickeln. Für den Hafen Primorsk sehen die Ausbauplanungen eine Steigerung des Ölumschlages von 54Mio.t/Jahr im Jahr 2013 auf etwa 120Mio.t/Jahr vor. Andersherum: Statt heute etwa 350 Tankern, die pro Jahr abgefertigt werden, wächst die Zahl auf 1.200, dabei sind auch Öltransporte mit Großtankern bis zu 200.000t zu erwarten.

Mehrere Ölunfälle auf der Ostsee sind Warnung genug, auch wenn sie bislang vergleichsweise glimpflich ausgingen. So rammte etwa 2001 der Zuckerfrachter »Tern« in der Kadetrinne die manövrierunfähige »Baltic Carrier« – 2700t Öl strömten aus und verseuchten die Küsten der süddänischen Inseln Bogö, Farö, Falster und Mön. Schon damals warnten Lotsen und Umweltschützern vor weiteren Unfällen in der Kadetrinne.

Nur durch einen glücklichen Umstand ist 2007 die Strandung des voll beladenen 117.000-t-Tankers »Propontis« im Finnischen Meerbusen ohne Austritt von Öl abgelaufen. Doch nach Ansicht der Experten von HELCOM, der »Baltic Marine Environment Protection Commission«, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Unfall geschieht. Gerade in Deutschland sind die zuständigen Stellen nicht ausreichend auf einen solchen GAU vorbereitet.

Die Gefahren, die von auslaufendem Öl ausgehen, beschränken sich jedoch bei weitem nicht auf Tankschiffe. Wie der Fall des Containerschiffes »Rena« zeigt, das 2011 vor Neuseeland aufgrund nachlässiger Navigation auf Grund lief und die größte Umweltkatastrophe in dieser Region auslöste, bergen auch solche Frachter vergleichbare Gefahren bei Kollisionen oder Strandungen.

Die bereits existierenden, im Bau befindlichen oder geplanten Offshore-Windparks in der Ostsee verringern aufgrund ihrer Nähe zum Hauptfahrwasser die Bewegungsfreiheit der Schifffahrt – besonders die der großen Schiffe mit ihrer beschränkten Manövrierfähigkeit. Ihnen steht eine geringere Driftfläche zur Verfügung. Das verkürzt die Zugriffszeit bei manövrierunfähig treibenden Schiffen erheblich. Weiter erzeugen Offshore-Windparks starke zusätzliche Verkehre von Service- und Errichterfahrzeugen. Kleinfahrzeuge, die die Windparks verlassen, sind auf dem Radarschirm schlecht zu erkennen, und schließlich müssen Sportboote und Fischereifahrzeuge gerade bei widrigen Wetterbedingungen den Windpark ausgerechnet in den Bereich der Großschifffahrt verlassen.

Während die Schiffe technisch immer sicherer werden, ist die Hauptursache für Havarien der Mensch an Bord selbst. Alle Risikostudien gehen davon aus, dass etwa 90% aller Unfälle auf menschliches Versagen, den »human factor«, zurückzuführen ist. Besonders der Konkurrenzdruck unter den Reedereien und die daraus folgenden Kostensenkungsprogramme mit Verringerung der Besatzungsstärke führen zur Überlastung von Schiffsführung und Besatzung mit dem Resultat der Übermüdung. Zudem folgt der Ausbildungsstand der Besatzung im internationalen Schiffsverkehr in der Regel nur den Mindeststandards. Und schließlich hält eine ausufernde Bürokratie die Schiffsführung von ihren eigentlichen Aufgaben ab – eine unterschätzte Gefahr.

Die Nautischen Vereine haben daher Empfehlungen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit gegeben. Sie können zwar nicht von Deutschland allein durchgesetzt werden, da sie internationale Regelungen auf der Ostsee berühren. Soweit sie aber in nationalen Gewässern umgesetzt werden können, sollte dies geschehen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sie in die Beratungen im Rahmen von geeigneten internationalen Gremien einzubringen. So empfehlen die Vereine:

– Die Einrichtung eines Verkehrstrennungsgebietes im Fehmarn Belt.

– Anreize für die freiwillige Annahme von Lotsen in Fehmarn Belt und Kadetrinne. (Staatliche Förderung, Bonus bei Versicherung etc.).

– Einrichtung einer speziellen Tanker-Route.

– Die Überprüfung und Optimierung des Notfallkonzepts für schwere Ölunfälle in Zusammenarbeit mit dem Havariekommando.

– Die Gründung einer Nationalen Küstenwache.

– Besondere Maßnahmen für die Bauzeit der festen Fehmarn Belt-Querung, wie etwa die Einrichtung von Sicherheitszonen, die Bereitstellung von Notschleppern oder besondere Vorfahrtsregelungen für große Schiffe.

Ziel der Handlungsempfehlungen der Nautischen Vereine an der Ostsee ist es, rechtzeitig und vorbeugend Maßnahmen zu ergreifen, damit auch in Zukunft der zunehmende Schiffsverkehr besonders in den Meeresengen sicher und umweltfreundlich gewährleistet werden kann. Es geht also darum Vorsorge zu treffen, keinesfalls aber Verkehre zu verhindern. Denn sie sind das Ergebnis des dynamischen Wirtschaftswachstums vor allem in den Staaten der östlichen Ostsee. Es bietet den Menschen dort die Chance auf bessere Lebensbedingungen und damit soziale Sicherheit. Und die darf ihnen niemand verwehren.

 


Jürgen Rohweder