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Bei großen Schadensfällen rollt häufig eine Lawine von Rechnungen auf die Reederei zu. Bis die Ausgaben von Versicherern oder anderen Beteiligten erstattet werden,

vergehen Monate, zum Teil Jahre. Bei ohnehin knapper Kasse kann das verhängnisvoll sein.
Abhilfe soll ein neues Produkt des Hansekuranz Kontor in Münster schaffen. Mit seinem kürzlich aufgelegten »Cargo Contribution Protect« (CCP) hofft[ds_preview] der Assekuradeur, der vor allem für Kidnap & Ransom-Deckungen bekannt ist, in eine Marktlücke vorzustoßen. Die Deckung ist für Havarie-Grosse-Fälle konzipiert, in denen Schiff sowie Ladungsbeteiligte die Kosten für die Rettung aus einer gemeinsamen Gefahr (Maschinenausfall, Ladungsexplosion, Strandung etc.) proportional zu den geretteten Werten gemeinschaftlich tragen.

Das Problem bislang ist, dass der Reeder im Normalfall in Vorleistung gehen muss, damit Schlepper, Bergungsexperten und Dienstleister fristgerecht bezahlt werden. Die Beiträge von den Ladungsbeteiligten bzw. ihren Warenversicherern einzuholen, dauert seine Zeit, und womöglich fallen noch Rechtsverfolgungskosten für die Geltendmachung der Ansprüche an. Dabei trägt der Schiffseigner immer ein Ausfallrisiko. Zwar kann der Reeder regulär Kommission und Zinsen zu seinen Forderungen addieren, doch die Verauslagung der unter Havarie-Grosse vergüteten Kosten kann Reedereien aufgrund der seit Jahren angespannten Ertragslage in der Schifffahrt kurzfristig vor erhebliche Schwierigkeiten stellen.

Die CCP-Deckung soll künftig dafür sorgen, dass die Liquidität im Fall einer Havarie-Grosse gar nicht erst leidet. Das funktioniert folgendermaßen: Die Reederei tritt ihre Ansprüche auf Beiträge der Ladungsseite von vornherein an den Versicherer ab, der im Gegenzug prompt alle auf die Ladungsinteressen entfallenden Kosten erstattet. »Unser Ziel ist es, den Reeder schon innerhalb der ersten Woche mit liquiden Mitteln auszustatten«, erklärt Raimund Langemeyer, Vertriebsleiter beim Hansekuranz Kontor.

Voraussetzung sei, dass eine Havarie-Grosse vorliegt und die sogenannte »General Average Absorption Clause« (»Small GA«) überschritten wird. Letztere ist häufig Bestandteil von Seekasko-Policen und besagt, dass der Kaskoversicherer die Havarie-Grosse-Verpflichtungen der Ladungsseite bis zu einem bestimmten Betrag (etwa 500.000$) übernimmt. Ist der Umfang der Havarie-Grosse größer, greift die CCP-Deckung schon für alle Beiträge der Ladungsseite ab dem ersten Euro. Die Basis-Deckungssumme für das Schiff beträgt 1Mio. € pro Versicherungsfall und kann bedarfsweise um zwei Layer (2,5Mio.€/­

4Mio. €) aufgestockt werden – bis maximal 7,5Mio. € in Summe.

Ein positiver Nebeneffekt, den sich die Initiatoren erhoffen: Gesamtkosten und Dauer einer Havarie-Grosse könnten verringert werden. »Wenn Bergungsfirmen und andere Schadensdienstleister wissen, dass sie das Geld sofort und nicht erst in sechs Monaten bekommen, legen sie auch günstigere Preise raus«, so Langemeyer. Davon profitiere auch der Charterer des Schiffs, das schneller wieder seetüchtig gemacht wird.

Seit der Produkteinführung vor einigen Monaten verzeichnet Hansekuranz eigenen Angaben zufolge reges Interesse seitens der Versicherungsmakler. Für 25 bis 30 Flotten seien bereits Angebote geschrieben worden, auf die erste Zeichnung wartet die Firma allerdings noch. Bei einer Handvoll Kunden rechne man sich schon gute Chancen auf einen Geschäftsabschluss aus, sagt Langemeyer. Zumal die Kosten für das neue Produkt mit Nettoprämien ab etwa 1.700€ für ein kleines Schiff überschaubar seien. »Unsere Erwartung ist, dass wir das Produkt in diesem Jahr erst einmal vorstellen und bekannt machen, um dann ab Anfang 2017 die Früchte zu ernten.«

Anregungen für die Entwicklung von CCP habe Hansekuranz direkt aus dem Markt erhalten. »Wir sind von verschiedenen Maklern auf die Thematik angesprochen worden«, so der Vertriebschef. »Die hatten aus ihren Schadensabteilungen gehört, dass es bei Kunden in dieser Sache immer wieder Probleme gibt.« Wichtige Partner für den Assekuradeur bei dem Projekt sind die Munich RE, die die Deckungskapazität zur Verfügung stellt, und das Dispacheursbüro Groninger, Welke & Janssen für die Schadensregulierung – also für die Kostenerstattung gegenüber dem Reeder und die Durchsetzung der Ansprüche des CCP-Versicherers gegenüber den Ladungsbeteiligten.
Michael Hollmann