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HANSA[ds_preview]Exklusiv Nachdem die Situation um die insolvente Linienreederei Hanjin in der letzten Woche immer unübersichtlicher wurde, hat sich erneut die südkoreanische Regierung eingeschaltet. Mögliche juristische Folgen für die deutsche Schifffahrt kommentieren die maritimen Rechtsexperten Jan-Erik Pötschke und Katharina Oechsle von der Kanzlei Ahlers & Vogel exklusiv für die HANSA

Welche Konsequenzen drohen den Charterschiff-Reedern und -Gesellschaften?

Reeder, die ihre Schiffe im Rahmen von langfristigen Charterverträgen, in der Regel sind dies Zeitcharterverträge, an Hanjin als Charterer verchartert haben, müssen sich darauf einstellen, dass die Charterverträge von Hanjin nicht erfüllt werden können. Das zuständige koreanische Gericht, das Seoul Central District Court, hat ein sogenanntes »Rehabilitation Verfahren« für Hanjin Shipping angeordnet. Hierbei handelt es sich – vergleichbar dem aus Amerika bekannten Verfahren »Chapter 11« – um eine Art Schutzschirminsolvenz, bei der dem Insolvenzverwalter (Receiver) die Möglichkeit gegeben wird, zusammen mit den Gläubigern eine mögliche Fortführung der Geschäfte von Hanjin zu prüfen. Das sogenannte »Rehabilitation Verfahren« ist am 1. September 2016 um 19.00 Uhr vom Gericht beschlossen worden. Gläubiger sind aufgefordert, innerhalb einer Frist bis zum 4. Oktober 2016 ihre Forderungen bei dem koreanischen Gericht einzureichen, andernfalls laufen sie Gefahr, dass ihre Forderungen nicht berücksichtigt werden. Für den deutschen Charterschiff-Reeder bedeutet dies, dass er seine ausstehenden Forderungen beim Insolvenzgericht in Korea anmelden muss, damit diese berücksichtigt werden. Das Schicksal der angemeldeten Forderungen ist jedoch zweifelhaft. In einem deutschen Insolvenzverfahren bekommen Insolvenzgläubiger in der Regel – wenn überhaupt – nur einen sehr geringen Prozentteil ihrer angemeldeten Forderungen später tatsächlich ausgekehrt. Es ist zu vermuten, dass dies in einem südkoreanischen Insolvenzverfahren nicht anders sein wird. Was mit dem Chartervertrag weiter passiert, insbesondere ob dieser fortgesetzt wird, hängt zum einen von den Bedingungen des Chartervertrages ab und zum anderen vom koreanischen »Receiver«. So kennen wir beispielsweise aus dem deutschen Insolvenzrecht die Regelung, dass Dauerschuldverhältnisse nicht ohne Weiteres wegen der Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens gekündigt werden dürfen, sondern dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eingeräumt werden muss, das Dauerschuldverhältnis fortzuführen.

Bleiben die Charterschiff-Reeder auf den Kosten sitzen und müssen sie möglicherweise für Forderung Dritter gegen Hanjin geradestehen (Bunker, Warenauslieferung, Port Dues etc.)?

Rechtlich ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die deutschen Reedereien/Vercharterer für Forderungen Dritter gegen Hanjin »gerade stehen« müssten, etwa weil Hanjin Rechnungen ihrer Bunkerlieferanten nicht bezahlt haben. In Deutschland dürfen sich Schiffsarreste nur gegen das Eigentum des Schuldners richten – zum Eigentum Hanjins gehören die von den Reedern nur vercharterten Schiffe aber nicht. Auch das Institut des sogenannten Schiffsgläubigerrechts (maritime liens) an dem belieferten Schiff für Bunkerforderungen ist dem deutschen Recht fremd; in manchen anderen Jurisdiktionen ist ein solches aber als Grundlage für einen Schiffsarrest wegen Bunkerforderungen anerkannt. Sofern keine direkten vertraglichen Beziehungen zwischen dem Dritten (z.B. Bunkerlieferant) und dem Reeder bestehen, wäre ein solcher Arrest daher jedenfalls in Deutschland rechtlich unzulässig. Dennoch wird das Schiff »Zielscheibe« vieler Gläubiger sein. Sie werden versuchen, die Schiffe mittels eines Arrests zu pfänden. Da ein Zeitcharterer regelmäßig für die Beschaffung des Treibstoffs zuständig ist, wird – soweit keine Schiffsgläubigerrecht besteht – nicht das Schiff selbst gepfändet, sondern der sich im Schiff befindliche Bunker. Dies hat denselben Effekt wie eine Pfändung des Schiffes, da dieses nicht auslaufen können wird. Dem wird sich der Reeder nur dadurch entziehen können, wenn er eine entsprechende Sicherheit stellt, wozu er rechtlich nicht verpflichtet ist, dies aber gegebenenfalls aus anderem Grunde für geboten hält. Dabei muss er jedoch abwägen, ob dieses Risiko gerechtfertigt ist angesichts der Tatsache, dass er faktisch für die Forderung einer insolventen Linienreederei bürgt und bei Inanspruchnahme vermutlich nur, wenn überhaupt, einen Bruchteil hiervon wieder sieht. Aus rechtlicher Sicht ist die Pfändung von Vermögenswerten von Hanjin dann bedenklich, wenn das koreanische Insolvenzgericht Anordnungen getroffen hat, wonach Zwangsmaßnahmen zur Sicherung von Forderungen gegen das Vermögen zulässig sind. In der deutschen Insolvenzordnung kennen wir dies in § 21 InsO. Nach dieser Vorschrift kann das Insolvenzgericht Maßnahmen treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin zu verhüten. So kann ein deutsches Gericht der Insolvenzschuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. Nach unserem Verständnis hat das Seoul Central District Court dies bezüglich Hanjin auch ausgesprochen. Weiter kann ein deutsches Gericht anordnen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Insolvenzschuldnerin untersagt werden bzw. einzustellen sind. Zu diesen Maßnahmen gehört nach deutschem Recht auch der Arrest eines Schiffes bzw. der Arrest von Bunker in einem Schiff. Sofern also das koreanische Insolvenzgericht solche Sicherungsmaßnahmen über das Hanjin-Vermögen ausgesprochen hat, stellt sich die Frage, inwieweit diese in anderen Rechtsordnungen anerkannt werden. Dies muss in jedem Einzelfall geprüft werden, je nachdem, in welchem Land die Zwangsvollstreckungsmaßnahme – also der Arrest – ausgesprochen wird. Für die Bundesrepublik Deutschland kommt man über § 343 Absatz 1 InsO zu einer grundsätzlichen Anerkennung. Evtl. gepfändetes Hanjin-Vermögen wäre dann geschützt vor Zwangsmaßnahmen. Allerdings werden Arrestbeschlüsse, die Voraussetzung einer Pfändung sind, in der Regel ex parte, d.h. ohne die gegnerische Partei (Hanjin/Receiver) und ohne mündliche Verhandlung vom Arrestgericht erlassen. Der verstoß gegen evtl. vom koreanischen Insolvenzgericht angeordnete Sicherungsmaßnahmen würde also erst im weiteren Prozessverlauf beurteilt werden, wenn sich Hanjin bzw. der südkoreanische Insolvenzverwalter dagegen wehrt.

Droht den Schiffen dann nicht wiederum selbst eine Insolvenz oder gibt es da besondere Regelungen?

Sofern – wie nach aktuellen Meldungen zu vermuten ist – gegenüber Hanjin hohe Außenstände, insbesondere bei den Charterraten, bestehen, besteht in der Tat die Gefahr, dass auch deutsche Reeder und sonstige schifffahrtsbezogene Gesellschaften von der Insolvenz Hanjins finanziell so betroffen sind, dass sie selbst zahlungsunfähig und damit in die Insolvenz gezwungen werden. Besondere Regelungen, etwa eine Besserstellung der Reedereien gegenüber anderen Insolvenzgläubigern im Insolvenzverfahren des Schuldners, sind dem deutschen Insolvenzrecht unbekannt. Die rechtliche Stellung der Gläubiger im Hanjin-Insolvenzverfahren richtet sich aber nach den Regeln des südkoreanischen Insolvenzrechts, über welches wir keine rechtlich verbindlichen Aussagen treffen können.

Wie ist die rechtliche Situation bzw. welches Recht gilt?

Auf das Insolvenzverfahren von Hanjin ist das südkoreanische Insolvenzrecht anzuwenden. Inwieweit die dort getroffenen Maßnahmen, z.B. Sicherungsmaßnahmen, auch in anderen Jurisdiktionen anerkannt werden, muss im Einzelfall geprüft werden (s. oben). Für die Durchsetzung offener Forderungen gegen Hanjin ist es erforderlich, dass die Gläubiger unabhängig von ihren in den Verträgen (z.B. Charterverträgen) vereinbarten Gerichtsständen bei dem für die Hanjin-Insolvenz zuständigen Gericht in Seoul ihre offenen Forderungen anmelden. Damit ist allerdings nicht automatisch gemeint, dass sich die Forderung selbst auch nach koreanischem Recht beurteilt. Ob die Forderungen unter dem jeweils vereinbarten Recht begründet sind oder nicht, wird der südkoreanische Insolvenzverwalter bzw. das Insolvenzgericht nach erfolgter Forderungsanmeldung prüfen, üblicherweise mithilfe von einzureichenden »legal opinions« von Experten (i.d.R. Anwälten) aus dem jeweiligen ausländischen Rechtsraum.

Lohnt sich aus Sicht der Schiffsgesellschaften eine Klage gegen Hanjin?

Da die Beschlüsse des südkoreanischen Insolvenzgerichts grundsätzlich auch in Deutschland Bindungswirkung entfalten, dürften nach Insolvenzantragstellung angestrengte Klagen gegen Hanjin wegen ausstehender Forderungen wenig erfolgsversprechend sein. Die Gläubiger Hanjins sind vielmehr gemäß dem o.g. Beschluss vom 01.09.2016 auf die Anmeldung ihrer Forderungen im südkoreanischen Insolvenzverfahren zu verweisen, mit ungewissen Erfolgsaussichten. Sofern das südkoreanische Insolvenzgericht Vollstreckungsverbote erlässt, müssten sich wegen der Bindungswirkung im Sinne des § 343 Abs. 2 InsO auch die deutschen Gläubiger danach richten. Sofern dennoch Vollstreckungsmaßnahmen – wie z.B. Pfändungen oder Arreste – in das Eigentum Hanjins erfolgen, wären diese vermutlich nach südkoreanischem Insolvenzrecht anfechtbar und der dortige Insolvenzverwalter könnte die entsprechenden Maßnahmen mithilfe deutscher Gerichte für unzulässig erklären lassen (s.o.).

Was sind weitere rechtliche Aspekte?

Nicht nur die Schiffseigentümer haben jetzt große Probleme mit Hanjin, sondern insbesondere auch die Ladungseigentümer, die Ladung an Bord von Hanjin-Schiffen haben. Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie an ihre Ladung nur herankommen, wenn sie bereit sind, weitere Kosten zu akzeptieren. Zwar werden die meisten Konnossemente ausweisen, dass die Fracht bezahlt wurde (Freight Prepaid), so dass ein Empfänger einen Auslieferungsanspruch hat, doch wird die Praxis sein, dass niemand mehr in Vorleistung treten wird, ohne bezahlt worden zu sein. Deshalb werden Container nur gegen Vorkasse ausgeliefert. Ladungseigentümer müssen also damit rechnen, dass beispielsweise Terminals oder andere in den Vor- und Nachlauf der Container involvierten Frachtführer versuchen werden, ihre Außenstände gegenüber Hanjin dadurch durchzusetzen, dass sie Vorkasse verlangen und faktisch ein Zurückbehaltungs- bzw. Pfandrecht geltend machen. Ob ihnen dies wirklich zusteht, hängt wiederum davon ab, nach welchem Recht sich der jeweilige Frachtvertrag beurteilt und inwieweit dieses eine Pfändung für Altforderungen zulässt. In der Praxis wird es regelmäßig so laufen, dass (noch einmal) bezahlt wird, um an die Güter heranzukommen, die dringend benötigt werden. Eine solche Zahlung wird regelmäßig unter Protest erfolgen und ist von vielen Warentransportversicherungen gedeckt.